Querulanten in die Besserungsanstalt
Wer nicht parierte, bekam es mit den Aufsehern zu tun und musste hungern



Im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick erinnern diese Elendsgestalten aus der Barockzeit daran, dass es neben den Reichen und Schönen auch viele Menschen gab und gibt, denen es überhaupt nicht gut geht.



Nur denjenigen, die solche Armenabzeichen an der Kleidung trugen, war das Betteln gestattet. Wer sich nicht an die Vorschrift hielt, wurde aus der Stadt geworfen oder kam ins Gefängnis oder Arbeitshaus.



Mit ein wenig Musik und Gesang sowie dem Verkauf von Bildern und Flugblättern versuchte sich dieses Bettlerpaar Mitte des 19. Jahrhunderts über Wasser zu halten.



Der legendäre Eckensteher Nante bringt mit seinen launigen Sprüchen einen Berliner Polizisten aus der Fassung.



Wer im Obdachlosenasyl angelangt war, stand auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Leiter, vielfach war der Weg von hier ins Gefängnis nicht weit. (Foto/Repros: Caspar)

Die preußische Justiz war unerbittlich, wenn es um die Verfolgung von Menschen ging, die sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen die staatliche Ordnung auflehnten oder in diese einpassen wollten. Für so genannte Querulanten sowie "ungeratene" Kinder und Pflegebefohlene gab es Arbeitshäuser und Besserungsanstalten, in denen es alles andere als gemütlich zuging. So legte ein Reglement vom 30. September 1801 fest, dass Personen in diese Einrichtungen eingewiesen werden sollen, die bisher in Festungen und Zuchthäusern saßen. Bis zur "nachgewiesenen" Besserung sollten sie in Arbeitshäusern und ähnlichen Instituten festgehalten und zum Wohl des Staates tätig werden.

Das betraf nicht nur Personen, die schon einmal straffällig gewesen sind, sondern auch "ungerathne Kinder oder Pflegebefohlene", deren Eltern oder Vormünder sich ihrer in der Hoffnung entledigten, dass sie sich lieb und artig verhalten und nur das tun, von ihnen verlangt wird. Es gab auch Familien, die froh waren, wenn sie überzählige Esser durch Einweisung in diese Anstalten los wurden. Kaum eines der betroffenen Kinder leistete Widerstand, wie sollte es auch. Kontakt zur Außenwelt und Hilfe von dort war nicht möglich, so dass die Insassen solcher Einrichtungen sich kaum gegen Ausbeutung, Missbrauch und Quälerei zur Wehr setzen konnten. Laut Statut durften Kranke nicht in die Anstalten aufgenommen werden, dafür konnten sich aber Freiwillige melden, um dort sozusagen in geschützten Werkstätten ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dieses Begehren musste von der Armendirektion positiv befürwortet werden.

Brot, Bier und Wasser

Die Insassen wurden in drei Klassen unterteilt, die an der Kleidung in blauer, grauer und brauner Farbe zu erkennen waren. Für die Ausbesserung der Anstaltskleidung hatte jeder Insasse selbst zu sorgen. Differenziert war, je nach Klasse, auch die Beköstigung mit ein wenig Brot, Bier und Wasser bestand, das damals als Nahrungsmittel galt. An bestimmten Tagen wurde Gemüse, Suppe, Hering, Wurst, Kaldaunen, Salz zum Brot, Butter und Käse ausgeteilt. Es ist kaum anzunehmen, dass die Insassen der Arbeits- und Besserungsanstalten davon satt wurden.

Laut Reglement bestand die gewöhnliche Arbeit in Wollespinnen und der Vorbereitung der Schafschur zur weiteren Verarbeitung. Nach dem Aufstehen morgens um 4 Uhr musste man sich schnell anziehen, das Bett machen und um 5 Uhr im Arbeitssaal erscheinen. Zu sprechen war dort verboten. Lediglich waren Fragen an die Aufseher erlaubt, die sich direkt auf die Arbeit beziehen. Zwischendurch gab es Andachten, Pausen und Esseneinnahme. Gearbeitet wurde bis 19 Uhr, danach gab es wieder eine Andacht und zwei Freistunden.

