"Keime pflanzen für den Staat"

Warum dem Begründer der "rationellen Landwirtschaft", Albrecht Daniel Thaer, durch Medaillen und eine Banknote gewidmet wurden



Die Medaille von Henri François Brandt aus dem Jahr 1849 würdigt
Albrecht Daniel Thaer als "Begründer der rationellen Landwirthschaft", Kupfer, 50 mm






Der Kulturbund der DDR ehrte Thaer 1978 mit einer von Helmut König
geschaffenen Medaille anlässlich einer Münzausstellung in Frankfurt/Oder
und Wriezen/Oder, Kupfer versilbert, 43 mm




Mit einer 1929 ausgegebenen Banknote zu 10 Reichsmark ehrte die
Weimarer Republik "Vater Thaer", den Begründer der Agrarwissenschaft.




Auf dem Berliner Schinkelplatz unweit der Straße Unter den Linden
erhebt sich neben den Denkmälern des Architekten Karl Friedrich Schinkel
und des Chefs des preußischen Gewerbeinstituts Peter Beuth auch das
von Albrecht Daniel Thaer. Das Bronzerelief auf dem Sockel zeigt
den Gelehrten im Gespräch mit Besuchern seines Gutes in Wriezen. (Fotos: Caspar)

Dass Landwirtschaft auf wissenschaftlicher Grundlage betrieben wird, ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Dort erwarb sich der 1752 in Celle geborene Landwirt Albrecht Daniel Thaer große Verdienste. Eigentlich war er Arzt wie sein Vater, doch entwickelte er schon früh ein Faible für die Landwirtschaft, von der die Mehrheit der Bevölkerung seiner Zeit lebte. Die Verbesserung der Anbaumethoden und damit der Erträge sowie die Leistungssteigerung in der Viehhaltung waren eine Frage des Überlebens. Angesichts wachsender Bevölkerungszahlen musste alles getan werden, um die altertümlichen und wenig effektive Dreifelderwirtschaft zu überwinden, die Bodenerträge zu steigern, Missernten und Hungersnöten vorzubeugen und den Viehbestand zu erhöhen. Zeitgenossen und Nachkommen waren Albrecht Daniel Thaer, der dafür die wissenschaftlichen Grundlagen legte und viele Landwirte ausbildete, überaus dankbar.

In Celle, Berlin und Leipzig errichtete man ihm zu Ehren Denkmäler, und auch eine Medaille wurde ihm 1839 posthum gewidmet. Geschaffen von dem bekannten Berliner Medailleur und Stempelschneider Henri François Brandt (1789-1845) im Auftrag der Landwirtschaftlichen Vereinigung Berlin, zeigt sie die markanten Gesichtszüge des Gelehrten, kombiniert mit der von Getreidehalmen eingefassten Widmung ZUR ERINNERUNG AN DEN BEGRÜNDER DER RATIONELLEN LANDWIRTHSCHAFT BERLIN 1839. Die in Silber und Kupfer ausgeführte Medaille reiht sich gut in eine Serie von Prägungen zu Ehren von Gelehrten und Künstlern ein. Wurden im 18. Jahrhundert neben Angehörigen des preußischen Königshauses vor allem hochrangige Militärs und verdienstvolle Minister durch Medaillen anlässlich von Dienstjubiläen, Geburtstagen und anderen Anlässen geehrt, so nahm nach 1800 die Zahl der "bürgerlichen" Medaillen stark zu. Führende Wissenschaftler und Künstler wurden auf ihnen in Verbindung mit sinnigen Allegorien und lobenden Widmungen als vorbildliche Persönlichkeiten dargestellt, denen Staat und Volk zu Dank verpflichtet sind.

Im Falle von Albrecht Daniel Thaer hielt die Verehrung auch im frühen 20. Jahrhundert an. Sie ging so weit, dass sein Bildnis auf eine am 22. Januar 1929 ausgegebene Banknote zu 10 Reichsmark gesetzt wurde. Warum das Reichsfinanzministerium den einhundertsten Todestag des allseits verehrten Gelehrten am 26. Oktober 1828 verstreichen ließ, ohne ihm eine Gedenkmünze zu widmen, lässt sich nicht sagen, mag aber mit der Haltung des für die Gestaltung von Münzen, Geldscheinen, Briefmarken, aber auch für offizielle Gedenkfeiern und "Großbauten" des Deutschen Reiches zuständigen Reichskunstwart Edwin Redslob (1884-1972) gegenüber "Köpfen" auf Münzen zu tun haben. Vielleicht hat auch die Zurückhaltung damit zu tun, dass Redslob den Plan kannte, Thaer auf einer Reichsbanknote darzustellen.

