Von Papageien- und Champagnertalern

Viele Münzen trugen volkstümliche Namen, manche hatten sogar einen realen Hintergrund



Der Papageientaler von 1788 gehört zu den preußischen Top-Raritäten und kann
mit weiteren numismatischen Kostbarkeiten im Münzkabinett auf der Berliner
Museumsinsel betrachtet werden.




Mit solchen Silbermünzen - oben ganzer, unten halber Sternentaler - wurden Familien
abgespeist, deren Angehörige vom hessischen Landgrafen Friedrich II. an fremde
Herrscher verkauft wurden und in Amerika ihr Leben lassen mussten.








Um den preußischen Kammerherrentaler von 1816 und den mecklenburgischen
Angsttaler von 1848 ranken sich nicht ganz ernst zu nehmende Legenden.








Der königliche Hof-Traiteur J. Jagor berechnete für eine Flasche Champagner anno
1830 zwei Taler, weshalb die Ausgabe von 1840 und weitere Doppeltaler diesen
Namen erhielten. (Fotos: Caspar)

Es gibt unzählige Taler mit volkstümlichen Namen. Um manche dieser seit dem späten 15. Jahrhundert geprägten Silbermünzen ranken sich Legenden, so beim Sterntaler, den Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel 1778 prägen ließ. Dass diese mit dem preußischen Reichstaler vergleichbare Landmünze zu 24 Groschen von Sammlern in den USA "Blooddollar" genannt wird, hat einen traurigen Grund. Um seine teure Hofhaltung finanzieren zu können, vermietete der Herrscher Landeskinder an auswärtige Staaten, vor allem an Großbritannien. Dessen König Georg III. setzte die Soldaten in Nordamerika gegen die Unabhängigkeitsbewegung in Marsch. Eigentlich sollte die Anwerbung nach Anweisung des Landgrafen ohne Gewaltanwendung erfolgen, doch kam es zu Zwangshandlungen, denen sich die Männer nur schwer entziehen konnten. Den Soldaten wurde ein sicheres Auskommen versprochen. Über die wirklichen Gefahren der Überfahrt in die Neue Welt und das, was sie dort erwartet, wurden sie aber nicht aufgeklärt. So mussten mehr als 20 000 Hessen für fremde Interessen kämpfen. Unzählige starben im Krieg zwischen England und Frankreich in Nordamerika und im Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung. Der mit dem Stern des 1770 von Friedrich II. für Tapferkeit und Treue gestifteten Hausordens vom goldenen Löwen geschmückte Taler wurde zur "Entschädigung" jener Familien verwendet, deren Väter und Söhne in Nordamerika verblutet waren oder als Verwundete die Heimat erreichten.

Seit 1760 an der Spitze von Hessen-Kassel stehend, war Friedrich II. der erste und einzige Herr über die Landgrafschaft Hessen-Kassel nach der Reformation, der zum katholischen Glauben übertrat. Die Vermietung oder besser der Verkauf von Soldaten gegen so genannte Subsidien war ein lukratives Geschäft, das den Landgrafen zu einem der reichsten Fürsten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation werden ließ. Er machte sich einen Namen als Bauherr, Kunstsammler und Stifter des nach ihm benannten Museums Fridericianum in Kassel sowie als Vertreter der Aufklärung. Der Landgraf siedelte Industrie und Manufakturen in Hessen an, und er holte Künstler und Gelehrte nach Kassel. Auf der anderen Seite zog er wegen des Soldatenhandels bis heute Hass und Verachtung auf sich. Das scheint Friedrich II. nicht bekümmert zu haben, er brauchte das Geld, um seine großartigen Bauvorhaben in Kassel finanzieren zu können.

Am Jüngstern Gericht sind wir wieder da

Friedrich II. von Hessen-Kassel war nicht der einzige Herrscher der Barockzeit, der Landeskinder gegen Geldzahlungen in fremde Kriege schickte, doch ist er der bekannteste Vertreter für diese Art Gelderwerb. Ein anderer war der sächsische Kurfürst und polnische König Friedrich August I., genannt August der Starke, der sich die "Lieferung" besonders hoch gewachsener Männer durch den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. mit chinesischem Porzellan vergüten ließ. Die so genannten Dragonervasen sind in zahlreichen sächsischen Schlössern ausgestellt.

