Hohe Türme für Spree-Athen
Mit ihren Prunkbauten hatten die Hohenzollern nicht immer Glück, der Berliner Untergrund gab keinen Halt



Andreas Schlüters Münzturm war ein königlicher Traum, seine Fundamente
im Bereich des Schlossplatzes wurden bisher nicht gefunden.




Königlichen Zorn handelten sich Bauleute ein, als 1781 der halb fertige Turm
der Deutschen Kirche auf dem Gendarmenmarkt einstürzte.




Die neogotische Umgestaltung des Turms der Marienkirche war im
ausgehenden 18. Jahrhundert noch gewöhnungsbedürftig.




Imposant ist der Turm des Roten Rathauses, den man schon von weitem erkennt.



Da die 3,25 Meter hohe Glücksgöttin des Bildhauers Ignatius Taschner
verloren war, wurde sie nach historischen Fotos und einem kleinen Modell vom
Restaurator Bernd-Michael Helmich aus Kupferblech neu gefertigt und bekrönt
nun wieder den Kuppeturm des Alten Rathauses. (Fotos/Repros: Caspar)


Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, der 1688 die Nachfolge seines Vaters Friedrich Wilhelm antrat und sich 1701 als Friedrich I. zum König in Preußen krönte, war vom "Bauwurm" besessen. Als typischer Barockherrscher war es für ihn wichtig, prächtig ausgestattete Schlösser zu besitzen und in seinen Residenzstädten repräsentative Staatsbauten und Denkmäler zu errichten. Davon versprach sich der Herrscher Zuwachs an Ansehen und Stärkung seiner Position als Landesherr. Er veranlasste darüber seinen Hofstaat und das wohlhabende Bürgertum, ebenfalls Adelspaläste beziehungsweise ansehnliche Patrizierhäuser aus Stein zu bauen. Vor allem in Berlin wurde vor über 300 Jahren eine umfangreiche Bautätigkeit entfaltet. 1709 veranlasste König Friedrich I. die Vereinigung der bisherigen selbstständigen Städte Berlin, Cölln, Friedrichswerder sowie der Friedrich- und Dorotheenstadt unter einem gemeinsamen Magistrat. Die Verwaltungsreform half Geld zu sparen und wirkte sich insgesamt positiv auf die Entwicklung der preußischen Haupt- und Residenzstadt aus.

Alte Gemälde, Grafiken und Karten zeigen die Mitte Berlins als eine von breiten und schmalen Gewässern durchzogene Stadt. Bis zum frühen 18. Jahrhundert musste man Holzbrücken passieren, um sie durchqueren zu können. Um die Residenz zu entwässern und zugleich neues Bauland zu gewinnen, wurden nach holländischem Vorbild Kanäle, Gräben und Grachten samt kleinen Brücken angelegt. Wie man sich einen solchen Kanal vorstellen kann, demonstriert die Straße Märkisches Ufer im Bezirk Mitte. Das dort stehende Ermelerhaus mit klassizistischer Fassade heißt nach einem seiner Besitzer, dem Tabakfabrikanten Wilhelm Ermeler. Ursprünglich stand das heute als Restaurant genutzte Palais in der Breiten Straße und wurde dort im frühen 20. Jahrhundert als Zweigstelle des Märkischen Museums und Bibliothek genutzt. Beim Umbau der Breiten Straße hat man das Ermelerhaus 1967 abgetragen und am Märkischen Ufer neu gebaut. Es steht in Nachbarschaft mit dem nach dem Maler Otto Nagel benannten Otto-Nagel-Haus, in dem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihr Bildarchiv untergebracht hat. Das Gebäude stellt eine Rarität dar, denn es stammt im Kern noch aus dem frühen 18. Jahrhundert.

Pleiten, Pech und Pannen

Außer dem Stadtschloss, das König Friedrich I. von Andreas Schlüter, Eosander von Göte und anderen Architekten auf das Prunkvollste erweitern und dekorieren ließ und das gegenwärtig als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebt, sowie dem neu erbauten Zeughaus und einigen barocken Adelspalästen standen in der Doppelstadt Berlin-Cölln und den Trabantenstädten außerhalb des Festungskranzes zumeist nur ein- und zweistöckige Häuser. Der aufstrebenden königlichen Residenz fehlten nach damaligem Verständnis nur noch repräsentative Türme. Doch war Bau dieser Höhendominanten von Pleiten, Pech und Pannen begleitet. Planungsfehler, morastiger Baugrund und billiges Material machten die hochfliegenden und kostspieligen Projekte zunichte.

