Neues Leben im Forum an der Museumsinsel
Gebäude aus drei Jahrhunderten werden saniert und werten die Gegend an der Oranienburger Straße spürbar auf



Das ehemalige Haupttelegraphenamt soll künftig als Hotel, Restaurant sowie Geschäfts- und Bürohaus genutzt werden. Die Inschrift über dem Portal erinnert an die ursprüngliche Verwendung des neobarock gestalteten Gebäudes aus der Kaiserzeit (Foto vor der Einrüstung).



Baustile aus zwei Jahrhunderten begegnen sich nahe der Museumsinsel, vorn die runde Ecke der Universitäts-Frauenklinik, im Hintergrund Baugerüste am Haupttelegraphenamt.



Welche Bauten das Forum an der Museumsinsel besetzen, zeigt die Draufsicht, die an einem der Bauzäune angebracht ist.



Schon von weitem ist die ehemalige Geburtsklinik an der roten Fassadenfarbe zu erkennen, als Simonpalais bekommt das Gebäude eine neue Funktion.



Zu der erstklassigen Architektur passt hässliche Behelfsbrücke, die die Tucholskystraße über die Spree mit der Museumsinsel verbindet, überhaupt nicht. Ob und wann sie durch einen angemessenen Neubau ersetzt wird, ist nicht bekannt.



Die dunkelroten Ziegelbauten wurden in der Kaiserzeit nach Plänen von Gropius und Schmieden gebaut und gehören zum Berliner Universitätsklinikum.



Der bärtige Philosoph Aristoteles blickt seit über 200 Jahren von einer der beiden Tordurchfahrten des früheren Logenhauses herab, das Pendant soll der römische Dichter Seneca sein. (Fotos: Caspar)

Wer dieser Tage an der Oranienburger Straße im Bezirk Mitte entlanggeht, sieht Bretterzäune sowie Baugerüste und hört viel Baulärm. Neben den 1907 bis 1908 nach Plänen des Architekten Franz Ahrens erbauten Friedrichstadt-Passagen, die heute als Tacheles weithin bekannt sind, ist eine riesige Baugrube ausgehoben, in der exklusive und teure Wohn- und Geschäftsbauten errichtet werden. Ein paar hundert Meter weiter entsteht der Neuen Synagoge gegenüber durch denkmalgerechten Um- und Ausbau vorhandener Häuser das Forum an der Museumsinsel. Schon jetzt ist zu erkennen, dass hier teuer und edel gebaut wird. Entsprechend kostspielig wird es werden, wenn man hier wohnen will, Geschäftsräume nutzt, einkauft und gut essen wird. Der Bezug auf die fünf, nach der Eröffnung der James-Simon-Galerie sechs Häuser auf der Museumsinsel jenseits der Spree ist etwas weit her geholt, denn die "Freistätte für Kunst und Wissenschaft", wie man die Museumsinsel im 19. Jahrhundert nannte, ist ziemlich weit entfernt. Aber der Name klingt gut und verheißungsvoll.

Das Forum an der Museumsinsel hat eine Bruttogeschossfläche von 100 000 Quadratmetern, die etwa 14 Fußballfeldern bespricht. Sanierung und Umbau sind ein Projekt der Freiberger Holding, die gute Erfahrungen bei der authentische Modernisierung und Revitalisierung historisch wertvoller Baudenkmäler besitzt und für die nachhaltige Entwicklung dieses städtebaulich so bedeutsamen Areals gut geeignet ist. Bild- und Texttafeln an den Bauzäunen weisen darauf hin, dass es sich bei dem Areal um ein Ensemble handelt, welches Berliner Architektur- und Kulturgeschichte über drei Jahrhunderte hinweg repräsentiert. Das älteste Gebäude an der Oranienburger Straße wurde 1789 bis 1791 erbaut und diente als Logenhaus der preußischen Freimaurer.

Die vom Logenbruder Hofbaurat Friedrich Christian Becherer im Stil des Klassizismus erbaute Große Landesloge der Freimaurerei Deutschlands 71/72 mit Köpfen der griechischen Philosophen Aristoteles und des römischen Dichters Seneca über den rundbogigen Toreinfahrten ist das älteste noch erhaltene Ordenshaus Deutschlands. Das Gebäude ist ein Glanzstück klassizistischen Baukunst in der preußischen Hauptstadt. 1831 wurde es aufgestockt und erhielt 1865 bis 1867 ein Saalbau mit einem pompös ausgestatteten, fast acht Meter hohen Speisesaal im Erdgeschoss und einem prachtvollen Arbeitssaal mit logentypischen Malereien im ersten Stock. 1898 erwarb die Reichspost das Haus und nutzte es unter anderem für die Paketausgabe. Der Arbeitssaal mutierte zur Mitarbeiter-Kantine.

