FRIDERICUS REX APOLLINI ET MUSIS
Die von Dach bis Keller sanierte und umgebaute Staatsoper Unter den Linden soll am 3. Oktober wieder eingeweiht werden, um dann gleich wieder zu schließen



So sah das Forum Fridericianum an der Straße Unter den Linden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Königlichen Oper und der Hedwigskirche im Hintergrund.



Auf dem Foto aus der Kaiserzeit ist der überdimensionalen Bühnenturm nicht zu übersehen.



Über der vergoldeten Widmung hält der Musengott Apoll Wache. Das von Ernst Rietschel geschaffene Giebeldreieck stammt aus dem Jahr 1844 und schildert, wie die verschiedenen Künste der Musik huldigen.



Dreimal zerstört und wiedergeboren - die Staatsoper Unter den Linden in Berlin am 25. April 2017, wenige Monate vor dem Ende der Bauarbeiten, vom Ehrenhof der gegenüber liegenden Humboldt-Universität gesehen.




Der Apollosaal ist einem Raum im Schloss Sanssouci nachempfunden und wird auch künftig für Kammerkonzerte, kleine Opern und Lesungen genutzt. (Fotos/Repro: Caspar)



Es gibt kaum ein Bauwerk in der Hauptstadt, das so oft geschunden und so oft auf- und umgebaut wurde wie die Staatsoper Unter den Linden. Am 4. September 1955 wurde das Haus nach dreijähriger Wiederaufbauarbeit in Anwesenheit des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck festlich eingeweiht. Auf dem Programm standen Richard Wagners "Meistersinger von Nürnberg", und geleitet wurde die Aufführung von Franz Konwitschny. "Alle Völker sind eingeladen, hier in diesem Hause ihre Werke zur Aufführung gelangen zu lassen. Die Deutsche Staatsoper ist ein Sieg des Friedens, ein menschlicher Triumph. Sie ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, in welcher Weise wir Siege zu erringen gedenken und welche Art Triumphe wir zu feiern gewillt sind", sagte Kulturminister Johannes R. Becher in seiner Eröffnungsrede. Großes Lob galt dem Architekten Richard Paulick, der dem dreimal ausgebrannten (1843, 1941 und 1945) und dreimal wieder aufgebauten Haus seine Würde zurückgab und es gekonnt modernisierte. Er respektierte die historische Außengestalt, organisierte aber das Innere neu. Dazu gehörte der Einbau des mit Säulen bestückten Apollosaals als Spielort für Kammerkonzerte. Für diesen Raum stand der viel kleinere Marmorsaal im Potsdamer Schloss Sanssouci Pate stand. Die Innendekoration des Opernhauses lehnte sich dem von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und seinem königlichen Auftraggeber, Friedrich II. von Preußen, bevorzugten Rokoko-Stil an.

Wenn am 3. Oktober 2017 die Staatsoper nach siebenjähriger Generalsanierung und kompletten Modernisierung der Technik und der Infrastruktur nun endlich eröffnet wird, ist noch vieles von der Paulick-Fassung zu sehen. Längst ist Geschichte, dem Haus Gewalt anzutun und es zugunsten einer nie erreichten Akustik im Inneren neu zu gestalten. Obwohl die denkmalgeschützte Dekoration aus DDR-Zeiten im Wesentlichen erhalten blieb, ist das Haus im Grunde genommen ein Neubau in altem Gewand.

Decke des Innenraums vier Meter höher

Nachdem es 2010 geschlossen worden war und die Staatsoper im Schillertheater an der Bismarckstraße im Ortsteil Charlottenburg eine neue Spielstätte gefunden hatte, rückten die Bauleute, Techniker und Architekten an und begannen nach Plänen des Stuttgarter Architekturbüros HG Merz, es von Dach bis Keller zu entkernen und umzukrempeln. Mit dem Ziel, die Nachhallzeit, einem Wunsch von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim folgend, zu verbessern, wurde die Decke des Innenraumes um vier Meter angehoben. Dadurch vergrößerte sich dessen Raumvolumen von 6500 auf 9500 Kubikmeter. Diese gravierende und sehr kostenintensive Veränderung ist von außen nicht zu sehen, weil die Kubatur des denkmalgeschützten Gebäudes so bleibt, wie sie ist.

