"Mehr August als Friedrich"

Sachsens letzter König ging durch den Satz "Macht doch euern Dreck alleene" unrühmlich in die Geschichte ein



König Johann von Sachsen war ein gelehrter Mann und machte sich als Übersetzer
des italienischen Dichters Dante einen Namen. Die Medaille von 1866 feiert das
hundertjährige Bestehen der Bergakademie Freiberg.




Das aus unzähligen bemalten Porzellanfliesen bestehende Wandbild am Langen Stall
in der Dresdner Augustusstraße endet mit einer patriotischen Inschrift, die
Einheit von Volk und König beschwört.




.

Nach dem Tod seines Vaters Johann bestieg König Albert 1873 den sächsischen Thron.
Die Medaille oben von 1889 zum Wettin-Jubiläum in der Größe eines Fünf-Mark-Stücks.
In seiner kurzen Herrschaft hat Georg, genannt der Grämliche, kaum etwas bewegt,
abgebildet ist er auf einer Sterbemünze von 1904




Friedrich August III. war mehr Zivilist als schneidiger Militär.
Lässig grüßt der volksnahe Sachsenkönig vor dem Dresdner Hauptbahnhof.
Die Postkarte stammt aus dem Jahr 1910, als die Welt der Könige
und des Adels noch in Ordnung war.




Die Weimarer Republik ging ausgesprochen kulant mit den ehemaligen Fürstenhäusern
und ihren Familien um und ließ ihnen große Teile ihres Besitzes. So konnten die
Wettiner bis zu ihrer Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg im Barockschloss
Moritzburg bei Dresden wohnen bleiben und sich großer Teile ihres Kunstbesitzes erfreuen.
(Fotos/Repros: Caspar)

Zweimal im 19. Jahrhundert bestand für Sachsen die Gefahr, von der Landkarte gestrichen zu werden - einmal nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 und im Jahr 1866. König Friedrich August I. verlor mit seinem mächtigen Verbündeten Napoleon I. am 18. Oktober 1813 die Völkerschlacht bei Leipzig und geriet in preußische Gefangenschaft. Preußens König Friedrich Wilhelm III. hätte nur allzu gern den Nachbarn geschluckt. Doch wollten die anderen Siegermächte im Kampf gegen Frankreich den Hohenzollernstaat nicht allzu stark werden lassen, weshalb sie Friedrich August I. mit dem Beinamen "der Gerechte" zwar Krone und Thron ließen, ihn aber zwangen, bedeutende Teile seines Territoriums an Preußen abzutreten. Die neuen Untertanen der Hohenzollern fanden das wenig lustig und nannten sich selbstironisch "Beutepreußen".

Die Gelegenheit zur Revanche bot sich im Sommer 1866 im preußisch-österreichischen Krieg, an dem König Johann an der Seite von Österreich, Bayern, Württemberg, Baden und anderen Fürstentümern kämpfte - und wiederum verlor. Doch während nach der von Preußen und seinen Verbündeten siegreich bestandenen Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 Hannover, Hessen und Nassau sowie die Freie und Reichsstadt Frankfurt am Main von Preußen annektiert wurden, blieb Sachsen unangetastet. Der österreichische Kaiser Franz Joseph I. hatte das Fortbestehen des Wettinerstaates zur Bedingung für den Friedensschluss mit Preußen gemacht. Sachsen musste hohe Kontributionen zahlen und dem von den Hohenzollern dominierten Norddeutschen Bund beitreten. Als Preußens König Wilhelm I. am 18. Januar 1871 in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen wurde, beeilte sich die Regierung in Dresden, ihm und seinem Haus ewige Treue zu versichern.

Glanz und Gloria

Im Vergleich zur herausragenden Stellung, die Preußen als größter Territorialstaat sowie als Wirtschafts- und Militärmacht im deutschen Kaiserreich innehatte, spielte das benachbarte Sachsen nur eine untergeordnete Rolle. Seine Könige herrschten in einem nur 15 000 Quadtratkilometer große Bundesstaat mit etwa vier Millionen Einwohnern. Lange zehrte das Land der Wettiner vom Glanz vergangener Tage. Man war vor allem auf das "augusteische Zeitalter", die bau- und kunstfreudige Epoche Augusts des Starken und seines Sohnes Friedrich August II. vll Glanz und Gloria in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, stolz und konzentrierte sich auf kulturelle Dinge und wirtschaftliche Entwicklung, während das Militär eine Nebenrolle spielte. Dank des sprichwörtlichen Fleißes seiner Einwohner und guter Standortbedingungen stand Sachsen wirtschaftlich gut da, war allerdings nach der Reichseinigung von 1871 wegen der stark entwickelten Arbeiterbewegung und seiner Opposition gegenüber dem allmächtigen Reichskanzler Otto von Bismarck als "rotes Sachsen" in konservativen Kreisen gefürchtet.