Lange war der Soldatenhandel anerkannte Praxis, erst mit der Aufklärung kam er in Misskredit. Kein geringerer als Friedrich Schiller fand mit Blick auf die Soldatenvermietung, mit der Herzog Karl Eugen von Württemberg viele Taler verdiente, starke Worte des Abscheus. Im 2. Akt, 2. Szene von "Kabale und Liebe2 erzählt ein alter Kammerdiener, dass die nach Amerika verschifften angeblichen Freiwilligen jene Edelsteine "bezahlen", die der Fürst verschenkt. "Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? - Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen das Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! Nach Amerika! [...] Noch am Stadttor drehten sie sich um und schrieen: ,Gott mit euch, Weib und Kinder! Es leb' unser Landesvater - Am jüngsten Gericht sind wir wieder da!"

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 zeigte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. auf seinen Talern und anderen Münzen im Schmuck des 1813 gestifteten Eisernen Kreuzes, der Adler hockt auf eroberten Waffen und Fahnen. Im Eifer des Gefechts unterlief einem Stempelschneider 1816 eine Peinlichkeit, denn er setzte in großen Buchstaben die Inschrift FR. WILH. III K. V. PREUSS. um das königliche Bildnis. Als der Herrscher die Münze mit der ungewöhnlichen Abkürzung seines Titels zu Gesicht bekam, soll er unwillig gesagt haben, er sei doch nicht der "Kammerherr von Preuss". Das brachte der Münze den Namen Kammerherrentaler ein.

Da offenbar von den Münzen schon eine gehörige Anzahl geprägt wurde, hat man sie nicht eingezogen und eingeschmolzen, im Gegenteil, der Stempel wurde auch noch im Jahr 1817 verwendet. Dass die Kammerherrentaler viel im Umlauf waren, zeigen Gebrauchsspuren. Makellose Stücke kommen recht selten vor und werden gut bezahlt. Offenbar nahmen die Untertanen Friedrich Wilhelms III. keinen Anstoß an der Inschrift K. VON PREUSS.

Wer sich nach weiteren preußischen Münzen mit volkstümlichen Namen umschaut, begegnet vielleicht dem Papageientaler aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelms II., ganz bestimmt aber dem Champagnertaler. Der 1788 geprägte Papageientaler ist eine numismatische Rarität ersten Ranges und erhielt diesen Namen, weil der in einem Oval sitzende preußische Adler so aussieht, als sei er ein Papagei. Von der so gescholtenen Münze wurden nur wenige Exemplare geprägt, Sammler haben im späten 18. Jahrhundert erreicht, dass einige Stücke nachgeprägt wurden. In der Ausstellung des Münzkabinetts im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel ist ein Original ausgestellt. Sollte ein weiteres im Handel angeboten werden, ist ihm ein astronomischer Preis sicher.

Angst vor der Revolution?

Der Name Champagnertaler bezieht sich auf die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall im damaligen Deutschen Bund, dem Zusammenschluss aller Fürstentümer und Freien Städte mit Einschluss von Österreich, geprägten Vereinsdoppeltaler, weil der Preis einer Flasche des prickelnden Getränks zwei Taler kostete. Das war für damalige Verhältnisse eine große Summe, für die ein Tagelöhner lange und schwer arbeiten musste. Dass es sich beim Champagnertaler um keine Legende handelt wie bei manch anderen Münzen, zeigt ein Blick auf zeitgenössische Speisekarten. Der königliche Hof-Traiteur J. Jagor Unter den Linden 23 in Berlin bot 1830 eine Flasche Champagner für zwei Taler, die halbe aber für einen Taler und fünf Silbergroschen an. Da die Wochenlöhne von Arbeitern und anderen so genannten kleinen Leuten weit unter dem lagen, was "besseren Ständen" oder ganz reichen Leuten zur Verfügung stand, war es klar, wer sich in solchen vornehmen Etablissements verwöhnen ließ und wer sie meiden musste.

Um einen in Berlin mit dem Münzzeichen A geprägten Taler des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin von 1848 rankt sich die Legende, der Landesherr habe aus Angst vor der Revolution den Zusatz "V.G.G" (Von Gottes Gnaden) weggelassen. Dies verschaffte der Silbermünze den Namen "Angsttaler". Wer die Bezeichnung erfunden hat, ist nicht mehr bekannt, auf jeden Fall aber ist sie durchaus verkaufsfördernd. Schaut man hinter die Kulissen, dann stellt sich schnell heraus, dass Großherzog Paul, der Vorgänger des durch die revolutionären Ereignisse von 1848 in Angst und Unruhe versetzten Friedrich Franz II. den fürstliches Gottesgnadentum betonende Hinweis fortließ und sich andere Monarchen auf ihren Münzen ebenfalls ohne den Gottesbezug abbilden ließen. Allerdings fällt auf, dass Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin seine Würde auf einem weiteren, 1864 ebenfalls in Berlin geprägten Taler durch den Zusatz "V.G.G." betonte. Warum er dies tat, könnte ein Blick in die Schwereiner Münzakten ergeben.

5. Oktober 2016

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