Baukosten fast verdoppelt

Lange war die Staatsoper hinter Bauplanen und bunt beklebten Bretterzäunen verschwunden, und immer wieder wurde die Fertigstellung einzelner Abschnitte verschoben. Sie sollte bereits am 3. Oktober 2013 eröffnet werden, dann jeweils ein Jahr später immer am gleichen Tag der deutschen Einheit. Jetzt hat der Berliner Senator Klaus Lederer den 3. Oktober versprochen. Bis es so weit ist, müssen sich alle Beteiligten innen und außen sputen, wenn alles unter Dach und Fach sein soll. Die Freude wird nur kurz sein, denn nach dem 3. Oktober 2017 bleibt noch einiges zu tun. Intendant Jürgen Flimm freut sich, dass das Zittern und Zagen um den Eröffnungstermin bald ein Ende hat. Bei einem Rundgang über die Baustelle sagte er, der Teufel habe im Mauerwerk genistet, und der "Baugott" sei nun mal langsamer als sein Bruder, der flinke Götterbote Merkur. Womit gemeint ist, dass man erst in der Bauphase erkannt hat, welche Probleme hinsichtlich der Statik des auf uralten Holzstämmen stehenden Opernhauses zu überwinden sind und welche unangenehmen Überraschungen sich in dem Mauermonster verbergen, wie Flimm formulierte.

Leider blieb es nicht bei den seinerzeit eingeplanten 239 Millionen Euro Baukosten, denn diese haben sich bis heute auf satte 400 Millionen Euro summiert. Der Berliner Flughafen BER, die Hamburger Elbphilharmonie, der Stuttgarter Hauptbahnhof und andere Riesensummen verschlingende Mammutbaustellen lassen grüßen! Der Bund ist nicht gewillt, die enorme Kostensteigerung mitzufinanzieren. Das muss Berlin schon selber tun, und das wird geschehen, indem die Stadt aus anderen Töpfen zusammengekratzt wird. Der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der in Gutsherrenmanier kostspielige Änderungen am Bauplan verfügte, wird vermutlich nicht zur Kasse gebeten, sondern erhält bei der Eröffnung manche Lobessprüche. Ab dem 7. Dezember 2017, zum 275. Jubiläum des Opernhauses, wird das Traditionshaus Unter den Linden ihren regulären Spielbetrieb aufnehmen.

Das Volk blieb draußen

Errichtet in den Jahren 1741 bis 1743 auf Befehl des preußischen Königs Friedrich II., des Großen, nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, wurde das Opernhaus nicht nur für die Aufführung prunkvoll inszenierter Opern genutzt, sondern auch für ausgiebige Gelage und Festlichkeiten des königlichen Hofes anlässlich von fürstlichen Staatsbesuchen oder Familienfeiern. Zugelassen waren als Besucher anfangs nur Damen und Herren von Adel und Stand, hingegen musste das "Volk" draußen bleiben. Selbstbewusst verewigte sich der preußische König, der so souverän mit der Querflöte umzugehen und zu komponieren verstand, über dem Eingangsportal mit der Inschrift FRIDERICUS REX APOLLINI ET MUSIS. Die lateinische Widmung sagt aus, dass König Friedrich dieses Gebäude Apoll, dem Gott der Künste, und seinen Musen widmet.