Mit dem Plan, dem in einen prächtigen barocken Palast verwandelten ehemaligen Renaissance-Schloss an der Spree einen großen, weit sichtbaren Glockenturm anzufügen, sind König Friedrich I. und sein Schlossbaumeister Andreas Schlüter grandios gescheitert. Eigentlich war Schlüter Bildhauer, doch was der bauwütige Monarch von ihm verlangte, nämlich einen Turm an der nordwestlichen Ecke des Schlosses "zum Schmucke der Stadt und zu öffentlichem Nutzen" zu errichten, wie Schlüter 1702 schrieb, überstieg offenbar seine Fähigkeiten. Da in dem ursprünglichen, noch aus der Renaissance stammenden und recht kompakt gebauten Turm eine Münzwerkstatt untergebracht war, nannte man ihn Münzturm. Als Berliner Archäologen vor einigen Jahren auf dem vom Palast der Republik befreiten Schlossplatz nach den Fundamenten des Münzturms suchten, fanden sie zwar gewaltige Findlinge aus mittelalterlicher Zeit, aber nicht Reste des Bauwerks, mit dem Andreas Schlüter keinen Erfolg hatte.

Friedrich I. wollte in dem neuen Münzturm von königlicher Pracht ein Glockenspiel aufhängen, außerdem sollten von diesem aus die Wasserspiele auf dem Lustgarten gespeist werden. Als Schlüter seinen aufwändig gestalteten Münzturm bis zur Höhe von 70 Metern aufgeführt hatte, brach er in sich zusammen. Der König war wütend und ließ den Einwand nicht gelten, dass die Planungen zwar gut sind, das Erdreich aber instabil ist, ein Umstand, der auch andere Bauprojekte bis auf den heutigen Tag in der Innenstadt gefährdet hat. Schlüter musste den Versuch wiederholen. Er verstärkte die Fundamente, seitliche Anbauten sollten dem Turm Halt geben und die Lasten auffangen. Erneut wurde der Campanile gebaut, doch zeigten sich wiederum Risse und Absenkungen.

Glockenspiel in der Parochialkirche

Das Bauwerk war nicht mehr zu retten und musste 1706 abgebrochen werden. Außerordentlich verärgert und enttäuscht entließ der König Schlüter als Schlossbaumeister, beschäftigte ihn aber weiter als Bildhauer. Friedrich I. gab seine Vision nicht auf, beauftragte Schlüters Nachfolger und Kontrahenten Eosander von Göte, das Schloss mit einem repräsentativen, über hundert Meter hohen Turm zu schmücken und damit der Stadt die ersehnte Höhendominante zu schenken, wiederum ausgestattet mit Glockenspiel und Wasserbehälter. Der Plan wurde nicht verwirklicht, weil es an Mut, Geschick und Geld fehlte. Das Glockenspiel wurde in die Parochialkirche eingebaut und erklingt seit 2016 im wieder aufgebauten Turm (siehe Eintrag auf dieser Internetseite vom 23. 10. 2016/Berlin und Brandenburg). Nach dem Tod von Friedrich I. stellte dessen Sohn und Nachfolger, Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die kostspieligen und in seinen Augen auch nutzlosen Bauten seines Vaters ein. Der Traum wurde erst unter Friedrich Wilhelm IV. Mitte des 19. Jahrhunderts verwirklicht, und zwar in Gestalt einer weithin sichtbaren Schlosskuppel.

