Wo Postpferde mit den Hufen scharrten
Monumentaler Ziegelbau aus der Kaiserzeit an der Oranienburger Straße ehrt Weltreisende und Gelehrte



Das ehemalige Kaiserliche Postfuhramt hat sich längere Zeit als Fotografie-Museum einen guten Namen erworben, jetzt ist ein Medizintechnik-Unternehmen eingezogen.





Christoph Columbus schaut von der Fassade des Postfuhramtes auf die Passanten herab, dort werden auch Alexander von Humboldt und andere Berühmtheiten geehrt.



Der Holzstich aus der Kaiserzeit bildet die ganze Pracht dieses Bauwerks im italienischen Rundbogenstil ab. Der reiche Figurenschmuck in der Dachzone ist verloren gegangen.



Solche Pferdewagen transportierten sowohl Postsendungen aller Art als auch Passagiere.



Biedermeierliche Postkutschenherrlichkeit schildert ein Relief im Hof des ehemaligen Kaiserlichen Postfuhramtes. (Fotos/Repro: Caspar)

Das ehemalige Kaiserliche Postfuhramt an der Ecke Oranienburger Straße/Tucholskystraße besitzt einen reichen, aus Bildnismedaillons berühmter Reisender, Gelehrter und Techniker bestehenden Fassadenschmuck. Der 1875 bis 1881 im "Rundbogenstil" der italienischen Renaissance errichtete Bau steht unter Denkmalschutz und ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie aufwändig Postgebäude nach der deutschen Reichseinigung von 1871 gebaut und gestaltet wurden. Vom Hof des Postfuhramtes aus fuhren Pferde- und Kraftwagen durch die ganze Stadt, um Brief-, Geld- und Paketsendungen zu verteilen. Das Postfuhramt ist eng mit dem Wirken des in der Kaiserzeit hoch angesehenen Generalpostmeisters Heinrich von Stephan verbunden, dem wir auch das Postmuseum an der Ecke Leipziger Straße/Mauerstraße ebenfalls im Bezirk Mitte verdanken, heute bekannt als Museum für Kommunikation.

Da Postgebäude wie auch Gerichte und Polizeistationen wichtige Hoheitsaufgaben erfüllt wurden, betraute man nur die besten Architekten mit ihrem Bau und ihrer Ausgestaltung. Im Fall des Postfuhramtes war es der Regierungs- und Baurat Carl Schwatlo und sein Mitarbeiter Wilhelm Tuckermann, der ihm einen achteckigen Turmaufsatz zwischen zwei kleinen Kuppeln über dem Portal als Mittelstück zweier langer Straßenfassaden verpasst hat. Damit wurde ein architektonischer Bezug zu den Kuppeln der nahe gelegenen Neuen Synagoge hergestellt, die ein paar Jahre früher fertig gestellt worden war.

Wer das ursprünglich Kaiserliches Postfuhramt genannte Haus umrundet, kann Köpfe berühmter Gelehrter, Weltreisender und Techniker betrachten, die auf unterschiedliche Weise mit Post, Reisen und Kommunikation zu tun hatten. So wird Marco Polo und Christoph Columbus, Carl Friedrich Gauß, Alexander von Humboldt, Werner von Siemens und anderen Personen ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt, die die Menschheit mit ihrem Wissen und Wagemut voran gebracht haben.

In der Kaiserzeit wuchsen die Anforderungen an den Fuhrbetrieb mit zahlreichen Pferden und Fahrzeugen, darauf musste die Reichspost unbedingt reagieren. Auf der anderen Seite waren die hygienischen Zustände und die bauliche Verfassung der bisher genutzten Stallungen in dem dicht bebauten Haus zufriedenstellend. Nachdem im März 1874 auf dem Gelände zahlreiche Tiere verendet waren, musste etwas geschehen. Zunächst baute man im Hof der geplanten neuen Postfuhramtes zwei zweigeschossige Ställe für insgesamt etwa 250 Pferde, wobei die unteren Etagen in den Boden eingelassen waren und die oberen über Rampen erreicht werden konnten. Die Pferdeställe verschwanden erst 1925, als der Berliner Postbetrieb grundlegend modernisiert und von den Vierbeinern auf Lastkraftwagen umgestellt wurde. An ihrer Stelle wurden eine Ladestraße und eine Wagenhalle eingerichtet, die jedoch während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden. Zum Glück konnte in den 1960-er Jahren der Abriss des Komplexes abgewendet, aber im Inneren nicht der Einbau von Zwischendecken und Zimmerwänden verhindert werden. Diese unpassenden Zutaten wurden bei der aktuellen Ertüchtigung des Postfuhramtes wieder beseitigt.

Das Postfuhramt war nicht nur Ausgangspunkt für die Belieferung der Berliner mit Briefen, Paketen und anderen Sendungen, sondern diente auch als Postamt N 24. Dazu stand die Schalterhalle unter der hohen Kuppel hinter dem Hauptportal zur Verfügung. Nachdem der Postbetrieb 1995 eingestellt worden war, wurde das eindrucksvolle Eckgebäude bis 2001 für wechselnde Ausstellungen genutzt. Nach längerem Leerstand, der ihm nicht gut getan hat, gab es ab Juni 2006 eine Zwischennutzung als Ausstellungsort für Architektur, Design und vor allem für Fotografie durch das "C/O Berlin International Forum for Visual Dialogues". Diese Nutzung wurde zum großen Bedauern von Kunstfreunden im Jahr 2012 beendet, und so kam das Haus nach einem weiteren Besitzerwechsel an den Medizintechnikhersteller Biotronik SE & Co. KG. Das global agierende Unternehmen in Privatbesitz hat seinen Hauptsitz in Berlin. Es entwickelt und stellt medizintechnische Produkte her. Max Schaldach, der Firmengründer, konnte 1963 den ersten deutschen Herzschrittmacher auf den Markt bringen. Das Unternehmen richtet in dem Bau aus der Kaiserzeit unter Beachtung der Auflagen des Denkmalschutzes seine Firmenrepräsentanz ein. Mitarbeiter des Konzerns richten aktuell in dem Haus ihre Büros ein, doch soll auch die Öffentlichkeit Zutritt bekommen. So ist geplant, im jetzt gar nicht mehr so alten Postfuhramt Vorträge, Schulungen und Ausstellungen zu veranstalten. Der ehemalige Hörsaal im ersten Obergeschoss des Flügels zur Tucholskystraße wird zum Vortragssaal für 400 Personen umgebaut.

19. April 2017

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