Als ab 1901 die Ausgabe von Gedenkmünzen zugelassen war, beteiligte sich Sachsen sporadisch an solchen Prägungen. Bereits 1902 gab es einen traurigen Anlass, den Tod von König Albert. An den Monarchen erinnern Zwei- und Fünf-Mark-Stücke, die sich von den üblichen Silbermünzen nur dadurch unterscheiden, dass der Münzstempelschneider Max Barduleck die Lebensdaten des teuren Toten * 23. IV. 1828 + 19. VI. 1902 beziehungsweise aus Platzgründen nur * 1828 + 1902 unter dem Kopf anbrachte.

Albert war der älteste Sohn von König Johann und Königin Amalie, die 1872 ihre Goldene Hochzeit mit einem Doppeltaler gefeiert hatten. Den Prinzen interessierte vor allem das Militärhandwerk, und so kletterte er dank seiner vornehmen Herkunft, aber auch seines persönlichen Einsatzes auf der Offiziersleiter schnell nach oben. Ihm wurde Ende der 1850-er Jahre der Oberbefehl über die sächsische Armee übertragen. Im deutsch-österreichischen Krieg von 1866 gegen Preußen kämpfend, musste Prinz Albert mit seinen Truppen bei Königgrätz eine schwere Niederlage hinnehmen. Erfolgreicher war Albert als Befehlshaber des sächsischen Kontingents im deutsch-französischen Krieg von 1870/71.

Georg der Grämliche

Nachdem König Albert am 19. Juni 1902 gestorben war, bestieg sein Bruder Georg I. den sächsischen Thron, den er bis zu seinem Tod am 15. Oktober 1904 innehatte. Georg I., der vorletzte König von Sachsen, hat während seiner kurzen Regentschaft nur wenige Spuren in der Geschichte seines Landes und der des deutschen Kaiserreichs hinterlassen. Als drittem Sohn von König Johann war dem 1832 geborenen Prinzen Georg eine nachrangige Rolle in der sächsischen Hierarchie zugedacht. Für ihn war eine militärische Laufbahn vorgesehen, in der er es bis zum Generalmajor und 1888 zum preußischen (!) Generalfeldmarschall brachte. Da Georgs älterer Bruder Albert keine Kinder hatte, fiel Georg die Rolle des "ewigen" Thronfolgers zu, die ihm viele repräsentative, aber nicht wirklich gestaltende Aufgaben auferlegte.

Kränklich und politisch wenig ambitioniert, ließ der siebzigjährige Monarch ohne besondere Eigenschaften nach seiner Thronbesteigung alles beim Alten. Die Zeichen der Zeit haben er und seinesgleichen nicht erkannt, und diese standen gerade auch in Sachsen auf Sturm und Veränderung. Historiker bescheinigen Georg, er habe sich als Armeeinspekteur Verdienste um die Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung der Truppe erworben. Auf zivilem Sektor in hochrangigen staatlichen Gremien sowie in diversen Kulturvereinen tätig, sorgte er sich auch für den Erhalt des baulichen und künstlerischen Erbes seines Landes. Als er den Thron bestiegen hatte, nannten ihn seine Untertanen hinter der vorgehaltenen Hand "Georg den Grämlichen", und tatsächlich hatte seine Art zu regieren etwas Gramvolles und Trauriges an sich. Selbst das Hofzeremoniell war so steif und langweilig, dass man es mit Trauerfeiern verglich. Georg wurde nicht so populär wie sein Vater, der Dante-Übersetzer König Johann, und sein Bruder und Vorgänger König Albert, der als Feldherr glänzte.

