Aus erobertem Geschütz

Wozu Bronzekanonen im 19. und frühen 20. Jahrhundert auch noch verwendet wurden



Diese Auszeichnungen aus Bronze und aus Eisen wurden vom preußischen König
Friedrich Wilhelm III. an Helden der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 verliehen.
Die Eisenmedaille wurde auch als Eiserne Pflaume bekannt.




König Wilhelm I. von Preußen stiftete 1864, 1866 sowie 1870/71
diese Auszeichnungen mit seinem Kopf, dem Adler und dem Eisernen Kreuz.




Im überdachten Ehrenhof des Berliner Zeughauses sind Bronzekanonen aus
der Barockzeit aufgestellt, die man aus Gründen der Pietät nicht eingeschmolzen hat.




Diese Geschütze in der Exerzierhalle der Spandauer Zitadelle sind Leihgaben des
Deutschen Historischen Museums. Auch ihnen blieb erspart, zu Glocken
oder Kriegsmedaillen verarbeitet zu werden.




Zum Guss der Bronzebuchstaben DEM DEUTSCHEN VOLKE über dem Portal des
Reichstagsgebäude in Berlin, dem Sitz des Deutschen Bundestages, stiftete
Wilhelm II. zwei alte Bronzekanonen. (Fotos: Caspar)

Jahrhundertelang bekriegten sich feindliche Heere, indem sie schwere Bronzekanonen aufeinander richteten sowie Fußtruppen, Reiter, Bogenschützen und Schwertkämpfer aufeinander los gingen. Einige der mit prunkvollen Wappen geschmückten Geschütze kann man im Ehrenhof des Zeughauses Unter den Linden in Berlin bewundern, dem Sitz des Deutschen Historischen Museums (DHM). Auf der Zitadelle im Berliner Bezirk Spandau sind ebenfalls solche tonnenschwere Waffen als Leihgaben des DHM ausgestellt. Manche Kanonen wurden in vergangenen Kriegen erbeutet. Andere hat man aus Gründen der Pietät und oder der besonderes kostbaren Dekoration nicht eingeschmolzen, wenn wieder einmal Bronze für Kriegszwecke oder zum Guss von Kirchenglocken benötigt wurde.

Wenn eine Schlacht geschlagen war, hat man nicht nur die Toten und Verwundeten gezählt, sondern auch eroberte Fahnen und Kanonen. Mit diesen Trophäen wurden Kirchen, öffentliche Plätze, Siegesmonumente und Schlossgärten geschmückt. Die Berliner Siegessäule ist mit vergoldeten Bronzekanonen versehen, die in den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 von preußischen Heeren erobert wurden. Indem man die Rohre in den Schaft der Siegessäule einfügte, gab man den unterlegenen Ländern zu verstehen, seht her, wir haben über euch triumphiert, und ihr Verlierer seid uns Respekt schuldig.

Es kam mitunter vor, dass Bronzekanonen auch für andere Zwecke eingeschmolzen wurden, etwa um aus ihnen Kriegsauszeichnungen herzustellen. Auf preußischen Medaillen aus den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 sowie aus späteren Kriegen wird ausdrücklich die Herkunft des Metalls durch die Randschrift AUS EROBERTEM GESCHÜTZ vermerkt. Preußische Medaillen aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 zeigen auf der Vorderseite das Monogramm W von Kaiser und König Wilhelm I. unter einer Königskrone und der Widmung "Dem siegreichen Heere". Die Umschrift "Gott war mit uns Ihm sei die Ehre" gibt dem Kampf gegen den "Erbfeind" Frankreich so etwas religiöse Weihe. Die Rückseite zeigt das 1813 von Preußens König Friedrich Wilhelm III. am Vorabend der Befreiungskriege gestiftete und auf Strahlen liegende Eiserne Kreuz mit einem Lorbeerkranz und den Jahreszahlen 18170 1871 in der Mitte. Die Bronzemedaille wurde am Band auf der Brust getragen, doch sind diese bunten Streifen oft nicht mehr erhalten. Der Münz- und Ordenshandel bietet diese und ähnliche Auszeichnungen gelegentlich an. Wenn man konsequent nach ihnen Ausschau hält, bekommt man eine recht ansehnliche Sammlung zusammen.

