Von Prag nach Leipzig

Universitätsjubiläen avancierten in der Kaiserzeit zu beliebten Münzmotiven



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Die Gedenkmünzen zu den Jubiläen der Universität zu Leipzig von 1909
und die Ausgaben von 2009 gehören in jede Sammlung zum Thema
"Academia in nummis". Bei den Ausgaben mit den Fürstenbildnissen fällt auf, dass
das Design der Vorder- und der Rückseite einschließlich des Schriftduktus
nicht zueinander passen.






Bereits im 17. Jahrhundert wurden Gedenkmünzen zu Ehren der
Jenaer Universität geprägt, die Medaille aus dem 19. Jahrhundert
darunter kombiniert das Bildnis des Universitätsgründers
mit Porträts weiterer Förderer der thüringischen Alma mater.
(Fotos. Caspar)

Wenn in der Kaiserzeit keine fürstlichen Jubiläen, Hochzeiten, Regierungsantritte oder Sterbefälle durch Gedenkmünzen gewürdigt wurden, hat man Universitätsjubiläen dann und wann zu numismatischen Ehren verholfen. Die Prägung von Medaillen war nie ein Problem, hingegen ist die Würdigung der Gründung von Universitäten und Akademien auf Münzen ist bis heute eine Ausnahme, wie Sammler wissen, die sich auf das Thema "Akademia in nummis" spezialisiert haben. Die Zehn-Euro-Münze von 2009 zur Sechshundertjahrfeier der Universität Leipzig schließt sie sich an Prägungen an, die 1909 anlässlich der Fünfhundertjahrfeier der Alma mater lipsiensis ausgegeben wurden.

Geschaffen vom Dresdner Münzeisenschneider und Medailleur Max Barduleck und hergestellt in der königlich-sächsischen Münzstätte zu Muldenhütten, präsentieren die Zwei- und das Fünf-Mark-Stücke von 1909 das Bildnis des Leipziger Universitätsstifters Markgraf Friedrich IV., genannt der Streitbare, und des aktuellen Landesherrn, König Friedrich August III. von Sachsen. Beide Monarchen sind in zeitgenössischer Tracht, der eine mit Kurhut und Hermelinmantel, der andere in ordensbesetzter Uniform dargestellt. Barduleck und seine Auftraggeber haben ein wenig gemogelt, denn Friedrich IV. wurde erst 1425 von König (ab 1433 Kaiser) Sigismund mit der sächsischen Kurwürde belehnt. Als der Markgraf die Leipziger Universität gründete, konnte er die Tracht jener Fürsten noch nicht getragen haben, die das alleinige Recht hatten, den deutschen Kaiser zu küren, also zu wählen. Eine ähnliche historische Unkorrektheit gestatteten sich Dukaten, die der sächsische und polnische Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke) und König Friedrich August I. von Sachsen 1709 und 1809 zur Dreihundert- beziehungsweise Vierhundertjahrfeier der Leipziger Universität mit Bildnissen des Markgrafen Friedrich des Streitbaren (Fridericus bellicosus) in vollem Kurornat und geschultertem Schwert prägen ließen. Die Jahreszahl auf dem Doppeldukaten von 1709 ist über der Leipziger Stadtansicht in einem Chronogramm versteckt, während sich die Jahreszahl auf dem einfachen Dukaten von 1809 in der rückseitigen Inschrift ebenfalls als Chronogramm verbirgt.