Von Weimar nach Europa

Der Kunsthistoriker und langjährige Generaldirektor der württembergischen Museen hat sich in seinem Erinnerungsbuch "Von Weimar nach Europa - Erlebtes und Durchdachtes" auch über seine amtliche Tätigkeit als Reichskunstwart geäußert und sie als Vermittler zwischen der Künstlerschaft und der Reichsregierung beschrieben. Seine Stelle suche "durch ihre Beratung die Pflege hochwertiger Arbeiten herbeizuführen, die zur Grundlage wirtschaftlicher Gesundung beitragen könnte", schrieb Redslob. Infolge der allseitigen Bedrohung unseres kulturellen Lebens sei es nötig, dass der vom Reichskunstwart zum Ausdruck gebrachte "kulturelle Wille der Reichsregierung entscheidend hervortritt, ehe es zu spät ist", schrieb Redslob. Amtlich sei ein wesentlicher Teil seines Aufgabenbereiches, der ja bis in die Gesetzgebung hineingriff, unter der Bezeichnung "Formgebung des Reiches" verlaufen. "Denn alles, was Form gewann: staatliche Feiern, Urkunden, Briefmarken, Banknoten, Münzen, Siegel und Stempel, musste gestaltet werden und oblag zur Zeit der Weimarer Republik dem Amt des Reichskunstwartes. Auch für größere Bauvorhaben wurde mein Amt beratend zugezogen. Bei dem Aufschwung, den um jene Zeit die Gebrauchsgraphik erlebte, hatte das für Graphiker und ihr Ansehen eine nicht unwesentliche Bedeutung."

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Edwin Redslob, der 1933 aus seinem Amt entlassen, von den Nazis aber nicht weiter verfolgt wurde und die Hitlerzeit als Romanautor und Übersetzer überlebte, Mitbegründer der Zeitung "Der Tagesspiegel" im damals von den drei Westmächten besetzten Berlin sowie Mitbegründer beziehungsweise Rektor der Freien Universität, deren Emblem mit dem Mott "Veritas, Iustitia, Libertas" (Wahrheit, Gleichheit, Freiheit) er entwarf. Außerdem war er Mitbegründer des Berlin Museums, dessen Bestände heute zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehören.

Bildnisse nach berühmten Vorlagen

Die vom Reichskunstwart Redslob praktizierte Förderpolitik bezog sich unter anderem auf "gediegenes neues Geld in hoher Qualität", Volkstümlichkeit im besten Sinne wurde angestrebt und auch erreicht, wie Sammler wissen. Nach dem Ende der Inflation wurden dringend neue Kurs- und bald auch Gedenkmünzen sowie Geldscheine gebraucht. Edwin Redslob schwebten für die Kursmünzen Ährenbündel, Schiffe, Brunnen und Bäume als Symbole der jungen deutschen Republik vor. Hinsichtlich der Verwendung von Köpfen auf Münzen mahnte er zur Vorsicht, denn davon habe es in der Zeit der Monarchie mehr als genug gegeben. Hingegen sei es angebracht, historische Bildnisse auf Geldscheine zu setzen. Am 1. September 1927 antwortete Redslob auf eine Stellungnahme von Dr. Paret von den Staatlichen Kunstsammlungen Stuttgart: "Aber einzelne Persönlichkeiten aus dem Wirtschaftsleben auf die Münzen zu bringen, halte ich nicht für richtig. Zunächst sollen sie auf die Banknoten kommen, wo sie im Zusammenhang mit Darstellungen aus den einzelnen Wirtschaftszweigen stehen, dann aber verlangt eine Münze nach dem Hoheitszeichen, und höchstens Jubiläumsmünzen können für ein Jahr mit dem Bild einer keine Hoheitsrechte ausübenden Persönlichkeit verziert werden, damit eben in diesem Jahr infolge bestimmter Feiern diese Persönlichkeit als Repräsentant der Nation und in gewissem Sinne auch des Staatsgedankens aufgefasst werden kann. So würde man also im nächsten Jahr Dürer und im Jahr 1932 Goethe auf eine Münze bringen können".

Da Banknoten wie auch Münzen immer wieder Angriffen von Betrügern ausgesetzt waren, wurde auf eine möglichst fälschungssichere Gestaltung Wert gelegt. Die schwierig zu bewerkstelligende Reproduktion von Bildnissen nach berühmten Vorlagen bedeutender Maler bot für Geldscheinfälscher eine gewisse Hürde. Während in der Kaiserzeit allegorische Figuren, Putten, Kronen, Adlerschilde und ähnliches auf Banknoten abgebildet wurden, beschritt man in der Weimarer Republik sicher auch unter dem Einfluss des Reichskunstwartes neue Wege. Vertreten sind auf den Geldscheinen der jungen Republik nicht fürstliche, sondern bürgerliche Personen nach Gemälden deutsche Maler des 16. Jahrhunderts wie Hans Memling, Bartholomäus Bruyn, Hans Holbein d. J., Georg Pencz sowie Albrecht Dürer, der überproportional vertreten ist.

