Herzog im Dienst von Hitler

Was hinter einem seltenen Zwei-Mark-Stück von 1911 aus Sachsen-Coburg und Gotha steckt



Der Coburger Top-Rarität von 1911 sieht man nicht an, dass sie zu einer
Prinzentaufe geprägt wurde.




Sachsens Kurfürst Friedrich der Weise und Beschützer von Martin Luther erscheint
auf der hochseltenen Drei-Mark-Münze von 1917. (Repros: Caspar)

Sammler von Reichsmünzen kennen die Top-Raritäten aus der Kaiserzeit, allen voran das Drei-Mark-Stück "Friedrich der Weise", mit dem 1917 die Vierhundertjahrfeier der Lutherschen Reformation begangen wurde. Die winzige Auflage von einhundert Stück sichert dieser mit dem Bildnis des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen geschmückten Silbermünze einen Platz ganz oben auf der Preisskala. Gelegentlich bietet der Handel Stücke an, denen man nicht sofort ansieht, dass sie ebenfalls große Seltenheiten sind. Der letzte Herzog auf dem Thron von Sachsen-Coburg und Gotha, Carl Eduard, ließ 1911 in Berlin eine Zwei-Mark-Münze mit seinem Kopf prägen. Äußerlich unterscheidet sich diese in einer Auflage von nur einhundert Exemplaren hergestellte Silbermünze mit der Jahreszahl 1911 nicht von der 1905 mit dem Vorderseitenstempel von Max von Kawaczynski angefertigten Ausgabe.

Die numismatische Rarität von 1911 lässt den Prägeanlass nicht erkennen. Sie wurde zur Taufe des Coburger Erbprinzen "für die Privatschatulle des Herzogs", also auf seine Rechnung, gefertigt. Sammler, die davon erfuhren, hatten kaum eine Chance, die Rarität zu bekommen, es sei, sie waren mit den "Coburgern" eng verwandt, mit einer hochadligen Familie also, die mit etlichen europäischen Königshäusern verwandt war. Für die bescheidene Sondermünze werden heute erstaunliche Liebhaberpreise verlangt, sollte es je bei einer Auktion angeboten werden. Es versteht sich, dass versucht wurde, die Jahreszahl 1905 wertsteigernd in 1911 zu verwandeln, weshalb entsprechende Angebote auf Herz und Nieren geprüft werden sollten.

Herzog Carl Eduard musste in der Novemberevolution 1918 wie all die anderen deutschen Bundesfürsten abdanken. Die meisten sind aus dem historischen Gedächtnis verschwunden. In ihrem Buch "Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der Macht" (Theiss Verlag Darmstadt 2016, 464 S., 10 Abb., 29,95 Euro) lässt Karina Urbach Vertreter des deutschen und englischen Hochadels auferstehen, die sich mit den Nationalsozialisten gemein machten und ihnen bis fast zum bitteren Ende nützlich waren. Eine wichtige Triebkraft für dieses anrüchige Zusammengehen mit dem deutschen Diktator war die Angst vor dem Bolschewismus, wie man sagte, also vor der Sowjetunion und einer Sowjetisierung des Deutschen Reichs und weiterer europäischer Länder.

Bisher war nur wenig über die politischen Kontakte, die der Hochadel für Hitler im Ausland und vor allem in Großbritannien geknüpft hat. Vor allem die Revolution von 1918 und ihre Folgen führten dazu, dass autoritäre Regimes und nationalistische Strömungen für viele Vertreter des Adels attraktiv wurden. Hitler bot ihnen attraktive Stellen in Militär, Diplomatie und in den Medien an. Urbach hat in die Archive geschaut und unter anderem aufgedeckt, wie weit sich Carl Eduard von Coburg, aber Englands König Edward VIII. und weitere Personen in die Politik der Nationalsozialisten einbinden ließen. Da britische Archive zu diesem dunklen Punkt in der Geschichte der Royal Family verschlossen sind, beschaffte sie sich die nötigen Informationen aus spanischen, russischen und anderen Archiven. Herzog Carl Eduard hieß eigentlich Leopold Charles Edward George Albert. Der Enkel der englischen Königin Victoria wurde 1884 geboren und starb 1954 in Coburg. Er trug den Titel eines Duke von Albany und war außerdem Prinz von Großbritannien und Irland, genau wie Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser. Zwischen 1933 und 1945 war der ehemalige kaiserliche General und Ex-Herzog dem NS-Staat als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes dienstbar, außerdem war er SA-Obergruppenführer. Carl Eduard spielte eine üble Vermittlerrolle zwischen den Nazis und dem deutschen und englischen Hochadel und umgekehrt. Hitler und der sich gern mit Adligen umgebende Reichsmarschall Göring bedienten sich Leuten mit klingenden Namen und langen Stammbäumen, beteiligten sie aber nicht an der Macht.

Da die herzogliche Familie Sachsen-Coburg und Gotha mit allen Fürstenhäusern verwandt war und die Regenten von vier Königshäusern in Belgien, Bulgarien, Großbritannien und Portugal stellte, wurden die internationalen Verbindungen von Carl Eduard gebraucht, um in den betreffenden und weiteren Ländern Stimmung für den um sein Renommee besorgten Hitlerstaat zu machen. In den Gesprächen und Verhandlungen wurde die Unterdrückung und Verfolgung von Menschen im "Dritten Reich" ausgeblendet, die nicht in das rassistische und politische Weltbild der braunen Machthaber passten. Als Carl Eduard nach dem Ende der NS-Herrschaft nach Kriegs- und weiteren Verbrechen gefragt wurde, gab er sich als verfolgte Unschuld und als "kleines Licht" aus. Bei der Entnazifizierung als "minderbelastet" eingestuft, konnte er sich in der jungen Bundesrepublik als Mann mit nahezu weißer Weste aufspielen.

19. September 2016

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