Fernsprechamt im Stil des Art Deco

Um dem gestiegenen Bedarf an Telefonverbindungen nach dem Ersten Weltkrieg Rechnung zu tragen, benötigte Berlin dringend ein neues Fernsprechamt. So entstand in einer Rekordbauzeit von 1926 bis 1927 an der damaligen Artillerie-, heute Tucholskystraße nach dem Entwurf von Felix Gentzen ein imposantes, meisterhaftes Zeugnis expressionistischer Architektur im Stil des Art Deco. In das Gebäude von hohem kulturgeschichtlichem Wert sollen Geschäfte und Büros einziehen. Mit allen diesen Baumaßnahmen wird die vor allem nächtens ziemlich tote Oranienburger Straße und überhaupt die ganze Gegend spürbar aufgewertet und belebt.

Nicht weit entfernt steht neben der Luisenschule, die nach Aussage einer Gedenktafel die erste höhere städtische Schule für Mädchen war, die ein Jahrhundert später nach Plänen von Martin Gropius im Stil der Neorenaissance erbaute Frauenklinik der Charité. Mit der Gründung der Berliner Universität 1810 war das Areal zwischen Ziegelstraße und Spree zu einem bedeutenden Klinik-Standort ausgebaut worden. Zu dem zwischen 1879 und 1883 von Martin Gropius und Heino Schmieden errichteten Hauptgebäude im Stil der Neorenaissance gehörte auch der Rundbau eines Hörsaals, in dem Koryphäen der Medizin lehrten. Zur Charité gehörten das 1902 bis 1906 erbaute Monbijou-Haus, das heute Residenz Monbijou heißt, sowie das neoklassizistische Ida-Simon-Haus aus den Jahren 1908 bis 1910, heute Simon Palais geheißen. Die Entwürfe für die neobarocke Monbijou-Residenz stammen von Georg Thür, der wenig später ebenfalls das benachbarte Ida-Simon-Haus erbaute.

Diese Klinik beruht auf der nach der Berliner Philanthropin benannten Ida Simon-Stiftung und wurde als "private Krankenstation für Frauen und Mädchen ohne Unterschied des Glaubens, welche keine Unterstützung durch öffentliche Mittel bekommen" erbaut. Die Patientinnenzimmer mit den Balkonen hoch über der Spree waren komfortabel ausgestattet, jedes hatte ein eigenes Bad mit in den Boden eingelassenen Wannen. Das Haus im neoklassizistischen Baustil fällt schon von weitem durch seine in Rot gefasste Fassade auf. Im Simon Palais entstehen exklusive ein- und zweigeschossige Stadtwohnungen mit einmaligem Blick auf die Spree und die Museumsinsel. Ebenerdig im Simon Palais befindet sich ein kleines, aber feines Literaturcafé. Die deutsche Hauptstadt war Anfang des 20. Jahrhunderts der telegrafische Knotenpunkt Europas. Die dafür genutzten Gebäude waren schon bald zu eng, weshalb 1909 Postbaurat Wilhelm Walter und der Architekt Max Lehmann mit der Planung eines neobarocken Haupttelegraphenamts begannen. Der monumentale Bau zwischen Oranienburger- und Ziegelstraße verfügte über große Säle, sieben Gebäudeflügel, markante Treppenhaustürme und zwei Innenhöfe. Die hier eingerichtete hochmoderne Rohrpostanlage war bis 1986 in Betrieb.

Ausblick bis zum Roten Rathaus

Im Zuge der Neuplanung für die in unterschiedlichen Epochen erbauten Charité-Kliniken an der Spree entstand 1930 bis 1932 nach Entwürfen von Walter Wolff die im kompromisslos modernen "International Style" erbaute Frauenklinik an der Ziegelstraße. Die historische Bausubstanz des schlicht Bauhaus genannten Gebäudes wird von den Architekten Sir David Chipperfield sowie Patzschke & Partner authentisch restauriert und modernisiert. Orientiert an der ausgereiften Bauhaus-Architektur gelang Wolff ein großer Wurf von klarer Schönheit. Die nach Süden orientierten Räume verfügten über große Atelierfenster, der halbrunde verglaste Gymnastiksaal gestattete einen spektakulären Blick auf die Museumsinsel, das Rotes Rathaus und den Alexanderplatz. Eine windgeschützte Liegehalle auf dem Flachdach des weißen Gebäudes erregte schon damals und auch heute Aufsehen.

Im Bauhaus entstehen unter der Federführung des Architekten Sir David Chipperfield an einem neuen Stadtplatz Wohnungen sowie Flächen, die Galerien und dem Handel Platz bieten. Zudem entstehen repräsentative Büroflächen mit großen Atelierfenstern und einer Dachterrasse. An der Oranienburger Straße entstehen darüber hinaus moderne und großzügige Loftbüros. Den Blick in den Monbijoupark und auf die Museumsinsel werden die Gäste des neuen Hotels Telegraph sowie die Mieter der hochwertigen Wohnungen genießen. Das Erdgeschoss werden attraktive Läden für die Anwohner, Büronutzer und Touristen bieten, außerdem bieten für jeden Geschmack eine Brasserie sowie Fitness- und Wellnessangebote gutes Essen und angenehme Erholungsangebote.

20. November 2017

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