Pech hatte der Soldatenkönig mit dem unter seiner Regentschaft errichteten Turm der Petrikirche nach Plänen des Hofbaumeisters Johann Friedrich Grael. Er sollte 108 Meter hoch werden und wäre damit das höchste Bauwerk Berlins geworden. Allerdings stürzte der Turm 1734 während des Baues ein. Erst 1852 wurde unter Friedrich Wilhelm IV. ein neuer Versuch gestartet - und hatte Erfolg. Der nunmehr 111 Meter hohe Petriturm nach Entwürfen von Johann Heinrich Strack und die dazu gehörige Kirche wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach abgetragen. Derzeit erlebt das Petriviertel mit einer neuen Bebauung seine Wiedergeburt, wobei allerdings auf den Wiederaufbau der Petrikirche zwischen Breiter Straße und Brüderstraße verzichtet wird. Teile ihrer von Archäologen freigelegten Fundamente sollen als wertvolle Zeugnisse mittelalterlicher Stadtgeschichte in die Neubebauung einbezogen werden.

Erhalten blieb als Denkmal barocken Strebens nach Höhe und Wirkung der Turm der nach der Königin Sophie Luise, der zweiten Gemahlin Friedrichs I., benannte Sophienkirche an der Sophienstraße nicht weit vom S-Bahnhof Hackescher Markt entfernt. Ihr schlanker Turm prägt, zusammen mit der vergoldeten Kuppel der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße, das Bild der Spandauer Vorstadt. Konstruktive Probleme gab es in der Spätzeit Friedrichs II., des Großen, mit den Kuppeltürmen auf dem Gendarmenmarkt. Sie sollten auf Wunsch des Königs der Deutschen und der Französischen Kirche (populär auch Dom genannt) angefügt werden und damit zur Verschönerung der Residenz beitragen. Mit dem ehrgeizigen Projekt hatte der Architekt Karl von Gontard kein Glück. Am 28. Juli 1781 stürzte der schon zur Hälfte aufgerichtete Turm der Deutschen Kirche ein, und auch beim Mauerwerk des Turms der Französischen Kirche auf der anderen Seite des Gendarmenmarkts zeigten sich bedrohliche Risse.

Fortuna mit dem Füllhorn

Fuchsteufelswild entließ der König, der ohnehin Architekten und Bauleuten misstraute und sie alle für Spitzbuben hielt, Gontard und betraute Georg Christian Unger mit dem Neubau. Eine obrigkeitliche Untersuchung ergab, dass der Deutsche Turm auf Grund von Materialmängeln, schlechter Gründung und nachlässiger Ausführung zusammengebrochen war. Beide Turmreste wurden abgetragen und unter Vermeidung der alten Fehler noch einmal errichtet und 1785 vollendet. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, erlebten beide Kirchen und ihre mit vergoldeten Figuren gekrönten Türme in den 1980-er Jahren ihre Wiedergeburt.

In der älteren Berliner Baugeschichte hat es in weitere Versuche gegeben, durch Türme zu prunken. Der Ende des 18. Jahrhunderts neogotisch umgestaltete Turm der Marienkirche ist ein solches Beispiel. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 wurde Karl Friedrich Schinkel beauftragt, auf dem Spittelmarkt einen hoch aufragenden Dom, der zugleich ein Denkmal für die Befreiung von der napoleonischen Herrschaft sein sollte, zu errichten, doch blieb es bei dem Plan. Ausgeführt wurde später von Plänen von Hermann Friedrich Waesemann das Rote Rathaus. Sein repräsentativer Mittelturm bestimmte lange die Silhouette der sich nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 stark entwickelnden Reichshauptstadt.

Auch der 80 Meter hohe Kuppelturm des gegenüber dem Roten Rathauses nach Plänen von Ludwig Hofmann erbauten Alten Stadthauses ist eine von allen Seiten gut sichtbare Höhendominante. Krönender Abschluss der Arbeiten war vor einigen Jahren die Installierung einer überlebensgroßen Fortuna-Figur auf der Kuppel, die Stadthausturm bedeckt, sowie von monumentalen Kalksteinfiguren, die so genannte Bürgertugenden wie Kraft, Stärke, Mut und Bürgersinn symbolisieren. Bei dem Turm, auf dem die Glücksgöttin ihr Füllhorn auf die Stadt entleert, hat sich Ludwig Hoffmann an den aus dem späten 18. Jahrhundert stammenden Kuppeltürmen des Deutschen und Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt orientiert. Erwähnt sei der 1905 eingeweihte Dom am Lustgarten, dessen mächtige Kuppel die Innenstadt beherrscht. Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die schlanke Laterne durch ein Kreuz auf vergoldetem Postament ersetzt.

9. Januar 2017

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