Im August 1843, hundert Jahre nach der Einweihung, verwandelte eine furchtbare Feuersbrunst, ausgelöst durch eine Gewehrkugel, die Kostüme entflammte, den kostbar ausstaffierten Prachtbau in einen Trümmerhaufen. Nur noch die Außenmauern blieben stehen, zum Glück wurden umliegende Gebäude am Forum Fridericianum nicht in Mitleidenschaft gezogen. Da es sich um einen Prestigebau der Extraklasse handelte, wurde mit dem Wiederaufbau nicht lange gefackelt. "Ich lege Werth darauf, dass dieses Denkmal des großen Königs in seinen schönen, einfachen Formen wiederhergestellt wird", bestimmte König Friedrich Wilhelm IV. Der mit dem Wiederaufbau des Opernhauses beauftragte Architekt Carl Ferdinand Langhans nahm einige Neuerungen im Inneren vor, so etwa den Einbau eines vierten Ranges, der sich aber als Fehlinvestition erwies. Bereits am 7. Dezember 1844 konnte die Königliche Oper mit dem von Giacomo Meyerbeer komponierten "vaterländischen" Singspiel "Ein Feldlager in Schlesien" eingeweiht werden. Die musikalische Erinnerung an Friedrich den Großen geriet schnell in Vergessenheit wie viele andere Stücke, die an der Lindenoper einst gespielt und bejubelt wurden.

Hässliche Zusatzbauten und eine Feuerleiter

In der Kaiserzeit und der Zeit der Weimarer Republik wurden im Opernhaus umfangreiche Um- und Erweiterungsbauten vorgenommen. Ziel war es, die weltberühmte Spielstätte, an der sich alle großen Dirigenten, Sänger und Tänzer der Welt die Klinke in die Hand gaben, den Bedürfnissen des 20. Jahrhunderts in Bezug auf moderne Bühnentechnik, gute Akustik, Heizung, Elektrik, sanitäre Verhältnisse und nicht zuletzt auch Feuersicherheit anzupassen. So viel Technik in dem ja nicht großen Haus aus der Rokokozeit unterzubringen, war ein Unding. Deshalb waren auch hässliche Zusatzbauten wie ein riesiger Bühnenturm und eiserne Feuertreppen notwendig, die das äußere Erscheinungsbild stark beeinträchtigten.

Als in der Nacht vom 9. zum 10. April 1941 Bomben auf Berlin fielen, ging auch das Opernhaus in Flammen auf. Der Wiederaufbau wurde von den Nazis als "staatspolitisch" wichtig eingestuft, und so hat man weder Kosten gescheut noch an Arbeitskräften gespart, um das Haus ganz schnell wieder spielfertig zu machen. Als es am 12. Dezember 1942 mit den "Meistersängern von Nürnberg" unter dem Dirigat von Wilhelm Furtwängler eröffnet wurde, ahnte niemand, dass das Ende des Opernhauses nahe ist. Denn schon am 3. Februar 1945 wurde die Staatsoper - und mit ihr auch das Berliner Schloss sowie zahlreiche andere Bauwerke in der Berliner Innenstadt - erneut zerbombt.

Auferstehung im Geist von Knobelsdorff

Während das kriegsbeschädigte, aber wiederaufbaufähige Hohenzollernschloss in der Nähe gesprengt und abgerissen wurde, erlebte die Staatsoper in der frühen DDR ihre Wiedergeburt. Zunächst aber wurde eine Ersatzspielstätte für die ausgebombte Staatsoper gesucht und in Gestalt des weitgehend unzerstört gebliebenen Admiralspalastes unweit des S-Bahnhofs Friedrichstraße gefunden. Wir kennen das Haus als Metropoltheater.

Der mit den Bauplanungen beauftragte Richard Paulick beschrieb seine Aufgabe so: "Ich beabsichtige, das herrliche Bauwerk Knobelsdorffs in seiner unverfälschten Gestalt zu neuem Leben zu erwecken. Alle stilwidrigen so genannten Verbesserungen, die im Laufe der Zeit das Haus verunstaltet haben, werden beseitigt. […] Die Auferstehung einer der repräsentativsten Kunststätten hat für das Ansehen Berlins eine wichtige und kulturelle Bedeutung". Da man sich damals nicht gern an den königlichen Bauherrn erinnerte, schrieb man ins Giebeldreieck die Worte DEUTSCHE STAATSOPER mit vergoldeten Buchstaben. Erst in der Honecker-Ära wurde die ursprüngliche, an Preußens König Friedrich und seine Liebe für Apoll und die Musen erinnernde Widmung in vergoldeten Lettern angebracht.

25. April 2017

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