Zar Nikolaus II. ging, und Lenin kam

Die russischen Revolutionen vor hundert Jahren und ihre numismatischen Folgen



Nikolaus II., der letzte Zar, ist auf unzähligen russischen Münzen
und Medaillen abgebildet, hier auf einer Medaille von 1913 zum
dreihundertjährigen Romanow-Jubiläum.




Die Ansicht des Petersburger Münzhofs wird auf der Medaille von 1899 mit
den Köpfen von Peter dem Großen als Gründer und von Nikolaus II. kombiniert.




Nicht nur im eigenen Land war "Nikolaus der Blutige" gefürchtet,
auch im Ausland hat man seine brutalen Herrschaftsmethoden angeprangert.
Karikatur im SPD-Journal "Der wahre Jacob" von 1905.




Den Kopekenstücken von 1916 und 1917 fehlt der Hinweis auf die Münzstätte
Sankt Petersburg, auf der Ausgabe von 1913 oben ist die Abkürzung noch vermerkt.




Sowjetrussland brachte Münzen mit neuartigen Bildern heraus, hier
ein halbes und ein ganzes Rubelstück von 1921. (Repros: Caspar)

Dass sich vor einhundert Jahren etwas im zaristischen Russland ändern muss, stand schon lange fest. Zar Nikolaus II., den man den Blutigen nannte, war im Ersten Weltkrieg wenig Glück beschieden. Es kam, wie es kommen musste, in der Februarrevolution 1917 verlor er seine Krone und im Sommer 1918 sein Leben. Durch die Oktoberevolution 1917 kam Lenin, der Führer der Bolschewiki, an die Macht. Der Zarenadler hatte auf Münzen ausgedient, jetzt wurden neue Wappen und Motive benötigt. Nikolaus II., als Selbstherrscher aller Reußen mit einer ungeheuren Macht ausgestattet, musste im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. Seinen Armeen fehlte das Nötigste - Waffen, Munition, Nahrung, Kleidung, alles. Die Hiobsbotschaften von den Fronten wirkten sich in der Heimat verheerend aus.

Der kleinen reichen, aus Adligen und Fabrikbesitzern gebildeten Oberschicht stand die Masse der in bitterster Armut vegetierenden Untertanen gegenüber. Ende Dezember 1916 ermordeten Aristokraten den am Hof in Sankt Petersburg hoch angesehenen Abenteurer und Wunderheiler Rasputin. Doch statt angesichts der schwierigen inneren Probleme den Kurs zu ändern, mehr Mitbestimmung zuzulassen und auf seine Untertanen zuzugehen, blieb der Zar hart und begünstigte die Anhänger des Wanderpredigers.

Aus Sankt Petersburg wurde Petrograd

Sammler russischer Münzen wissen, dass ab 1916 die seit dem 18. Jahrhundert für die Münzstätte Sankt Petersburg verwendete Abkürzung Hinweis S.P.B. in kyrillischen Buchdstaben weggefallen ist. Das hatte mit einer Namensänderung für die Hauptstadt des Russischen Reiches zu tun. Denn seit sich Russland mit dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten im Krieg befand und Nikolaus II. nicht mehr Freund von Kaiser Wilhelm II. war, wollte man dort den deutschen Namen für die Stadt an der Newa nicht mehr hören, weshalb man ihn in Petrograd umwandelte. Nach dem Tod des Gründers der Sowjetunion, Wladimir Iljitsch Lenin, erhielt die Stadt 1924 den Namen Leningrad. Die Rückbenennung in Sankt Petersburg erfolgte 1991 im Zusammenhang mit der Auflösung der kommunistischen Sowjetunion.

Obwohl 1917 die Zarenherrschaft abgeschafft war, kommen es russische Kleinmünzen mit dem doppelköpfigen Zarenadler und ohne Ortsangabe mit dieser Jahresangabe vor. Man hatte die Kopeken aus Silber und Kupfer auf Vorrat geprägt, ohne zu ahnen, dass die Zarenherrlichkeit über kurz oder lang ein Ende haben und Nikolaus II. abgesetzt sein wird. Obwohl die Münzstätte Sankt Petersburg auf den Silbermünzen nicht vermerkt ist, kann man dank der Initialen B. C. sagen, dass sie unter der Leitung des Petersburger Münzdirektors Viktor Smirnow hergestellt wurden. Er übte dieses Amt von 1912 bis 1917 aus.