Drei-Mark-Münze wurde nicht verwirklicht

Über die Leipziger Universitätsmünze von 1909 ist in den 1981 von Paul Arnold herausgegebenen Erinnerungen des königlich-sächsischen Münzgraveurs und Medailleurs Max Barduleck zu lesen, sein erster Entwurf sei nicht angenommen worden. "Da ich die Bildnisse von der rechten Seite gezeichnet hatte, der König also zu unterst war, fand der Entwurf keine Annahme. Die Bildnisse mußten umgestellt werden. Die neue Zeichnung wurde am 28. Dezember [1908, H. C.] genehmigt. Dem Bildnis Friedrich des Streitbaren lag als Vorbild die Darstellung auf seinem Grabmal im Dom zu Meißen zu Grunde." Interessant ist Bardulecks Hinweis, dass von "geplanten 3-Mark-Stücken" abgesehen wurde, da sie zum Jubiläum nicht fertig wurden. Hätte man sie geprägt, so wäre heute hinzuzufügen, wäre der seltene Fall einer dreiteiligen Gedenkmünzenserie eingetreten. Dergleichen gab es 1911 in Bayern anlässlich des 90. Geburtstags und 25. Regierungsjubiläums des Prinzregenten Luitpold, als man in München diese Werte mit seinem Bildnis nach einem Entwurf des Bildhauers Adolf von Hildebrand prägte.

Als die "Blätter für Münzfreunde" im Heft 8/9-1909 die sächsische Novität vorstellten, wandten sie nicht etwa ein, dass die kurfürstliche Tracht nicht der Historie entspricht, das fiel wohl erst später auf. Es wurde lediglich bemängelt, dass die Buchstaben der Vorderseite "die schmächtige überlange Form der derzeitigen preussischen Jubiläumsmünzen und sonstigen Reichsgepräge (haben) und […] namentlich in den grösseren Dimensionen des Fünfmarkstücks einförmig und wenig dekorativ" wirken. Das Münzzeichen (E) als Hinweis auf die Prägeanstalt Muldenhütten bei Freiberg wurde auf beiden Nominalen fortgelassen. "Es wäre zu wünschen, dass die Münzstätte das Bildnis des Herrschers in der hier gegebenen Auffassung mit Uniform auch für die weiteren Umlaufmünzen in Anwendung bringen möchte", schreibt die Münzzeitschrift weiter. Der Wunsch wurde erhört, allerdings kamen die um 1916 von Friedrich Wilhelm Hörnlein, dem Nachfolger von Max Barduleck im Amt des Hofmedailleurs, geschnittenen Stempel für neue Münzen mit einem neuen Porträt von Friedrich August III. nicht mehr zu Einsatz, von ein paar Probeabschlägen abgesehen.

Als 1909 das Leipziger Universitätsjubiläum mit dem zeittypischen Prunk und Pomp gefeiert wurde, konnte man mit Recht auf eine glänzende Entwicklung der Lehr- und Bildungsanstalt verweisen. Oberbürgermeister Rudolf Dittrich sprach von einem ungeahnten Wachstum und Aufblühen der Bildungs- und Forschungsstätte. Beim Jubiläum wurde über die Umstände gesprochen, die fünfhundert Jahre zuvor zur Gründung der Hohen Schule geführt hatten. Vorangegangen war der Auszug deutscher Studenten und Professoren aus der Prager Karls-Universität, nachdem das Stimmrecht zugunsten der tschechischen Magister und Studenten geändert und ein tschechischer Rektor eingesetzt worden war. Ein großer Teil der ehemaligen Prager Studenten und Professoren fand 1409 in Leipzig eine neue Heimat. Die aufblühende Messestadt erwarb schon Anfang Juli des gleichen Jahres ein Haus in der Petersstraße und schenkte es den Magistern der Artistenfakultät.

Am 2. Dezember 1409 wurde die Universität in Anwesenheit der wettinischen Landesherren, des sächsischen Markgrafen Friedrich des Streitbaren und seines Bruders Wilhelm, im Speisesaal des Thomasklosters feierlich eröffnet. Der Studienbetrieb begann mit 46 Magistern und Doktoren und 369 Studenten. Der von den Wettinern bewilligte Jahresetat betrug anfangs 500 Gulden und wurde 1438 auf knapp 700 Gulden aufgestockt. Dieser Betrag soll den jährlichen Einkünften von drei Städten und 42 Dörfern entsprochen haben. Die fürstlichen Brüder stifteten zwei Kollegien, das große und das kleine Fürstenkolleg, für die zwei abgabefreie Häuser zur Verfügung gestellt wurden.

