Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit
Neues Denkmal auf dem Mehringplatz ehrt Marie Juchacz, die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt



Spät, aber nicht zu spät wurde Mitte August in einer Grünanlage auf dem Mehringplatz in Berlin-Kreuzberg ein Denkmal zu Ehren von Marie Juchacz, der Sozialdemokratin, Frauen- und Bürgerrechtlerin sowie Gründerinder Arbeiterwohlfahrt, eingeweiht. (Foto: Caspar)

Die Berliner Denkmallandschaft hat Zuwachs bekommen. Das neueste, Mitte August 2017 vom SPD-Vorsitzenden Martin Schulz eingeweihte Erinnerungsmal auf einer kleinen Grünanlage am Mehringplatz im Bezirk Kreuzberg ehrt Marie Juchazc (1879-1956), die als Gründerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ehrenvoll in die Geschichte eingegangen ist. Mit dem Denkmal wurde eine bedeutende Politikerin ins öffentliche Bewusstsein gerückt, von der nur Historiker und Mitarbeiter der AWO etwas wissen. Die Frauenrechtlerin sprach 19. Februar 1919 als erste weibliche Abgeordnete in der Deutschen Nationalversammlung und sich für die Gleichstellung von Mann und Frau eingesetzt.

Das von Gerd Winner gestaltete Denkmal besteht aus einer großen, leicht gebogenen Platte aus dunkel patiniertem Stahl. Das darin geschnittene Bild zeigt das Porträt der SPD-Politikerin, von der Schulz sagte, ohne sie wäre Deutschland heute ein anderes Land. Juchacz habe sich unermüdlich und gegen manche Widerstände für die Schwächsten der Gesellschaft eingesetzt und mit der Gründung der AWO 1919 versucht, die Folgen des Ersten Weltkriegs für die deutsche Bevölkerung und die heimgekehrten, vielfach schwer verletzten und behinderten Soldaten zu lindern. Um zu verhindern, dass die AWO von den Nazis vereinahmt wird, löste sie sich 1933 auf.

Marie Juchacz trat 1908 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei und entwickelte sich in kurzer Zeit zu einer gefragten Versammlungsrednerin. Mit ihren Kindern lebte sie in Berlin, wo sie unter anderem als Dienstmädchen öin der Krankenpflege arbeitete. Bis 1933 war sie Mitglied des Deutschen Reichstags. Nach der Errichtung der Nazidiktatur floh die Sozialdemokraten zunächst in das von Frankreich besetzte Saargebiet und ins Elsass, gelangte nach Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 über Paris nach Marseille und nach New York, wo sie 1945 die Arbeiterwohlfahrt USA gründeteDiese Organisation half Opfern des Nationalsozialismus und bei der Bewältigung ihrer traumatischen Erlebnisse von Diktatur, Flucht und Neubeginn. 1949 kehrte Marie Juchacz aus dem Exil nach Westdeutschland zurück und wurde Ehrenvorsitzende der AWO.

Die Lebensgeschichte der Politikerin wird auf einer Inschriftenplatte erzählt, die vor dem Denkmal in den Boden gelegt ist. In die acht Zentimeter starken Stahlplatte wurden neben den Kopfumrissen die Worte Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Toleranz und Solidarität als Grundwerte der AWO eingeschnitten. Für den Gestalter des Denkmals sind diese Worte Erinnerung und Mahnung zugleich. "Ich hoffe, dass diese Skulptur weitere Impulse unserer Solidarität gibt", sagte Gerd Winner bei der feierlichen Weihe.

Dass der Vorsitzenden des Sozialverbandes erst jetzt, 61 Jahre nach ihrem Tod, ein Denkmal gesetzt wurde, kann AWO-Präsident Wilhelm Schmidt im Rückblick nicht recht verstehen. "Warum wir nicht früher auf die Idee gekommen sind, ihr ein Denkmal zu setzen, kann ich gar nicht sagen." Umso froher sei er, dass das größtenteils aus Spenden finanzierte Denkmal nach gut zweijähriger Planung nun endlich seinen Platz am Rande des Mehringplatzes und damit am ehemaligen Standort der ersten AWO-Zentrale und -Wohlfahrtsschule bekommen hat.

23. August 2017



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