Luther und der Schwan

Was der Wittenberger Reformator mit dem stolzen Vogel mit den weißen Federn zu tun hat



Stralsund gab mit dieser Medaille von 1708 seiner Freude Ausdruck, dass die Protestanten
im katholischen Schlesien eine Kirche zurück bekommen haben, Silber, 45 mm.




Die Zellerfelder Medaille würdigt die Reformatoren und Freunde Martin Luther
und Philipp Melanchthon, Silber, 50 mm




Der um 1620 geschaffene Kupferstich würdigt den in seiner Studierstube stehenden
Reformator als treuen Diener Gottes. (Fotos/Repro: Caspar)

In Wittenberg und ganz Sachsen-Anhalt wurde mit Blick auf die Fünfhundertjahrfeier der Reformation die Luther-Dekade 2017 ausgerufen. Geplant sind Ausstellungen, Tagungen, Schulprojekte, touristische Unternehmungen und Publikationen. Ziel ist es, möglichst vielen Menschen die Wurzeln und Wirkungen der 1517 von Martin Luther initiierten Reformation zu vermitteln und auch neue Aspekte dieses Themas darzustellen. Da zu Jahrestagen des Thesenanschlags vom 31. Oktober 1517 und zu anderen Jubiläen immer wieder Münzen und Medaillen geprägt wurden, werden sich auch Sammler für die Lutherdekade interessieren. In der Wittenberger Lutherhalle steht ihnen ein reiches Anschauungsmaterial zur Verfügung, bestehend aus rund 4000 Präge- und Gussstücken mit Luthers Bildnis und Themen zur Reformation. Alle diese Stücke bilden ein umfangreiches und hochinteressantes Sammelgebiet, in dem kaum bezahlbare Raritäten vor allem aus dem 16. und 17. Jahrhundert, aber auch preisweite Ausgaben neueren Datums vorkommen.

Ausgangspunkt der von dem Wittenberger Augustinermönch und Universitätsprofessor Martin Luther durch den Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 initiierten Bewegung zur Erneuerung der katholischen Kirche war deren Aufforderung an die Gläubigen, durch Geldzahlungen Ablass und Vergebung von begangenen, aber auch von künftigen Sünden zu gewähren. Seit dem Mittelalter konnte man durch Teilnahme an Kreuzzügen oder Wallfahrten beziehungsweise durch Geldbußen Gutes für sein Seelenheil tun. Den gleichen Effekt versprach man sich vom Bau von Kirchen sowie der Stiftung von Hospitälern oder Altären. Nach und nach verfestigte sich die Meinung, man könne nahezu alle Untaten durch Gulden, Groschen und Talern abgelten, und dies öffnete dem Missbrauch Tür und Tor.

In seinem Ende Oktober 1517, vor bald 500 Jahren, an die Tür der Schlosskirche angeschlagenen Thesenpapier wird die Vergebung von Sünden gegen Geldzahlungen als zügellos, frech und wertlos und nur für die Kirche und sein Oberhaupt in Rom nützlich angeprangert. "Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?", fragte Luther in seiner 87. These, und in weiteren, hier ins Deutsche übersetzten Zeilen forderte er: "Man soll die Christen lehren: Die Meinung des Papstes ist es nicht, dass der Erwerb von Ablass in irgendeiner Weise mit Werken der Barmherzigkeit zu vergleichen sei. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablass zu kaufen. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit." Wer gegen die Zügellosigkeit und Frechheit der Worte der Ablassprediger auftritt, der sei gesegnet, der päpstliche Ablass könne nicht die geringste lässliche Sünde wegnehmen.

Prophetische Worte

Es versteht sich, dass Luthers Forderungen beim Papst in Rom und den anderen Kirchenfürsten auf Ablehnung stießen, da sie über das Ablassunwesen hinaus generelle Kritik an den herrschenden kirchlichen Zuständen übten. Dass sie auf fruchtbaren Boden fielen zeigt das ungeheure Echo im Reich und außerhalb seiner Grenzen fanden. Luther brachte in seinem Papier verschiedene Gebrechen der römischen Kirche zur Sprache und forderte dazu auf, sie an Haupt und Gliedern zu erneuern und zu den Wurzeln des Glaubens zurückzukehren.

