Geflügelte Viktoria schmückt wieder den Mehringplatz
Friedenssäule wurde restauriert, doch sonst ist am Ende der Friedrichstraße von der historioschen Anlage nicht viel zu sehen



Von dem kaiserzeitlichen Belle-Alliance-Platz ist nichts mehr zu erkennen, erhalten blieben nur noch die Friedenssäule und zwei allegorische Figuren aus Marmor.



Die Karikatur aus der Biedermeierzeit zeigt den überschwemmten Platz am Ende der Friedrichstraße und wie Mensch und Tier sich aus Wasser und Unrat zu retten versuchen.



Abgebaut, restauriert und neu aufgebaut wurde die Friedenssäule mit der Rauch'schen Viktoria auf der Spitze.



Aus Löwenmäulern rinnt wieder Wasser in die Brunnenschale, auf der sich die Friedenssäule erhebt.



Die allegorische Sitzfigur "Der Frieden" erstrahlt wieder als weiße Marmorschönheit. (Fotos/Repros: Caspar)

Die preußische Haupt- und Residenzstadt und deutsche Hauptstadt Berlin besaß in der Innenstadt drei Plätze von unterschiedlicher Gestalt, die auch heute noch existieren - das rechteckige Quarré (Pariser Platz mit dem Brandenburger Tor), das achteckige Octogon (Leipziger Platz) und das kreisrunde Rondell am Halleschen Tor (Belle-Alliance-Platz, der heutige Mehringplatz, nicht zu verwechseln mit dem Franz-Mehring-Platz am Ostbahnhof). Während der Pariser Platz in Anlehnung an die alte Bebauung zurück gewonnen wurde, erhielt der in Mauerzeiten leer geräumte Leipziger Platz nach der Wiedervereinigung 1990 eine neue Randbebauung. In ganz neuer Gestalt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Mehringplatz im damaligen Westberlin geschaffen. Auf ihn laufen die 3,3 Kilometer lange Friedrichstraße sowie die Wilhelmstraße und die Lindenstraße zu, was aber nach den Umbauten in der Nachkriegszeit kaum noch zu erkennen ist.

Nach einem städtebaulichen Entwurf von Hans Scharoun geschaffen, ist der Mehringplatz wie das alte Rondell rund, aber er ist durch völlig neue, gesichtslose Wohn- und Geschäftsbauten besetzt und kann auch nicht mit dem Auto befahren werden. Der ursprüngliche Name des Mehringplatzes erinnert an die Schlacht von Belle Alliance (Waterloo), bei der am 18. Juni 1815 der französische Kaiser Napoleon I. und sein Heer von den Verbündeten unter dem Befehl von Blücher und Wellington vernichtend geschlagen wurden, worauf nun endlich mit dem früheren französischen Königshaus Frieden geschlossen werden konnte.

Wasser aus Löwenmäulern

In der Mitte des Rondells steht als Reminiszenz an die Befreiungskriege von 1813 bis 1815 in einem Brunnen auf hohem Postament eine Friedenssäule. 1840 bis 1843 von Christian Gottlieb Cantian, dem Schöpfer der Granitschale vor dem Alten Museum, errichtet, bekam sie als Schmuck obenauf eine bronzene Friedens- und Siegesgöttin mit Siegeskranz. Diese von Christian Daniel Rauch geschaffene Skulptur begegnen wir in verschiedenen Varianten im Charlottenburger Schlosspark und im Potsdamer Park Sanssouci.

Die Säule vom Mehringplatz erhebt sich über einem Brunnen mit Löwenköpfen, aus denen sich Wasser in eine Schale ergießt. Säule, Viktoria und Brunnen wurden in den vergangenen Jahren umfassend saniert, restauriert und gereinigt. Der Platz ist ferner durch Rasen und Blumen aufgewertet worden. Die Friedensäule verzichtet auf Inschriften, die auf ihre Bestimmung hinweisen. Ergänzend sind nach der Reichseinigung von 1871 weitere Figuren aufgestellt worden, die die vier am Sieg bei Belle Alliance (Waterloo) beteiligten Mächte ehren. Das Bildprogramm des Platzes wurde 1876 durch Allegorien der vier Siegermächte von Waterloo (oder Belle-Alliance) erweitert. Diese Figuren sind nicht erhalten, lediglich haben die weiblichen Sitzfiguren aus Marmor "Der Friede" (von Albert Wolff) und "Clio, die Geschichte der Freiheitskriege schreibend" (von Ferdinand Hartzer, beide aus dem Jahr 1878) die Zeiten überstanden. Auch diese Bildwerke aus Marmor wurden gründlich gereinigt und vor Umweltschäden und Graffitis geschützt.

