Ort des Glaubens und des Widerstands
Was sich in DDR-Zeiten hinter den Mauern der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Zionskirche in Berlin ereignete



König Wilhelm I., der spätere deutsche Kaiser, stiftete 1861 aus Dankbarkeit, in Baden-Baden einem Attentat entgangen zu sein, 10 000 Taler für den Bau der Zionskirche. 1873 wurde das Gotteshaus in der Rosenthaler Vorstadt eingeweiht.



Ein von Karl Biedermann geschaffener und aus Bronze gegossener menschlicher Torso sowie eine Schrifttafel an der Westseite der Kirche erinnern an Dietrich Bonhoeffer, der kurz vor Kriegsende am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet wurde.



Bis heute sind die Spuren des Krieges und der Vernachlässigung im Inneren der Zionskirche zu sehen, aber die Restaurierung macht Fortschritte.



In der illegalen Druckerei der Zionskirchgemeinde wurden zahllose Flugblätter und Untergrundzeitschriften gedruckt. Als Ende 1987 Stasi und Polizei zuschlugen, hatte das für die DDR-Führung unangenehme Folgen




Eine Stele erinnert daran, dass die Zionskirche im Mittelpunkt Zuflucht und Ankerplatz der DDR-Opposition war. (Fotos/Repro: Caspar)

Die vom preußischen König und ab 1871 deutschen Kaiser Wilhelm I. gestiftete und nach Plänen des Architekten August Ort erbaute evangelische Zionskirche im Berliner Bezirk Mitte gehört zu den besonders eindrucksvollen Sakralbauwerken der in dieser Hinsicht nicht armen Hauptstadt. Mit einem riesigen Turm versehenen, konnte der Bau erst 1866 begonnen werden und kam nach Unterbrechungen mit der Weihe im Beisein Wilhelms I. 1873 zum glücklichen Abschluss. Im Stil der Neoromanik errichtet, ist die Zionskirche ganz aus Ziegelmauerwerk ein wichtiges Zeugnis des damals gepflegten Historismus.

Bedeutung erlangte das Gotteshaus im 20. Jahrhundert als Wirkungsstätte von Dietrich Bonhoeffer, der hier als Pastor tätig war und als entschiedener Vertreter der Bekennenden Kirche dem Nazi-System Widerstand leistete. Ein von Karl Biedermann geschaffenes Bronze-Denkmal erinnert an den aufrechten Theologen, eine zweite Fassung steht seit 1999 vor der Elisabethkirche in Breslau. Die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz erinnert in ihrem Haus II, Potsdamer Straße 33 (Tiergarten), an den Theologen und Widerstandskämpfer mit einer von Alfred Hrdlicka im Jahr 1977 geschaffenen Büste. Der aus einem mächtigen Marmorblock herauswachsende Kopf wurde der Bibliothek von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Ehrung für Dietrich Bonhoeffer

Karl Biedermann und Alfred Hrdlicka ehren einen unerschrockenen Mann, der die Deutschen zum mündigen Christsein ermutigte und zum Widerstand gegen die Schändung elementarer Menschenrechte durch die Nationalsozialisten aufrief. Bereits 1933 hatte der Pfarrer öffentlich die Nazihetze gegen Juden verurteilt. Der führende Vertreter der Bekennenden Kirche erklärte das Christentum mit NS-Rassenideologie für unvereinbar. 1943 wurde der mit Rede- und Schreibverbot belegte Geistliche verhaftet. Für ihn begann in Tegel, im Gestapo-Gefängnis Prinz-Albrecht-Straße und KZ Buchenwald eine quälend-lange Wartezeit, die mit seiner Ermordung in Flossenbürg kurz vor dem Untergang des NS-Regimes endete. Die Staatsbibliothek übernahm 1996 Bonhoeffers über die Nazizeit hinweg geretteten Nachlass.

