Als Heroen der NS-Bewegung missbraucht

Was sich hinter den Luther- und Schillermünzen von 1933 und 1934 verbirgt



Die Luther- und die Schiller-Münzen von 1933 und 1934 sind seltene Beispiele dafür,
dass das NS-Regime berühmte Persönlichkeiten für seine Zwecke missbrauchte.




Die Potsdamer Garnisonkirche wurde auf Münzen der Jahre 1933 und 1934 dargestellt,
der Staat mochte sich danach nicht mehr zu Gedenkmünzen aufraffen (Fotos: Caspar)


In der Endzeit der Weimarer Republik gab es Pläne, die unhandlichen, viel zu großen und zu schweren Fünf- und Zweimarkstücke aus minderwertigem Silber durch kleinere Münzen aus einer besseren Legierung zu ersetzen. Das Vorhaben wurde erst nach der Errichtung der NS-Diktatur 1933 verwirklicht, wobei auch die Zahl der Gedenkmünzen drastisch reduziert wurde. Das verwundert angesichts des Drangs zur Selbstdarstellung, den die Nazis verspürten und der beispielsweise bei Briefmarkenemissionen gezielt zum Ausdruck kam. Einen Ausgleich gab es durch unzählige Medaillen, auf denen Adolf Hitler als Führer, Volksheld und Retter aus aller Not gefeiert wurde. Programmatisch war die Randinschrift der neuen Münzen. Die aus dem Programm der NSDAP übernommene Parole "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" ersetzte das Motto aus der Weimarer Republik EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT. Der Verzicht auf die berühmte Zeile aus dem "Deutschlandlied" des Dichters Hoffmann von Fallersleben sollte offenbar die "Volksgenossen" auf das Führerprinzip einschwören.

Aus dem Emissionsprogramm der Weimarer Republik wurden nach dem Machtwechsel 1933 nur Gedenkmünzen zum 450. Geburtstag von Martin Luther und ein Jahr später zum 175. Geburtstag von Friedrich Schiller übernommen. Dort und bei weiteren Geldstücken wurde die bisher verwendete Antiqua-Schrift durch die "deutsch" anmutende Fraktur ersetzt. Im Zweiten Weltkrieg gab es auf Hitlers Wunsch eine Umstellung auf die lateinische Antiqua, weil in den von den Nazis okkupierten Ländern die Frakturschrift nicht gelesen werden konnte. Die Maßnahme wurde von den Behörden und den Medien zähneknirschend hingenommen. Da es sich um einen "Führerbefehl" handelte, konnten sie nichts dagegen unternehmen.

Außer den Gedenkausgaben zum 450. Geburtstag von Martin Luther und zum 175. Geburtstag von Friedrich Schiller gab es nach der so genannten Machtergreifung nur noch eine dritte Gedenkmünze. Sie zeigt die Potsdamer Garnisonkirche und trägt das Datum 21. März 1933 zwischen Hakenkreuzen. Mit der Silbermünze zu zwei und fünf Reichsmark wurde der "Tag von Potsdam" gefeiert, an dem die von großem Propagandageschrei begleitete Übergabe der Regierungsgewalt durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg an Hitler erfolgte. Zu den Silberstücken in Auflagen von fünf beziehungsweise vier Millionen Exemplaren mit dem Datum 21. März 1933 kamen 1934 noch Fünf-Mark-Stücke mit der Garnisonkirche den Zeitbezug. Die freien Flächen neben der Kirche wurden gelegentlich zur antifaschistischen Propaganda genutzt. Unbekannte gravierten Parolen wie "Hitler verrecke" oder "Rot Front" dort ein.

Nur noch Historikern bekannt ist, dass die regimetreue Bewegung der Deutschen Christen, die sich selber SA Jesu nannten, oft und gern Martin Luther zitierten. Der Reformator hatte sich drastisch über und gegen Juden geäußert, und das kam dem Rassismus des NS-Regimes sowie der Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung im Reich und später in den besetzten Ländern entgegen.

Wie Martin Luther war auch Friedrich Schiller den braunen Machthabern lieb und teuer. Sie zogen eine Linie zwischen dem Weimarer Klassiker und Menschenfreund zu Adolf Hitler, der angeblich in seiner Wiener Zeit Schillers Werke und die andere bedeutender Autoren regelrecht verschlungen haben soll. Als im November 1934 Schillers 175. Geburtstag nahte, wurde der Autor der "Räuber" und von "Wilhelm Tell", von "Kabale und Liebe" und von "Maria Stuart", der "Ode an die Freude" und der "Glocke" und vieler anderer Schöpfungen der Weltliteratur missbraucht, um dem NS-Regime Glanz und Legitimität zu verleihen. Ganz eifrige Ideologen bescheinigten Schiller eine soldatische Natur und machten ihn zu einem der Ihren. Es fehlte nur noch Schiller im Braunhemd darzustellen. Angeblich sei es dem Nationalsozialismus vorbehalten, "den wahren Friedrich von Schiller dem deutschen Volk wiederzugeben", wird im Zentralblatt "Völkischer Beobachter" aus einer in Weimar gehaltenen Hitler-Rede zitiert. Allerdings schwand die Verehrung des bluttriefenden Diktators für sein Idol im Zweiten Weltkrieg angesichts von Beifallskundgebungen im Theaterpublikum an Stellen, wo es um Freiheit und Menschenwürde geht. "Der Führer wünscht, dass Schillers Schauspiel "Wilhelm Tell" nicht mehr aufgeführt wird und in der Schule nicht mehr behandelt wird", ließ der Hitler-Vertraute Martin Bormann den Chef der Reichskanzlei Hans Lammers wissen. Tell sei nichts anderes als ein hinterlistiger Heckenschütze gewesen, außerdem betreibe die Schweiz eine unverschämte Hetze gegen das Deutsche Reich. Wer auch immer die erwähnten Münzen in die Hand nimmt, sollte um deren "Kehrseite" wissen.

7. September 2016

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