Kiesschichten gegen stinkende Abfälle

In einem der Hausdurchgänge wird aus der bewegten Geschichte des runden Platzes berichtet. Entstanden unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. als Teil der Berliner Stadterweiterung, war das Rondell beziehungsweise ab 1815 der Belle-Alliance-Platz für die Anwohner bisweilen ein großes Ärgernis. Da die preußische Hauptstadt noch keine geregelte Kanalisation besaß, flossen stinkende Abwasser und Fäkalien in die Rinnsteine und bei bestimmten Wetterlagen auch auf den runden Platz. Die unsäglichen hygienischen Zustande hier und an anderen Stellen Berlins führten zu Seuchen und zwangen den Magistrat zum Handeln. Nach einer für alle sehr unangenehmen Überschwemmung im Jahr 1829 suchte die Verwaltung den Platz 1834 durch eine 1,25 Meter hohe Kiesaufschüttung besser zu schützen. Doch da das nicht viel nutzte, wurde später auf diese Schicht eine weitere geschüttet. "Bin ich nicht von allen Plätzen Berlins der unglücklichste? […] Rasen wollte ich, dass ich keinen Rasen bekam! Unter Verwünschungen und Fußtritten wurden mir von den Berlinern ein paar Fußsteige über den Leib gezogen", klagte damals der Platz in einem imaginären Selbstgespräch, in dem auch von Flüchen der Bewohner über den erbärmlichen Zustand der Anlage die Rede ist. Erst 1839 erhielt der Platz eine repräsentativ gestaltete Grünanlage, mit der die Anwohner gut leben konnten.

Nach und nach mauserte sich das ehemals ärmliche Viertel am Ende der Friedrichstraße zu einer gutbürgerlichen Wohngegend und wurde nach der Reichseinigung mit repräsentativen Wohn- und Geschäftsbauten besetzt. Beherrschten Mitte des 19. Jahrhunderts noch vier- bis fünfgeschossige Häuser das Bild, so trumpfte der Platz bis zu seiner Zerstörung durch Gebäude mit ausladendem Säulen- und Skulpturenschmuck auf, wie man sie so sehr in Gründerzeit liebte. Mit diesen Bauten demonstrierte das hier wohnende Groß- und Bildungsbürgertum, wer im Reich der Hohenzollern das Sagen hat.

Eine weitere Monumentalsäule stand bis 1948 im Invalidenpark. Versehen mit einem auffliegenden Preußenadler, war die gusseiserne, von innen begehbare Invalidensäule mit Aussichtsplattform, den Toten der Revolutionskämpfe von 1848/49 gewidmet. Allerdings nur jenen Soldaten, die von der preußischen Regierung gegen die Barrikadenkämpfer in Marsch gesetzt wurden und dabei starben. Im Gegensatz zu den Revolutionären, die auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain ohne ein aufwändiges Erinnerungsmal bestattet wurden, feierte die nach Plänen von Berthold Brunckow errichtete, 32 Meter hohe Säule auf einem sechs Meter hohen Unterbau die Konterrevolution und ihr Haupt, König Friedrich Wilhelm IV. Dessen Bildnis war auf der Säule ebenso zu sehen wie ein Figurenfries von Albert Wolff, auf dem Borussia die Witwen und Waisen segnet und Minerva die siegreich heimkehrenden Krieger bekrönt. Die Namen der Opfer auf der Seite des Königtums waren auf 38 Marmortafeln vermerkt. 1948, genau einhundert Jahre nach der Märzrevolution, wurde das in die politische Landschaft nicht mehr passende Bauwerk abgerissen. Auf dem Platz steht heute setzt heute ein Brunnen den Opfern der deutschen Teilung ein Denkmal.

20. August 2017

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