Den Zweiten Weltkrieg hatte die Zionskirche beschädigt überstanden, aber ihre Mauern waren fest. Nach 1945 haben von Kälte bedrohte Menschen die Kirchenbänke zu Brennholz gemacht. Um Einbrüchen einen Riegel vorzuschieben, ließ die Gemeinde Fenster vermauern. Erst 2002 konnten sie wieder geöffnet werden. In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren notdürftig repariert, litt das monumentale Gotteshaus mit ursprünglich mehr als 1400 Sitzplätzen im Schiff und auf der Empore unter Schäden im Dach und an der Heizung. Diese wurden in den folgenden Jahrzehnten behoben, aber wer das Gebäude heute betritt, kann sehen, dass die Renovierung über 70 Jahre nach dem Ende des Krieges und der NS-Herrschaft noch lange nicht abgeschlossen sind. 1988 begann Instandsetzung des Daches und des 57 Meter hohen Turms. Nach der Wiedervereinigung konnte die Restaurierung der Außenfassade auch mit Hilfe des Bundes und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Angriff genommen werden. Die Glocken wurden wieder in den Turm gehängt und die defekten Fenster verglast.

Eine vor der Kirche aufgestellte Stele erinnert daran, dass die Zionskirchgemeinde in den späten Jahren der DDR Zuflucht für den Friedens- und Umweltkreis in der Zionsgemeinde und andere Oppositionelle bot. Der damalige Pfarrer Hans Simon stellte der Gruppe seine Kellerräume zur Verfügung. Hier wurden heimlich die Flugblätter sowie Umweltblätter und Untergrundzeitschriften gedruckt, die in tausenden Exemplaren überall im Land verteilt wurden. "Die einzige freie Druckerei der DDR produzierte in jenen Tagen rund um die Uhr Informationsschriften über die aktuelle Lage im Land sowie Erklärungen und Aufrufe oppositioneller Initiativen", ist auf der Stele mit einem Bild zu lesen, auf dem man einen jungen Mann an einer Druckerpresse arbeiten sieht.

Niederlage der DDR-Diktatur

Am 25. November 1987, vor nunmehr fast 40 Jahren, 1987 drangen Stasi und Polizei erstmals seit den fünfziger Jahren in kirchliche Räume ein, um das "Treiben" der dort tätigen Oppositionellen zu unterbinden und diese zu verhaften. Die Umweltbibliothek wurde gestürmt, und es wurden Drucktechnik sowie Drucksachen beschlagnahmt. Das Vorgehen der Sicherheitsleute ließ sich nichtgeheim halten. "Eine Mahnwache an der Zionskirche sowie landesweite und internationale Proteste ließen die Vorgänge zu einem medialen Ereignis werden. Westdeutsche Medien verbreiteten die Nachrichten und Bilder. Die DDR-Führung sah sich daraufhin gezwungen, die Festgenommenen freizulassen. Von dieser Niederlage konnte sich die DDR-Diktatur nie mehr ganz erholen."

Wie vor Ort weiter zu erfahren ist, wurden am 17. Oktober 1987 knapp 2000 Besucher eines inoffiziellen Konzertes der Westberliner Band "Element of Crime" und der DDR-Punkband "Die Firma" von etwa 30 Skinheads aus der rechten Szene der DDR überfallen und teilweise schwer verletzt. Stasi-Leute und Volkspolizisten, die die Kirche beobachteten, griffen trotz der Hilferufe der Konzertbesucher nicht ein. Die sich anschließende juristische Aufarbeitung endete mit milden Strafen für die Skinheads. SED und Regierung nutzten die Schauprozesse, um den Antifaschismus in der DDR zu betonen und die Existenz neofaschistische Tendenzen im Arbeiter-und-Bauern-Staat abzustreiten. Während die Verantwortung für den Überfall Westberliner Rechtsradikalen zugeschoben wurde, haben die Sicherheitsorgane ihre Anstrengungen verstärkt, nicht nur Regimekritiker zu unterwandern, sondern auch gegen die offiziell gar nicht existierenden rechtsextremen Gruppierungen vorzugehen. Diese konnten sich nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung 1989/90 erst richtig entfalten. Auch daran wird man sich beim Besuch der Zionskirche mit Schaudern erinnern.

28. Februar 2017

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