Kurfürst brauchte eigene Alma mater

Auch das Zwei- beziehungsweise Fünf-Mark-Stück von 1908 auf die Dreihundertfünfzigjahrfeier der Universität Jena unterstreicht, dass deutsche Fürstenfamilien sehr wohl wussten, was sie ihren Vorfahren schulden. Die Gedenkmünzen fallen insofern aus dem Rahmen, als nicht ein amtierende Landesfürst, Großherzog Wilhelm Ernst, als Protektor der Hohen Schule mit einem seiner Vorfahren abgebildet ist, sondern der Stifter von 1557, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, genannt der Großmütige. Angetan mit dem Kurhut und einem Hermelinmantel, ist Johann Friedrich auf den mit dem Vorderseitenstempel von Paul Sturm geprägten Münzen mit geschultertem Schwert abgebildet. Dazu bediente sich der Stempelschneider Paul Sturm einer Vorlage des Malers Tizian aus dem 16. Jahrhunderts. Zur Dreihundertjahrfeier 1858 erschien eine aufwändig gestaltete Medaille mit dem Bildnis des kurfürstlichen Stifters ohne Schwert, kombiniert mit den Porträts von vier thüringischen Landesfürsten, die auf besondere Weise mit der Alma mater jenensis verbunden waren.

Dass Johann Friedrich in Jena eine Universität gründete, hatte mit den Ergebnissen des Schmalkaldischen Kriegs von 1546/7 zu tun, den der zum ernestinischen Zweig des Herrscherhauses der Wettiner gehörende Kurfürst gegen Kaiser Karl V. und Herzog Moritz von Sachsen verlor. Der Kaiser übertrug die sächsische Kurwürde sowie den Kurkreis mit der Stadt und Universität Wittenberg an Moritz, einen Vertreter des albertinischen Familienzweiges des Hauses Wettin. Johann Friedrich geriet in kaiserliche Gefangenschaft und wählte, als er wieder freigelassen war, Weimar zu seiner neuen Residenz. Da er in dem ihm verbliebenen ernestinischen Teil von Sachsen eine eigene Landesuniversität zur Ausbildung von Geistlichen, Lehrern und Beamten benötigte, verfügte er die Gründung der Universität in Jena und wies ihr das im Zusammenhang mit der Reformation aufgehobene Dominikanerkloster zu. Solche Umwidmungen waren ein übliches Mittel, um den Universitäten eine angemessene Bleibe mit Aula, Unterrichts- und Wohnräumen zu geben, ohne tief in die Staatskasse greifen zu müssen. Das so genannte Collegium jenense erhielt eine Bestätigung durch den katholischen Kaiser Ferdinand I., obwohl es protestantisch ausgerichtet war, und wurde am 2. Februar 1558 eingeweiht. Bei der politischen Landschaftspflege und Gunsterweisung soll so genannte Handsalbe, also Bestechung von kaiserlichen Räten, eine Rolle gespielt haben.

Die Universitätsgründung in Jena erwies sich als ausgesprochen glückliche und weitsichtige Tat, denn die Bildungsstätte avancierte alsbald zu einer der bedeutendsten im Reich und hat ihren guten Ruf bis heute behalten. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 wurde Jena zum Zentrum einer studentischen und antifeudalen Oppositionsbewegung. Jenaer Burschenschafter zogen am, 18. Oktober 1817 zur Wartburg und verbrannten beim so genannten Wartburgfest im Gedenken an die Luthersche Reformation 300 Jahre zuvor und an die Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 reaktionäre Schriften und Perücken und schwangen die schwarz-rot-goldene Fahne, lösten mit dieser und anderen Aktionen aber ungewollt deutschlandweit politische Verfolgung und geistige Unterdrückung aus. . (Fotos: Caspar)

1. Dezember 2016

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