Holländisches Viertel blieb stehen…
…und die Russische Kolonie Alexandrowka am Rand von Potsdam mauserte sich zu einem Besuchermagnet



Dass manche Häuser im Holländischen Viertel aus Fachwerk bestehen, demonstriert diese Fassade mit "aufgerollter" Putzverkleidung.



Ein Modell im Bouman-Haus zeigt, wie das unter der Herrschaft des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. angelegte Stadtquartier strukturiert ist.



Das eine oder andere Haus hebt sich durch ein reich dekoriertes Eingangstor von der Umgebung ab.



Wilhelm Voigt begann seine zweifelhafte Karriere als Hauptmann von Köpenick in der Potsdamer Mittelstraße 3. Sein Denkmal vor dem Köpenicker Rathaus erinnert an den spektakulären Coup des Hochstaplers.



Die Russische Kolonie Alexandrowka steht unter Denkmalschutz, der den Erhalt dieses einzigartigen Ensembles sorgsam überwacht. (Fotos: Caspar)

Wie durch ein Wunder blieb beim Bombenangriff vom 14. April 1945 auf Potsdam das Holländische Viertel erhalten, ein aus etwa 150 Backsteinhäusern bestehendes Quartier, das der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich II., der Große, im Rahmen der zweiten Stadterweiterung zwischen 1734 und 1742 errichten ließen. Das in vier Karrees unterteilte Wohngebiet ist die einzige Anlage im "holländischen Stil" außerhalb der Niederlande. Da das Wohngebiet zur Entstehungszeit nicht genug holländische Handwerker anlockte wie vom König erhofft, siedelten sich hier auch französische und preußische Händler, Handwerker und Künstler an. Außerdem dienten die Stuben im Giebel der Häuser als Unterkünfte für Soldaten, solange es noch nicht die regulären Kasernen gab. Der am Rand des Holländischen Viertels gelegene Bassinplatz erinnert daran, dass das ehemals sumpfige Areal vor den Baumaßnahmen entwässert wurde. Zu diesem Zweck wurde ein großes Bassin ausgeschachtet, in dem sich Wasser sammelte, bevor es zum Heiligen See abgeleitet wurde.

Die meisten "Holländerhäuser" sind von schlichter Gestalt, da und dort sieht man aufwändig dekorierte Fassaden, bei denen weiß gestrichene Stuck- und Schnitzelemente zum Rot der Backsteine kontrastieren, aus denen die Häuser häufig noch mit originalem Innenleben bestehen. An den aus den Niederlanden stammenden Johann Bouman, der mit weiteren Architekten das Holländische Viertel plante und den Bau überwachte, erinnert eine kleine Ausstellung in der Mittelstraße 8. Das Jan Bouman Haus ist ein Museum zeigt Geschichte und Schicksal des Holländischen Viertels. Betreiber ist der Förderverein zur Pflege Niederländischer Kultur in Potsdam e. V. Im Holländischen Viertel gibt es zu allen Jahreszeiten etwas zu erleben. Der Verein lädt zu zwei Festen ein, die eng mit der niederländischen Kultur verbunden sind, und zwar zum Tulpenfest im April und das Sinterklaasfest im Dezember.

Am Ende der DDR 1989/90 zeigte sich das Holländische Viertel in einem beklagenswerten Zustand. Zwar waren in den achtziger Jahren erste Sanierungsarbeiten begonnen worden, doch standen wegen Baufälligkeit und des immensen finanziellen und materiellen Aufwandes zahlreiche zu Halbruinen verkommene Bauten zur Disposition, und es gab schon die ersten Abrisse. Verfall und Beseitigung konnten durch die Wiedervereinigung verhindert werden. Inzwischen hat sich das Viertel zu einem international bekannten Touristenmagnet der Extraklasse gemausert. Hier Läden, Galerien oder Restaurants zu betreiben, ist allerdings wegen der hohen Mieten teuer, wohl aber auch einträglich, denn Besucher und Käufer aus allen Weltengegenden kommen in großen Mengen.

Erinnert sei, dass der legendäre Hauptmann von Köpenick 1906 bei einem Trödler in der Mittelstraße 3 eine abgerissene Offiziersuniform gekauft hat. Mit dieser Verkleidung eignete sich der ehemalige Schuster und Zuchthäusler Wilhelm Voigt, abgesichert von ihm dazu abkommandierten Soldaten, die Kasse der damals noch selbstständigen Stadt Köpenick an. Der Coup erregte weltweite Aufmerksamkeit und wurde als Beweis für das unheilvolle Wirken von Kadavergehorsam ohne Sinn und Verstand im Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm II. gewertet. Eine Tafel am Haus des Altwarenhändlers Bertold Remlinger schildert die Tat und unterstreicht, dass hier im Holländischen Viertel alles angefangen hat.

Weitgehend im Original erhalten ist im Norden der Landeshauptstadt die Russische Kolonie Alexandrowka. König Friedrich Wilhelm III. Er war einer der Sieger der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 und ließ 1826/7 die aus zwölf Gehöften bestehende Siedlung für die letzten zwölf Sänger eines ehemaligen russischen Soldatenchores errichten. Damit setzte der mit Monarch der preußisch-russischen Freundschaft und Waffenbrüderschaft ein eindrucksvolles Denkmal. Benannt ist die aus Blockhäusern ganz aus Holzbalken bestehende Siedlung nach dem russischen Zaren Alexander I., einem Schwiegersohn Friedrich Wilhelms III., der 1825 starb und nach dem auch der Berliner Alexanderplatz benannt ist. In einer Ordre bestimmte preußische König am 10. April 1826: "Es ist Meine Absicht, als ein bleibendes Denkmal der Erinnerung an die Bande der Freundschaft zwischen Mir und des Hochseeligen Kaisers Alexander von Russlands Majestät, bei Potsdam eine Colonie zu gründen, welche ich mit den, von Seiner Majestät mir überlassenen Russischen Sängern als Colonisten besetzen und Alexandrowka benennen will." Ein Jahr später bereits zogen die neuen Bewohner in die Häuser ein. Die Grundstücke durften von den Kolonisten weder verkauft, verpachtet noch verpfändet, jedoch an männliche Nachkommen vererbt werden.

Die Kolonie Alexandrowka war bis 1926 Privatbesitz des Hauses Hohenzollern, wurde allerdings militärisch durch das 1. Garderegiment zu Fuß verwaltet. Bis 1945 blieben die königlichen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Bewohner in Kraft. Grundlegende Änderungen im Rechtsstatus der Russischen Kolonie und ihrer Bewohner erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg, heute befinden sich die meisten Häuser in Privatbesitz. Im Januar 2005 wurde im Haus Nr. 2 der Russischen Kolonie das Museum Alexandrowka eröffnet, in dem aus der Geschichte der weltweit einmaligen Siedlung und dem Leben ihrer Einwohner berichtet wird.

6. Februar 2017



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