Hoffnung für die Waisenbrücke?
Landesregierung hält Neubau für nicht dringlich, doch die Stiftung Stadtmuseum sehnt die Verbindung zur Innenstadt herbei



Die alte Pracht der Waisenbrücke aus der Kaiserzeit lässt sich kaum wiederherstellen, aber Anwohnern und Museumsbesuchern wäre auch durch eine einfachere Konstruktion geholfen. Postkarte um 1900



Die Waisenbrücke auf dem über 100 Jahre alten Foto führt direkt auf das Märkische Museum, links ist das Marinehaus zu erkennen, das für Zwecke der Stiftung Stadtmuseum hergerichtet wird, das Kaufhaus rechts existiert nicht mehr.



Der steinerne Roland vor dem Märkischen Museum sehnt die Waisenbrücke zurück, seit vielen Jahren schaut er auf Bäume und Rasen.



Die beiderseits der Spree befindlichen steinernen Widerlager zeigen, wo sich die Brücke befunden hat. (Foto/Repros: Caspar)

Wenn es nach Paul Spiers, dem Direktor der Stiftung Stadtmuseum, gehen würde, sollte die ehemalige Waisenbrücke bald wieder die Spree zwischen der Waisenstraße und Littenstraße und dem Köllnischen Park überqueren und so die dringend notwendige Verbindung von der Innenstadt zum Märkischen Museum und den dahinter liegenden Quartieren bilden. Das wäre eine wunderbare Anbindung des Köllnischen Parks mit dem gegenüber liegenden Viertel am Alten Stadthaus sowie rund um die Kloster- und die Parochialkirche und weiter zum Alexanderplatz und zum Humboldt Forum, für das Spies auch als Kurator tätig ist.

Leider geht es nicht nach Paul Spies, der sich durch den Neubau mehr Besucher des stadtgeschichtlichen Museums mit der auffälligen Backsteinfassade und dem steinernen Roland davor verspricht, denn die Entscheidungen für den Wiederaufbau der Waisenbrücke in der Gestalt aus der Kaiserzeit oder in einer modernen, abgespeckten Form muss die Landesregierung treffen. Diese aber schreckt vor den Kosten zurück und weist auf die vielen maroden Brücken in der Hauptstadt, deren Sanierung und Ertüchtigung für die Belange des 21. Jahrhunderts vordringlicher seien.

Die mit rotem Sandstein verkleidete Waisenbrücke wurde von 1892 bis 1894 errichtet. Sie ersetzte eine ältere, baufällig gewordene Holzbrücke mit Klappmechanismus zur Durchfahrt größerer Schiffe. Der Neubau wurde mit rotem Sandstein aus dem Maingebiet verkleidet, und die mit Säulen beschmückten mittleren Pfeilerköpfe erhielten wegen der schönen Aussicht kleine Balkons. Acht schmiedeeiserne Gaskandelaber warfen mildes Licht auf den aus Wappenschildern und Reliefs bestehenden plastischen Schmuck. Der Name der 21,5 Meter breiten und 91 Meter langen Brücke bezieht sich auf das in der Barockzeit erbaute "Große Friedrich-Hospital", das ein Pflegeheim für Alte, Kranke und Waisenkinder war und 1908 abgerissen wurde. Der Volksmund wusste von einem ungewöhnlichen Mord auf der Waisenbrücke zu erzählen, als er dichtete: "Einst gingen Herr Mücke und Frau Mücke über die Waisenbrücke. / Da stach eine Mücke Frau Mücke ins Genicke / Da nahm Herr Mücke seine Krücke und schlug die Mücke ins Genicke. / Das war der Mord auf der Waisenbrücke."

Nach ihrer Sprengung im Frühjahr 1945 durch Wehrmachteinheiten angesichts des Einmarsches der Roten Armee in die Reichshauptstadt wurde die Brücke behelfsmäßig repariert. Eine Trümmerbahn führte auf ihr vom kriegszerstörten Zentrum in die äußeren Bezirke der Stadt. Dieses 5,5 Meter breite Provisorium wurde 1960 angerissen, man brauchte es nicht, weil andere Brücken zur Verfügung standen. Die ehemaligen Anschlüsse für die Brücke blieben erhalten. Immer wieder gab es Überlegungen, den unbefriedigenden Zustand zu verbessern, doch hat sich bisher nichts getan. In der "Zwölften Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten" vom 15. März 2011 wurde zwar das Fehlen der Waisenbrücke als ungünstig für die Erreichbarkeit der nördlichen Luisenstadt konstatiert, doch hat man ihr eine nachrangige Priorität zugebilligt. Die Stiftung Stadtmuseum lässt nicht locker, sie hat 2016 im Märkischen Museum mehrere Veranstaltungen diesem Thema veranstaltet und hilft auch heute, dass das Thema in der Öffentlichkeit präsent ist. Auch wenn der Senat unlängst für den Wiederaufbau der Waisenbrücke keine "benennbare Realisierungsperspektive" sieht, hoffen ihre Freunde und Nutznießer auf einen Sinneswandel in der Landesregierung. Der Wiederaufbau könnte gern auch in moderner und abgespeckter Form erfolgen.

4. Mai 2017

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