Wohin mit den Generalsfiguren?
Landesdenkmalrat denkt an Verlagerung der Originale nach Spandau und ihren Ersatz Unter den Linden durch Marmorkopien



Gebhard Leberecht von Blücher und die anderen Feldherren sollen wieder auf ihren Stammplatz zurückkehren. Die Postkarte zeigt die Aufstellung vor dem Zweiten Weltkrieg.



Marschall Vorwärts Blücher bemängelt auf der Karikatur im Satireblatt "Ulk" von 1877 die wenig stramme Körperhaltung der Zivilisten und Militärs, die auf der Straße Unter den Linden geehrt werden.



Die in DDR-Zeiten entfernte Widmung vom Scharnhorstdenkmal wurde nach der deutschen Vereinigung wieder am Sockel angebracht.



Das rückseitige Relief vom Sockel des Scharnhorstdenkmals schildert, wie die behelmte Minerva mit zwei anderen Jünglingen Baumstämme in Lanzen verwandelt.



Ungewöhnlich war, dass Rauch den Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher nicht als antiken Held mit Sandalen, sondern in preußischer Uniform und einem Säbel in der Hand darstellte, den linken Fuß auf ein Kanonenrohr gesetzt. Der malerischen Wirkung wegen hat der Bildhauer den Helden der Befreiungskriege in einen langen Mantel gehüllt.



Das Sockelrelief vom Blücherdenkmal zeigt, wie die 1806 von den Franzosen geraubte Quadriga vom Brandenburger Tor im Triumphzug nach Berlin gebracht wird.



Die Silbermedaille von 1855 zeigt die Aufstellung drei Generalsfiguren sowie um deren Köpfe gelegte Szenen vom Sockel des Blücherdenkmals. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Berliner Landesdenkmalrat empfiehlt, den heutigen Standort der Marmor- und Bronzestandbilder preußischer Generale gegenüber der Neuen Wache Unter den Linden so zu lassen, wie er ist, als er in engem Zusammenhang mit der 1990 neu definierten und heute immer noch gültigen Funktion der Neuen Wache als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft steht. Allerdings sollten die historische Aufstellung der von Christian Daniel Rauch geschaffenen und 1822 enthüllten Standbilder aus Marmor von Scharnhorst und Bülow links und rechts der Neuen Wache sowie via à vis die Denkmäler von Blücher, Gneisenau, Yorck von Wartenberg aus Bronze ergänzende Informationstafeln bekommen. Auf ihnen müsste dann auch die "Wanderung" der Monumente nach dem Zweiten Weltkrieg geschildert werden.

Der Landesdenkmalrat gibt zu bedenken, die durch Umwelteinflüsse gefährdeten Marmorstandbilder an einen geschützten, jedoch öffentlich zugänglichen Bereich in der Nachbarschaft neu aufzustellen. Gedacht wird an die Friedrichswerdersche Kirche, den Zeughaushof des Deutschen Historischen Museums oder den Schlüterhof des Humboldtforums. Alternativ wäre auch eine Präsentation und historische Kommentierung im Rahmen der Dauerausstellung "Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler" auf der Zitadelle Spandau zu prüfen. An Ort und Stelle gegenüber der Neuen Wache sollten die Originale nicht durch Abgüsse in Kunststein oder Bronze, sondern durch Hausteinkopien in Marmor ersetzt werden.

Lässig an einen Baumstamm gelehnt

Im Jahre 1820 hatte der Bildhauer Rauch mit ersten Arbeiten für zwei Marmordenkmäler beiderseits der Schinkelschen Neuen Wache Unter den Linden begonnen. Gerhard David von Scharnhorst und Friedrich Wilhelm von Bülow von Dennewitz sollten hier auf Geheiß König Friedrich Wilhelms III. geehrt werden. Die Standbilder charakterisierten auf diese Weise die nach antiken Vorbildern zwischen 1816 und 1818 errichtete Unterkunft der Schlosswache als Erinnerungsmal an die Befreiungskriege. Rauch stellte Scharnhorst als Feldherren dar, der sich auf die kriegerische Tat vorbereitet. Ganz unmilitärisch, ja ein wenig lässig an einen Baumstamm gelehnt, sammelt er seine Gedanken. Die Haltung ähnelt der des friderzianischen Reitergenerals Hans-Joachim von Zieten in der kleinen Kuppelhalle des Bodemuseums beziehungsweise auf dem Zietenplatz, der von Johann Gottfried Schadow als nachdenklich dreinschauender "Bürger in Uniform" dargestellt wurde.