Das Eiserne Kreuz ist eine der bekanntesten und auch umstrittensten Kriegsauszeichnungen der neueren Militärgeschichte. Von keinem Geringeren als dem berühmten Architekten Karl Friedrich Schinkel gestaltet, wurde es an Teilnehmer der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 für besondere Tapferkeit vor dem Feind und Verdienste an der Heimatfront verliehen. Empfänger waren gekrönte Häupter und berühmte Feldherren, aber auch Offiziere und einfache Mannschaften. Außerdem erhielten auch Zivilisten das "EK", das in klassizistisch-strenger Form mit der preußischen Krone, dem königlichen Monogramm FW für Friedrich Wilhelm, Eichenblättern und der Jahreszahl 1813 geschmückt ist.

Gold gab ich für Eisen

Das geschwärzte Eisen mit einem dünnen Silberrand darum besaß großen Symbolwert. Denn es besaß in der schwierigen Zeit, da Preußen mit den Folgen der Niederlage von 1806 im Krieg gegen Frankreich fertig werden musste, als "patriotischer Stoff" großes Ansehen. Das Wort "Gold gab ich für Eisen" machte die Runde, als viele Leute Tafelsilber und Juwelen spendeten, um Freiwillige für den Kampf gegen die napoleonischen Truppen zu rekrutieren. Das Eiserne Kreuz wurde zum beliebten Schmuck von Kriegerdenkmälern, gut sichtbar auf der Berliner Siegessäule oder dem Berliner Kreuzbergdenkmal. Außerdem findet man die Auszeichnung auf zahlreichen Medaillen, die Könige, Kaiser und Feldherren sowie deren Siege verherrlichen.

Mit der Stiftung wollte Friedrich Wilhelm III. patriotische Gefühle und den Einsatz für den Staat bei Hoch und Niedrig stimulieren. Das lag im Trend der Zeit, hatte Preußen doch bedeutende Reformen im militärischen, wirtschaftlichen und kommunalpolitischem Bereich gerade hinter sich und befand sich in einer bis dahin nicht gekannten Aufbruchstimmung. So bedeutete die Stiftung des Eisernen Kreuzes nach dem Vorbild der französischen Ehrenlegion eine Wende im Ordens- und Auszeichnungswesen. Nach Preußen wurden auch in anderen deutschen Fürstentümern ähnliche Auszeichnungen mit Stolz getragen. Dass an alle diesen bis in den Zweiten Weltkrieg hinein verliehenen Orden und Ehrenzeichen viel Blut klebt, ganz gleich, ob sie aus erobertem Geschütz bestehen oder mit Brillanten besetzt sind, sollte bei ihrem Anblick nicht außer Acht gelassen werden.

Erinnert sei, dass Kaiser Wilhelm II. 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, die von ihm lange Zeit abgelehnte Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE über dem Portal des Berliner Reichstagsgebäudes zu genehmigen geruhte. Als habe man keine anderen Sorgen, entbrannte ein Streit um die zu verwendende Schriftart. Zur Diskussion standen Antiqua und Fraktur, doch einigte man sich auf eine von den Architekten und Designer Peter Behrens entworfene "jugendstilige" Schrift. Generös stiftete der Kaiser zwei im Spandauer Depot verwahrte Kanonen, die in den Befreiungskriegen erobert worden waren, um die Metallbuchstaben gießen zu lassen. Das Jüdische Museum Berlin widmete der Berliner Bronzegießerei Loevy, die die Inschrift und viele andere Metallerzeugnisse hergestellt hatte, eine schöne Ausstellung.

30. Oktober 2016

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