Berlin in der Barockzeit
Historische Gebäudeansichten laden in die preußische Haupt- und Residenzstadt ein



Als Johann Stridbeck 1690/91 Berlin besuchte, bot sich ihm das kurfürstliche Schloss noch als Renaissance-Palast dar.



Im Lustgarten erfreuten sich Leute vom Hof und aus der "besseren" Berliner Gesellschaft haft an Bäumen, Blumen und einem Brunnen.



In der Spandauer Straße dürfte mehr Trubel gewesen sein, als es Stridbeck auf seiner Zeichnung von 1690 dargestellt hat.



Die Jungfernbrücke war zu Pitzlers Zeiten noch eine einfache Holzkonstruktion. Den Spreekanal und eine andere Brücke dieses Namens gibt es heute noch. (Repros nach den Originalen in der Berliner Staatsbibliothek: Caspar

Vor über 300 Jahren besuchte der herzoglich sachsen-weißenfelsische Architekt Christoph Pitzler (1657-1707) verschiedene europäische Länder. Seine über eintausend Seiten umfassende "Reysebeschreibung durch Teutschland, Holland, Spanische Niederlande, Franck-Reich und Italien" enthält unter anderem aufschlussreiche Eintragungen und Zeichnungen von Inspektionen, die der 1657 in Freyburg an der Unstrut geborene Pitzler Berlin, Potsdam, Caputh, Charlottenburg, Köpenick, Oranienburg und anderen Orten in der brandenmburgischen Kurmark abgestattet hat. Die Beschreibungen und Skizzen vermitteln uns nicht nur ein anschauliches Bild von der barocken Baukunst unter dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III., der sich am 18. Januar in Königsberg König "in" Preußen krönte und sich Friedrich I. nannte. Bücher und Zeichnungen von und über Pitzler sowie andere Künstler der Barockzeit werden im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des 1950 auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht abgerissenen Berliner Schlosses gern zu Rate gezogen.

Interessant für Schlossbau

Bildungsreisen durch verschiedene Länder, vermutlich finanziert von Herzog Johann Adolf I. von Sachsen-Weißenfels, lieferten Anregungen für Bauten in den sächsischen Fürstentümern. Pitzler war am Bau des Schlosses, des Reithauses und des Schlossgartens zu Weißenfels sowie des Jagdhauses Friedenthal östlich von Freyburg, ferner des Schlosses zu Barby und anderer Zeugnisse barocker Hofarchitektur beteiligt. Seine Berufung an die Seite von Schlüter und Eosander nach Berlin, das sich als königliche Haupt- und Residenzstadt im Aufwind befand und sich anschickte, ein "Spree-Athen" zu werden, kam aus Krankheitsgründen nicht zustande. Wenigstens aber wurde Pitzler kurz vor seinem Tod wegen seiner vielfältigen Tätigkeiten für die preußische Bauverwaltung zum Baumeister im damals preußischen Herzogtum Magdeburg ernannt und am 28. April 1707 als "Königl. Preuß. Baumeister" in Halle an der Saale, das damals ebenfalls zum Reich der Hohenzollern gehörte, bestattet. Das im Besitz der Technischen Universität Berlin befindliche Original des ungewöhnlichen Reisetagebuchs verbrannte am Ende des Zweiten Weltkriegs, doch blieben dank glücklicher Umstände alte Reproduktionen erhalten, die für eine Edition im Hohenzollern-Jahrbuch angefertigt worden waren.

Das von Hellmut Lorenz im Berliner Nicolai Verlag publizierte Buch "Berliner Baukunst der Barockzeit. Die Zeichnungen und Notizen aus dem Reisetagebuch des Architekten Christoph Pitzler" (ISBN 3-87584-699-0) ist Margarete Kühn gewidmet, der langjährigen Direktorin der (West-) Berliner Schlösserverwaltung. Sie hatte stets auf den hohen Quellenwert der nur in der Fachliteratur erwähnten Pitzler'schen Aufzeichnungen und Skizzen hingewiesen. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 1995 übergab sie das von ihr gesammelte Material den Bearbeitern Martin Engel, Hellmut Lorenz, Melanie Mertens, Edzard Rust und Christiane Salge mit der Bitte, es zu veröffentlichen. Das war schneller gesagt als getan, denn die verstreut in Potsdamer und Berliner Plankammern und Nachlässen liegenden Aufzeichnungen über die von Pitzler erfassten 35 Bauten mussten gesichtet und aufbereitet werden. Außerdem galt es, die Handschrift zu transkribieren und zu kommentieren.

Das Buch lädt zu Besuchen auf kurfürstlich-königliche Baustellen ein, es zeigt, nach welchem Schema Adelspalais und Bürgerhäuser konstruiert und gestaltet wurden, welchen Fassadenschmuck sie besaßen und welche herausragende Ausstattungsstücke in Kirchen zu finden waren. Wenn jetzt das Berliner Schloss mit seiner barocken Fassade und einem neuen Innenleben als Humboldt Forum wiederaufgebaut wird, sind neben vielen anderen Quellen auch die Zeichnungen und Kommentare des Christoph Pitzler für die praktischen Bau- und Bildhauerarbeiten von Interesse.

Veduten des Johann Stridbeck

Nicht nur Christoph Pitzler hat sich durch seine Darstellungen unsterblich gemacht, auch ein anderer Zeitgenosse tat dies durch herausragende Berliner Veduten - der Augsburger Zeichner, Kupferstecher und Verleger Johann Stridbeck der Jüngere (1665-1714). Er besuchte 1690/1691 die kurbrandenburgische Haupt- und Residenzstadt an der Spree und fertigte 20 Zeichnungen an, die von der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz verwahrt werden. Sie sind von herausragender Bedeutung für die Berliner Stadt- und Baugeschichte am Ende des 17. Jahrhunderts. Neben diesen Stadtansichten hat Stridbeck auch solche in Frankfurt an der Oder, Leipzig, München und anderen Städten geschaffen.

Die farbig lavierten Berlin-Blätter sind mit großer Sorgfalt angefertigt und beschriftet, denn sie waren als Vorlage für eine Kupferstichfolge gedacht. Leider kam der Plan wegen Pitzlers frühem Tod nicht zur Ausführung, und so gehören die querformatigen Darstellungen zu den wenigen Bildquellen für das Aussehen des Renaissanceschlosses vor dem barocken Umbau durch Andreas Schlüter und andere Barockmeister. Stridbeck hat neben den Schlossansichten auch Straßen und Plätze sowie Kirchen, aber von den mit Figuren und Brunnen geschmückten Lustgarten und die mit kleinen Kähnen befahrenen und von bescheidenen Brücken überspannten Kanäle gezeichnet, die die Stadt an der Spree malerisch durchzogen haben. Zu sehen sind längst verschwundene Bauwerke wie die Stadtmauer und ihre Tore, die nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) auf Befehl des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zum Schutz vor feindlichen Armeen erbaut wurden. Die Steinwälle und die kostbar verzierten Tore dienten aber auch der Kontrolle von Personen, die die Stadt besuchen oder sie wieder verlassen wollten. Zudem sollten sie das "Entweichen" von Soldaten unterbinden, die den Dienst bei der preußischen Fahne satt hatten. )

18. Juli 2017

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