Im Falle von Scharnhorst standen dem Bildhauer nur notdürftige Porträtvorlagen zur Verfügung, vor allem die Totenmaske von 1813. Der General war am 28. Juni 1813 an den Folgen einer Verwundung gestorben, die er sich in der Schlacht von Großgörschen zugezogen hatte. Der ebenfalls getroffene Blücher überlebte. Von Bülow, dessen zusätzlicher Name auf die erfolgreiche Schlacht von Dennewitz gegen die Franzosen am 6. September 1813 hinweist, war bekannt, dass er die Schultern etwas nach vorn gestreckt hielt und die Füße etwas zu spreizen pflegte. Er habe eine "unschöne" Körperhaltung gehabt und die Hände zumeist auf dem Rücken gehalten. Rauchs Bülow-Denkmal veranschaulicht indes etwas anderes, die militärische Tat selbst. "Kühn und sicher steht er da, den Mantel mit der in die Seite gestemmten Rechten zurückschlagend, dem Kampfe, den er beherrscht, ins Auge schauend", stellen Friedrich und Karl Eggers in ihrem 1873 bis 1891 veröffentlichten Werk über Rauch fest. "Der Reitermantel ist um ihre Schultern geschlagen; aber nicht fremdartig, theatralisch, auch nicht nüchtern prosaisch, sondern mit bewusst idealem Anklange, wie es in gehobenen Momenten des Daseins bedeutender Männer geschehen kann. Die Gestalten sind bis in die letzte Falte der Mäntel hinein durchgeistigt vom Schönheitsgesetz der antiken Plastik."

Zu den Statuen gehören reliefgeschmückte Sockel. Die Widmung "Friedrich Wilhelm III. dem General von Scharnhorst im Jahre 1822", die von einem Adler gehalten wird, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt und durch die lapidare Inschrift SCHARNHORST ersetzt, nach der Wiedervereinigung aber in der alten Form rekonstruiert. Die Sockelreliefs zeigen Minerva bei der Unterweisung von zwei Jünglingen. Die Göttin der Wissenschaft hält ein aufgeschlagenes Buch mit den Namen berühmter Feldherren - Montecuccoli, Vauban, Graf Wilhelm von der Lippe, den Marschall von Frankreich, Graf Moritz von Sachsen, König Friedrich II. von Preußen und Scharnhorst.

Eher abgestellt als aufgestellt

Im Jahr 1964 wurde das Scharnhorst-Denkmal auf einer Grünanlage zwischen der Staatsoper und Prinzessinenpalais (Opernpalais) vorn an der Straße Unter den Linden aufgestellt, besser gesagt abgestellt. Da das Bildwerk stark gefährdet war, kam es 1992 in die Restaurierungswerkstatt, der Sockel folgte einige Zeit später. Die restaurierte Statue sowie das Bülow-Denkmal konnten beiderseits der Neuen Wache nicht aufgestellt werden, weil sich die frühere Bundesregierung unter Helmut Kohl verpflichtet hatte, eine diesbezügliche Forderung der Kollwitz-Erben zu respektieren. Angeblich vertrage sich die in dem Gedenkraum aufgestellte Pietà der Bildhauerin Käthe Kollwitz nicht mit den Generalsfiguren, in denen manche Leute Vertreter des preußischen Militarismus sehen.

Gebhard Leberecht von Blücher, Fürst von Walstatt, der legendäre Marschall Vorwärts, war kaum tot, als Christian Daniel Rauch von Friedrich Wilhelm III. den Auftrag erhielt, ein Denkmal für den Helden der Befreiungskriege zu schaffen. In Rostock stand bereits ein von Johann Gottfried Schadow modelliertes Bronzemonument, das den alten Herren den griechischen Löwenbezwinger Herakles feiert. Allerhöchsten Beifall fand indes beim preußischen König Rauchs für damalige Zeit ungewöhnlicher Entwurf, Blücher in preußischer Uniform darzustellen, eingehüllt in einen langen Reitermantel, den Säbel angriffslustig nach vorn gestreckt.

Das 3,25 Meter hohe Bronzedenkmal auf 4,60 Meter hohem Sockel wurde vor einigen Jahren den ebenfalls von Rauch geschaffenen Denkmälern von Gneisenau und Yorck von Wartenburg restauriert. Bisher ist der Plan nicht gelingen, sie aus ihrem Verbannungsort im hinteren Teil des Prinzessinnengartens zwischen der Staatsoper und dem Prinzessinnenpalais wieder nach vorn, an die Straße Unter den Linden, versetzt werden. In DDR-Zeiten hielt man es für opportun, solche Bildwerke lieber zu verstecken, auch wenn an der Neuen Wache preußischer Stechschritt zackig zelebriert wurde. Das Blücherdenkmal hatte wie andere Denkmäler Unter den Linden den Zweiten Weltkrieg in einem Steinmantel überstanden, wurde 1950 abgebaut und kam auf die Museumsinsel. Nach der Restaurierung wurde das Denkmal 1964 im hinteren Winkel des Prinzessinnengartens eher abgestellt als aufgestellt. Ähnlich ging es den beiden anderen Bronzegeneralen, die von der Straße aus kaum zu sehen sind, zumal wenn die Bäume in ihrer Nähe in vollem Laub stehen.