Nach der Überwindung der Inflation Ende 1923 wurden schnellstens neue Geldscheine benötigt, doch auch diese führten zunächst Altbewährtes mit der Wiedergabe von Bildnissen Hans Holbeins des Jüngeren fort. Mit dieser Auswahl konnten die Reichsbank sowie der Reichskunstwart als beratendes Organ nichts falsch machen, denn über den künstlerischen Wert dieser vielbewunderten Werke bestand Konsens. Im Sinne der zitierten Hinwendung zu "Persönlichkeiten aus dem Wirtschaftsleben" kam 1929 eine Reichsbanknote zu 10 RM mit dem Brustbild von Albrecht Daniel Thaer heraus. Passend zum Thema Landwirtschaft wurde auf die Rückseite das wie ein Medaillon gestaltete Bildnis einer jungen Frau gesetzt, die eben vom Schneiden des Getreides mit einer Sichel aufgestanden ist. Eingefasst wird diese Allegorie von Kindern, die einen Fisch beziehungsweise ein Füllhorn in Händen halten. Die Geldscheinserie wurde nach der Errichtung der NS-Diktatur fortgeführt mit einer Reichsbanknote zu 50 RM mit dem Bildnis des preußischen Kaufmanns, Bankiers und Politikers David Hansemann (1933), ferner zu 100 RM mit dem Porträt des Chemikers Justus von Liebig (1935) sowie zu 1000 RM mit dem Bildnis des preußischen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel (1936).

Mustergut in Möglich bei Wriezen

Albrecht Daniel Thaer traf mit seinem Anliegen, die "Agrikultur" auf ein höheres Niveau zu heben, auf fruchtbaren Boden. Noch als Arzt in Celle hatte er sich mit Blumenzucht und Obstanbau befasst, und von dort war der Schritt nicht weit zur Agrikultur, wie man damals sagte. Nach seiner Übersiedlung nach Preußen 1804 kaufte der inzwischen als Autor von landwirtschaftlichen Lehrbüchern bekannte Gelehrte das Gut Möglin bei Wriezen im heutigen Landkreis Märkisch-Oderland, um hier seine Erkenntnisse über Fruchtwechsel und Kleeanbau in die Praxis umzusetzen, aber auch um durch handfeste Beweise zu versuchen, Vorurteile gegen die von ihm als notwendig erkannten Neuerungen abzubauen. Auf seinem schon bald berühmt gewordenen Experimentiergut am Rande des Oderbruchs befasste sich Thaer erfolgreich auch mit der Sommerstallfütterung. Sie führte zur Leistungssteigerung in der Tierproduktion und hatte den Vorteil, dass der anfallende Stallmist ein Dünger zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und damit zur Ertragssteigerung auf dem Acker war.

Thaers Experimente sowie Vorschläge für effektivere Ackergeräte und über die Düngung des Bodens wurden am königlichen Hof in Berlin aufmerksam registriert, und so konnte der innovative Landwirt 1806, als Preußen eine vernichtende Niederlage im Krieg gegen Frankreich hinnehmen musste und in eine tiefe Krise stürzte, in Möglin mit staatlicher Unterstützung eine landwirtschaftliche Lehranstalt einrichten. Nach der Gründung der Berliner Universität 1810 war Thaer einer ihrer ersten Professoren, verwirklichte die von Wilhelm von Humboldt geforderte enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis durch Vorlesungen in Berlin im Wintersemester und im Sommer durch praktische Ausbildung der angehenden Landwirte in Möglin. Mit anderen Reformern setzte sich Thaer für eine fortschrittliche Agrargesetzgebung in Preußen ein. Wichtig war für ihn, dass die bisher von den Gutsbesitzern abhängigen Bauern freie Verfügung über Grund und Boden erhielten. Thaer war davon überzeugt, dass Fortschritt nur dann gelingt, wenn sich die Menschen frei bewegen und auch frei über die Produktionsmittel verfügen können.

Thaers Rat wurde von zahllosen Leuten eingeholt, von einfachen Bauern ebenso wie von Gutsbesitzern sowie von Gelehrten und Politikern. Möglin avancierte zu einem Wallfahrtsort für Wissensdurstige. Da sich der Gelehrte in Möglin auch mit der Schafzucht beschäftigte, gab man ihm den Spitznamen "Woll-Thaer". Das Wortspiel bezieht sich auf den französischen Aufklärer Voltaire, der zeitweilig in Sanssouci Gast Friedrichs des Großen war und mit diesem einen umfangreichen Briefwechsel pflegte. Theodor Fontane bescheinigte "Vater Thaer" in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg", er habe etwas Genialisches und Exzentrisches, gar "etwas Wunderkindartiges an Gaben und an Unarten" gehabt. Enthusiastisch fasste der Romancier seine Verehrung für den Begründer der Agrarwissenschaft in dem Reim "Ehre deinem Heldentume, / Dreimal Ehre deinem Ruhme, / Aller Taten beste Tat / Ist: Keime pflanzen für den Staat" zusammen. Helmut Caspar

21. Oktober 2016

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