Als König Georg am 15. Oktober 1904 starb, trat sein 39 Jahre alter Sohn Friedrich August III. die Nachfolge an. Der bürgernahe Monarch wurde in der Novemberrevolution 1918 wie die anderen deutschen Fürsten genötigt, auf seine Krone zu verzichten und starb auf seinen schlesischen Gütern am 18. Februar 1932, von seinen ehemaligen Untertanen tief betrauert. Der neue König ließ 1904 in Muldenhütten Zwei- und Fünf-Mark-Stücke auf den Tod seines Vaters, versehen mit den Lebensdaten 8. VIII. 1832 + 15. X. 1904 prägen. Da die Gedenkstücke mit 150 000 (zwei Mark) und 37 200 (fünf Mark) hohe Auflagen erreichten, sind sie auch heute noch recht preisgünstig zu haben.

Adel im Untergang

Wie es am sächsischen Hof und beim Militär zuging, hat der Schriftsteller Ludwig Renn in seinem Roman "Adel im Untergang" glänzend beschrieben. Der Autor hieß ursprünglich Arnold Vieth von Golßenau und entstammte einer alten sächsischen Adelsfamilie. Er schlug die Offizierslaufbahn ein und genoss es, dass man ihn bewunderte. Doch das Leben in diesem goldenen Käfig machte einsam, es erschöpfte sich in ewigem Trinken, Rauchen, dummen Sprüchen, Amouren und Schuldenmachen. Der Held des Romans erkennt, wie hohl und aufgeblasen er und viele seiner Kameraden sind, und fühlt sich von diesem nutzlosen Leben abgestoßen. Die Abkehr vom Adel, der sich im Untergang befindet, vollzieht sich für den Romanhelden im Ersten Weltkrieg, der die sächsische Monarchie und die anderen Dynastien in die Tiefe reißt, mühsam und schmerzvoll.

Einen großen Auftritt hatte Friedrich August III. im Oktober 1913, als er gemeinsam mit Kaiser Wilhelm II. und im Beisein weiterer "Spitzen" des Reiches das Leipziger Völkerschlachtdenkmal einweihte. Dabei wusste jeder, welch klägliche Rolle Friedrich August I., der Vorgänger des amtierenden Herrschers an der Seite des besiegten Kaiser Napoleon I. gespielt und wie sehr ihn Preußens König Friedrich Wilhelm III. gedemütigt hatte. Wilhelm II. hielt Friedrich August III. nicht viel. Er befand, der Sachse sei mehr August als Friedrich. Wie dieser die abfällige Bemerkung aufnahm, ist nicht überliefert.

Die von Friedrich Wilhelm Hörnlein geschaffenen Entwürfe für neue sächsische Zwanzig-, Zehn-, Fünf-, Drei- und Zweimarkstücke zeigen das Brustbild von König Friedrich August III. mit den Epauletten eines Generalfeldmarschalls. Um sich einen Eindruck zu verschaffen, mühte sich der Künstler um eine persönliche Begegnung mit dem Monarchen, der ihm am zweiten Pfingstfeiertag 1915 für 20 Minuten Modell saß. Die Silbermünzen sollten ab 1916 in Muldenhütten geprägt werden, doch kam der Plan im dritten Kriegsjahr wegen der Edelmetallknappheit nicht zur Ausführung. Jedoch wurden einige Probeabschläge angefertigt.

In exilio bene

Dem letzten Wettiner auf dem sächsischen Thron, König Friedrich August III., wird bei seinem Verzicht auf die Krone am 13. November 1918 der Satz zugeschrieben "Macht doch euern Dreck alleene!". Zwar soll der volksnahe und wohl auch etwas schrullige Monarch dieses Zitat vier Tage nach der Novemberrevolution in Berlin stets bestritten haben, zu seiner lässigen Einstellung zur Politik würde der Ausspruch aber gut passen. Ob echt oder nicht, der Satz machte die Runde und wurde zum Inbegriff für die in ihr Schicksal ergebene Haltung von Politikern und Wirtschaftskapitänen gegenüber Gegebenheiten, an denen man nichts mehr ändern kann. 1919 warf Kurt Tucholsky dem Ex-Monarchen sein Spottgedicht "Das Königswort" hinterher: "Edler König! Du warst weise! / Du verschwandest still und leise / in das nahrhafte Zivil. / Das hat Charme, und das hat Stil. / Aber, aber unsereiner! / Sieh, uns pensioniert ja keiner! / Und wir treten mit Gefühle / Tag für Tag die Tretemühle. / Ach, wie gern, in filzenen Schuhen / wollten wir gemächlich ruhen, / sprechend: "In exilio bene! / Macht euch euern Dreck alleene!"

6. Dezember 2016

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"