Kommen und gehen
Das Schicksal des eisernen Räuberrads vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz steht auf der Kippe







Ob das Räuberrad abgebaut wird oder ob sich eine Bürgerinitiative findet, die die markante Eisenskulptur vor der Volksbühne bewahren will, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.



Das Foto zeigt die dichte Umbauung des 1913/14 nach Plänen von Oskar Kaufmann für den Verein Volksbühne auf dem damaligen Bülowplatz erbauten Theaters. Mit weiteren historischen Aufnahmen kann man das Bild an den Wänden des U-Bahnhofs Rosa-Luxemburg-Platz betrachten.



Zitate aus Schriften von Rosa Luxemburg sind in den Boden rund um die Grünfläche vor der Volksbühne eingelassen. (Fotos: Caspar)

Das 1994 von dem Schweizer Künstler Rainer Haußmann für eine Grünfläche vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz geschaffene "Räuberrad" wird, wenn nicht noch etwas dazwischen kommt, demnächst abgebaut. In uralten Zeiten von Gaunern und Dieben als Zeichen dafür in Bäumen geritzte oder auf Hauswänden gemalte Rad mit zwei Beinen stehe für die 25-jährige Amtszeit von Frank Castorf und werde nicht mehr benötigt, heißt es in der Volksbühne. Haußmann hatte das überlebensgroße Logo aus braun patiniertem Stahl nach einer Idee des im Sommer 2015 verstorbenen Volksbühnen-Chefbühnenbildners Bert Neumann geschaffen. Mit den Jahren wurde der Gauner-Zinken zum weithin bekannten Zeichen der Volksbühne, die mit ihm auch beflaggt ist. Auch Drucksachen und selbst Streichholzschachteln werben mit dem Räuberrad, das zum unverkennbaren Zeichen der Ära Castorf wurde und jetzt nach deren Ende wohl nicht mehr gebraucht wird.

Der Abbau entspreche dem Wunsch des Noch-Intendanten Castorf und vieler Mitarbeiter der Volksbühne, heißt es in dem Traditionstheater am Ros-Luxemburg-Platz gesagt. Das Rad suggeriere Kontinuität, die mit dem Ablauf der Ära Castorf aber endet. Unklar ist bisher, wem das Rad gehört, ja ob der Künstler für die ungewöhnliche Skulptur ein Honorar bekommen und wer denn das Material zur Verfügung gestellt hat. Das Rad mit den beiden Beinen sollte ursprünglich nur zur Werbung für das seinerzeit von Castorf inszenierten "Räuber" von Friedrich Schiller aufgestellt worden und war niemals als Denkmal gemeint. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) kann sich vorstellen, dass das Rad in der Theaterhistorischen Sammlung der Stiftung Stadtmuseums gut aufgehoben wäre, andere Meinungen gehen dahin, es auf einem Friedhof als Zeichen für eine abgeschlossene Zeit erneut aufzustellen. Frank Castorfs in Berlin und in der Volksbühne heftig umstrittener Nachfolger Chris Dercon hätte es gern behalten. Jetzt wird darüber spekuliert, ob sich eine Bürgerinitiative bildet, die das berühmte Wahrzeichen retten will.

Nicht infrage gestellt wird ein Erinnerungsmal ganz anderer Art rund um die Volksbühne. Seit über zehn Jahren kann man das aus 60 Zitaten bestehende "Denkzeichen für Rosa Luxemburg" vor der Volksbühne in aller Ruhe studieren. Für das Projekt stellte die Berliner Senatskulturverwaltung 260 00 Euro und für die denkmalgerechte Gestaltung des Rosa-Luxemburg-Platzes und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch einmal 150 000 Euro zur Verfügung. Bei der Übergabe des in Gehwege und Fahrbahnen eingelassenen Denkzeichens betonte der damalige Kultursenator Thomas Flierl, man habe mit Absicht auf eine "aufgesockelte Figur" verzichtet, vielmehr habe sich die Jury nach eingehender Diskussion für den Entwurf von Hans Haacke entschieden, dem wir auch die Inschrift "Der Bevölkerung" in einem der Höfe des Reichstagsgebäudes verdanken. Die Boden-Installation soll den Platz nicht beherrschen wie ein Monument, betonte der Linken-Politiker, erst beim Herumgehen werde man die Tafeln entdecken und sich dann vielleicht darauf einlassen, über die Zitate nachzudenken. Sie bilden keinen geschlossenen Text.

Das Denkzeichen ist eine Installation, die sich vom Gewohnten absetzt. Die Palette der Luxemburg-Worte, die der Künstler Hans Haacke mit Unterstützung von Historikern und anderen Fachleuten ausgewählt hat, ist breit und charakteristisch für die streitbare Journalistin und Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands, die Anfang 1919 zusammen mit Karl Liebknecht von Rechtsextremisten ermordet wurde. Die Zitate aus Briefen, Polemiken und politischen Schriften enthalten hellsichtige Forderungen an die damaligen Politiker wie die nach erträglichen Renten für Arbeiter und Arbeiterinnen ab 60 Jahre oder das Verlangen nach Teilhabe des Volkes an parlamentarischen Entscheidungen, aber auch private Äußerungen. So kann man sich im Vorübergehen heraussuchen, was für einen wichtig und wegweisend ist.

Die Auswahl berücksichtigt auch manch Banales aus den Hinterlassenschaften von Rosa Luxemburg wie "Die Kohlmeisen assistieren mir treu vor den Fenstern, sie kennen schon genau meine Stimme und haben's scheints gerne, wenn ich singe". 1913 schrieb sie ihren SPD-Genossen ins Stammbuch "Unser herrschender ,Marxismus' fürchtet leider jeden Gedankengang wie ein alter Gichtonkel", und 1918 stellte sie fest "Die proletarische Revolution bedarf für ihre Ziele keines Terrors, sie hasst und verabscheut den Massenmord". Nach der Novemberrevolution, in deren Verlauf der Kaiser gehen musste und das Deutsche Reich Republik wurde, stellte Rosa Luxemburg fest: "Der Sieg der Ebert-Regierung wird - wie alle Siege der Gegenrevolution - ein Pyrrhussieg bleiben".

25. März 2017

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