Es dauerte nicht lange, dass der Kirchenrebell der Ketzerei angeklagt wurde. Was zunächst gelehrtes Nachdenken über Verbesserungen im kirchlichen Bereich war, wurde schon bald ins Weltliche gewendet und richtete sich, ausgestattet mit Argumenten des Kirchenrebellen und oft gegen seinen Willen, wider Fürstenwillkür und unmenschliche Lebensbedingungen, unter denen das einfache Volk furchtbar zu leiden hatte . Regelmäßig werden vom Handel Taler, Gulden und Dukaten sowie weitere Geldstücke deutscher und ausländischer Fürstentümer und Städte aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert mit Bildnissen des Wittenberger Reformators sowie eine kaum überschaubare Menge Medaillen neueren Datums in unterschiedlichen Metallen angeboten. Beachtung verdient ein Taler, der 1617 zur Hundertjahrfeier des Thesenanschlags in Magdeburg geprägt wurde. Die Silbermünze ehrt zwei Reformatoren und stellt sie gemeinsam dar, obwohl sie keine Zeitgenossen waren - Johannes (Jan) Hus und Martin Luther. Die in zwei Zeilen umlaufende Legende zitiert eine angebliche Äußerung von Hus über das Fortwirken seiner Lehre und nimmt in prophetischer Weise Bezug auf die reformatorische Tätigkeit Luthers einhundert Jahre später. Indem der um 1370 geborene Hus tiefgreifende Reformen in der Kirche und Gesellschaft verlangte, geriet er in schwere Konflikte mit den weltlichen und geistlichen Obrigkeiten seiner Zeit. Hus wurde 1415 als Ketzer angeklagt und während des Konzils in Konstanz verbrannt. Ihm hat die Bundesrepublik Deutschland 2015 eine Gedenkmünze gewidmet.

Zahlreiche Münzen und Medaillen sind mit dem Bildnis des Augustinermönchs und Professors an der Wittenberger Universität geschmückt, der 1483 in Eisleben geboren wurde und - das war nur ein Zufall - 1546 ebendort starb. Die eine oder andere Prägung, aber auch Grafiken, Gemälde und Skulpturen zeigen den streitbaren Theologen und Bibelübersetzer in Begleitung eines Schwans. Oft sieht man ihn zu Luthers Füßen, manchmal hält er den Schwan im Arm. Was es damit auf sich hat, zeigt ein Blick in die Literatur. 1517 zitierte Luther seinen Vorgänger im Geiste Jan Hus unter Bezug auf dessen mit Gans zu übersetzenden Namen: "Über hundert Jahre sollt ihr Gott und mir antworten. Auch werden sie eine Gans braten. Es wird ein Schwan nach mir kommen, den werden sie nicht braten. Und ist also geschehen."

Tag vertreibt die Finsternis

Der Bezug auf die beiden Vögel ist kein Zufall. Die mit Hus verglichene Gans gilt als behäbig und zahm, während der mit Luther in Verbindung gebrachte stolze Schwan zu Höherem bestimmt ist und sich auch besser als eine Gans zu wehren weiß. Als Luther 1546 gestorben war, widmete man ihm ehrenvolle Lieder wie dieses: "Er ist der rechte David zwar / hat uns gesungen lieblich klar / Gottes Wort an allem End / im Geist von Johann Hus erkennt / dass er sollt sein der weiße Schwan / der lieblich sollt singen fortan." Es versteht sich, dass der Schwan auf geprägtem Metall als Attribut des Wittenberger Reformators erscheint. In allen Büchern über Luther-Münzen und die Art und Weise, wie mit dem Reformator politische und religiöse Propaganda gemacht wurde, sind Beispiele zu finden. Den Brauch kennt man von zahllosen Heiligendarstellungen, die durch charakteristische Attribute wie Waffen, Gebäude, Handwerks- und Folterwerkzeuge, Löwen, Adler und andere Tiere sowie Pflanzen, Bücher und weitere Zeichen vervollständigt wurden. Zwar haben die Protestanten ihren berühmten Wortführer nicht in der Art eines katholischen Heiligen verehrt, aber dass man ihn mit jenem Schwan zeigte, rückte ihn durchaus in deren Nähe. Neben Medaillen, die Luther in voller Gestalt mit der Bibel in der Hand sowie einem kleinen Schwan zu seinen Füßen zeigen, gibt es auch solche, auf denen eine am Bratspieß überm Feuer schmorende Gans mit einem auf dem Wasser schwimmenden Schwan kombiniert, der seine Flügel hebt.

Auf einer Zellerfelder Medaille von 1730 halten Martin Luther und sein engster Freund und Mitarbeiter Philipp Melanchthon eine Bibel über einem Schwan (Bild 3). Die Stralsunder Medaille von 1708 würdigt die Wiederherstellung protestantischer Kirchen im katholischen Schlesien. Der Schwan neben Luther ist gut zu erkennen (Bild 2). Ein zur Zweihundertjahrfeier der Reformation geprägter Doppeldukat der Stadt Augsburg verzichtet auf Luthers Bildnis und zeigt statt dessen einen Schwan, der mit seinem Schnabel eine Bibel aus einer Holzbank hervor und damit ans Licht zieht. Die Umschrift DER TAG VERTREIBT DIE FINSTERNIS deutet an, was diese Allegorie sagen möchte. Eine sehr frühe Medaille zum Reformationsjubiläum 1617 zeigt eine verbrennende Gans und einen Schwan sowie einen Raben, der sich über die Insignien der Papstkirche hermacht und sie zerstört.

7. August 2016

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