Ein Schreck als erster Eindruck

Christian Daniel Rauch hat am Blücherdenkmal, das in der Königlichen Eisengießerei zu Berlin in Bronze gegossen wurde, lange gearbeitet. Als es am 18. Juni 1826 an der als Via triumphalis konzipierten "Linden" enthüllt wurde, war der Künstler nicht zufrieden: "Der erste Anblick einer beinahe vierjährigen, im Detail mit großer Aufmerksamkeit durchgeführten Arbeit stand nun mit einem Mal, ohne alles Detail mit einem Blick als ganzes vor mir. Ein überwältigendes Missfallen, ja ein Schreck war der erste Eindruck von der Schlossbrücke bis zur Wache; zu lang, zu breit war mein erstes Besinnen, die Statue starr und ungelenk!" Erst der vergleichende Anblick seines Bülow-Denkmals neben der Neuen Wache, schreibt Rauch weiter, habe ihn zu "aussöhnenden Reflexionen" ermutigt. Nun kam ihm das Blücherdenkmal nicht mehr so überdimensioniert vor. An Karl Friedrich Schinkel, der gerade in London weilte, schrieb der Bildhauer: "Das Denkmal Blücher's scheint den Leuten zu gefallen; nur fehlt das Portepee, und das Piedestal ist von vorne gesehen ihnen nicht breit genug. - Übrigens füllt es seinen Platz".

Das völlig Moderne

Der Künstler, der mit der Übernahme der von Schadow modellierten Blücherkopfes eine Anleihe bei seinem Bildhauerkollegen vorgenommen hatte, schuf aussagestarke Reliefs für den Sockel. Die Bildergeschichten symbolisieren teils mit antikisierender Symbolik, teils mit zeitgenössischer Kostümierung Leben und Taten des berühmten Feldmarschalls. Unterhalb des Sockels sind vorn und hinten die Widmungsinschrift sowie die Jahreszahlen 1813 -1814 - 1815 angebracht. Seitlich wird Blücher als antiker Held beim Empfang der Waffen beziehungsweise nach vollbrachtem Waffengang bei der Auszeichnung mit dem Siegeslorbeer durch Preußens Symbolfigur, die Borussia, dargestellt. Auf einem schmalen Bilderfries rund um den Sockel erkennt man die Rekrutierung und Bewaffnung preußischer Soldaten, den Zug der Landsturmmänner, die Reiterei und Männer in einer Kampfespause. Auf der Seite zu den Linden ist der Einzug preußischer Truppen ins eroberte Paris zu sehen. Auf den Reliefs hat Rauch Zeitgenossen porträtiert - Theodor Körner, Wilhelm von Humboldt, die Militärs Gneisenau, Bülow und Yorck, aber auch Künstlerkollegen und Freunde. Karl Friedrich Schinkel lehnt sich lässig an ein Reitpferd, während Rauch selbst gerade dabei ist, die 1806 von Kaiser Napoleon I. nach Paris verschleppte Quadriga vom Brandenburger Tor wieder in Richtung Berlin zu rollen.

Kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe zeigte an den Blücherdenkmalen in Rostock und Berlin großes Interesse. Der Dichter bat Rauch um Übersendung von Abformungen der Sockelreliefs und lobte sie mit folgenden Worten: "Das wohldurchdachte Basrelief hat unseren Patrioten an die zwar gefahrvolle, aber doch glücklich vorübergegangene Epoche tröstlich erinnert". Wer in solchen Darstellungen immer ein altertümliches Kostüm vor sich zu sehen gewohnt war, schrieb Goethe, dem mag das "völlig Moderne" dieser Reliefs beim ersten Anblick auffallend erscheinen. "Wer jedoch eine Zeit lang hin und hergegangen, wird sich gar bald überzeugen, wie sehr eine solche Darstellung der Denkweise des Volkes gemäß sei, das nicht sowohl fragt, was die Figuren bedeuten, als was und wer sie seien, das sich erfreut, Portraite und National-Physiognomien darauf zu finden, das sich die Geschichte vorerzählt und vorerzählen lässt, das das Symbolische, das dergleichen Kunstwerke immer behalten, doch zuletzt erklärlich und fasslich findet".

11. Dezember 2017

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