Verschiedene geldpolitische Projekte in der Zarenzeit haben numismatische Spuren hinterlassen haben. Unter dem Reformpolitiker deutscher Abstammung Sergei Witte gab es die Idee, den Rubel in Rus umzubenennen, ähnlich dem französischen Franc. Das entsprach dem Bedürfnis in allerhöchsten Kreisen zur Russifizierung des Russischen Reiches. Die Bestrebungen gingen so weit, dass man Beamte und Soldaten in traditionelle Kaftane stecken wollte, um so nationale Eigenständigkeit und kulturelle Besonderheit zu unterstreichen. Witte erreichte eine enorme Modernisierung der russischen Wirtschaft. Doch blieb das ganze politische System im Traditionellen stecken, und eine wirkliche Beteiligung des Volkes an den öffentlichen Dingen und der Umbau der Autokratie des Zaren in eine konstitutionelle Monarchie wie in England, Deutschland, Schweden oder Italien kamen nicht zustande. Der Versuch, aus dem Rubel einen Rus zu machen, war Ausdruck der engen Freundschaft zwischen Sankt Petersburg und Paris. Von den Rus-Münzen wurden Probeprägungen zu fünf, zehn und 15 Rus hergestellt. Sie sind so selten, dass man sie kaum zu Gesicht bekommt.

Nachprägungen aus Neusilber

Große Raritäten aus der Endphase der Zarenzeit sind auch die Goldmünzen von 1902 im Wert von 37,5 Rubel mit dem aufgeprägten Hinweis, dass sie einhundert Francs wert sind. Auch diese probeweise in geringer Stückzahl geprägten Münzen mit dem Kopf von Nikolaus II. und dem doppelköpfigen Zarenadler dürften im Münzhandel kaum auftauchen, und wenn ja, werden exorbitante Preise verlangt und bezahlt. Wer dennoch ein Belegstück haben möchte, kann für einen moderaten Preis Nachprägungen, die bekannten Novodely, kaufen, freilich nicht aus Gold, sondern aus Neusilber. Der Münzhandel wird weiterhelfen.

Über Jahrhunderte hatten die Zaren Münzen mit ihrem Bildnis und dem gekrönten, doppelköpfigen Adler prägen lassen. Nach der Entmachtung von Nikolaus II. vor einhundert Jahren wurde neues Geld gebraucht, doch es dauerte noch bis 1921, bis Münzen mit neuartigen Bildern ausgegeben wurden. Die Motive auf den damals geprägten Werten zwischen einem Rubel und zehn Kopeken unterschieden sich fundamental von denen, die man bisher in der Hand hatte. Das neue, aus Hammer und Sichel bestehende Sowjetwappen symbolisiert die Einheit von Arbeiterklasse und Bauernschaft, wie man damals sagte. Die Zahlen im fünfzackigen Stern auf den Rubel- und Fünfzig-Kopeken-Stücken geben den jeweiligen Wert an. Die ins Deutsche übersetzte Umschrift "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" ist ein Zitat aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848. Zu den silbernen Rubel- und Kopekenwerten, mit denen die Regierung die Stabilität der sowjetischen Währung unterstrich, traten 1923 Goldmünzen im Wert von zehn Rubeln. Die so genannten Tscherwonzen wurden nur kurze Zeit vor allem zur Bezahlung von Rechnungen im Ausland geprägt. In späten Sowjetzeiten hat man zur Freude der Sammler die seltenen Goldstücke mit neuen Jahreszahlen nachgeprägt.

Nach ihrer Gründung hat die Sowjetunion 1924 wurde das Design ihrer Münzen verändert. Auf den Rubelstücken sieht man einen Bauern und einen Arbeiter vor der aufgehenden Sonne, und auf den Halbrubelstücken ist ein Schmied bei der Arbeit zu erkennen. Kombiniert sind diese symbolträchtigen Bilder mit dem neuen Sowjetwappen. Es besteht aus einem Hammer und einer Sichel auf dem Globus, über dem der fünfzackige Sowjetstern schwebt. Das von einem Ährenkranz umgebene Wappen will sagen, dass eines Tages die Sonne des Sozialismus und Kommunismus über der ganzen Welt aufgehen wird. Zu den Silbermünzen traten ab 1924 Kupferstücke in Werten von fünf, drei, zwei und einer Kopeke. Sammler werden einige Mühe haben, diese und die vielen anderen Münzen aus Sowjetzeiten zu bekommen. Viele kommen nur abgegriffen vor, weshalb exzellente Erhaltungen gut bezahlt werden.

6. November 2016



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