Den Insassen der Arbeits- und Besserungsanstalt wurde "möglichste Reinlichkeit" befohlen, sie hatten auf etwaiges Ungeziefer zu achten und hatten sich, nach Geschlechtern getrennt, regelmäßig in ihren Freistunden zu waschen. Widersetzlichkeiten wurden schwer geahndet, und jeder Versuch, sich einzeln oder in Gruppen eigenmächtig in Freiheit zu setzen, so die damalige Formulierung, hatte exemplarische Strafen zur Folge. Diese konnte aus Einweisung in entlegene Strafplätze, Entzug von Freistunden, Herabsetzung der Wasser- und Brotrationen, körperliche Züchtigung durch Peitschenhiebe und "Ablieferung zum Zuchthause" bestehen. Die ordentlichen Gerichte hatten dann über die jeweiligen Delinquenten zu befinden und weitere Strafen anzuordnen. Neben Strafen sah das Reglement auch Belohnungen wie Verminderung des Arbeitssolls, besseres Essen, mehr Freistunden, Aufrücken in eine höhere Klasse sowie in bestimmten Fällen auch eine kleine Geldbelohnung vor.

Die Obrigkeit hielt die so genannten Gebesserten nach ihrer Entlassung aus dem Arbeitshaus streng unter Beobachtung. "Unter Mitwirkung der Vormünder und vormundschaftlichen Behörde muss die Veranstaltung getroffen werden, die zu entlassenden jungen Leute so bald als möglich bei Gewerksmeistern oder Herrschaften als Lehrlinge oder Gesinde unterzubringen. [...] Durch die genaueste Befolgung der in diesem Reglement enthaltenen Vorschriften wird die landesväterliche Absicht erreicht werden können, diejenigen, welche einer Besserung fähig sind, dem Müßiggange zu entziehen, vom Wege des Lasters abzuleiten und zu nützlichen Menschen umzubilden", schließt das von König Friedrich Wilhelm III. und drei Ministern unterzeichnete Reglement, das der Armendirektion alle Entscheidungen überließ, wie mit Menschen am untersten Ende der Gesellschaftshierarchie umzugehen ist und kein Wort darüber verliert, wie man ihnen anders als durch Zwang, Strafen, Prügel und Essensentzug beikommen kann.

Ein wenig Lohn für die Arbeit

Hundert Jahre später erhielten Zuchthäusler erstmals die Chance, während ihrer Haft ein wenig Geld zu verdienen, und auch sonst wurde einiges getan, um ihnen, wenn sie denn wieder in Freiheit sind, ein einigermaßen bürgerliches Leben zu ermöglichen. Oberstes Prinzip aber war, dass die Gefangenen ihre Strafe als "Übel" empfinden, wie es das Handbuch über die Gefängnisse der Justizverwaltung in Preußen aus dem Jahr 1900 formuliert. "Durch die Beschäftigung werden sie an eine regelmäßige Tätigkeit, an Ordnung und Gehorsam gewöhnt. Die Teilnahme an dem Arbeitsverdienste bringt ihnen einen Gewinn, der sie den Wert der Arbeit schätzen lehrt und Neigung und Liebe dafür in ihnen erweckt und nährt." Im damals gerade erst eröffneten Strafgefängnis Tegel wurden Werkstätten für Schlosser, Schmiede, Klempner und Tischler eingerichtet. Außerdem waren Gefangene in der Gärtnerei, der Anstaltsküche, Wäscherei und Bäckerei beschäftigt. Es gab sogar eine gefängniseigene Druckerei, Buchbinderei und Schneiderei, die für den Eigenbedarf, aber auch für Berliner Privatbetriebe tätig waren. Alle diese Einrichtungen hatten viel zu tun, denn es mussten bis zu 6000 Gefangene versorgt werden. Schließlich wurden Bauten auf dem Gefängnisgelände von Strafgefangenen errichtet und/oder ausgestattet, was sich ebenfalls kostensparend auf die Justizverwaltung auswirkte.

Die Gefangenen bekamen am Tag bei einer Arbeitszeit bis zu elf Stunden wenige Groschen Lohn. Ein Buchbinder erhielt zwischen 15 und 30 Pfennig, und wenn jemand in der Gefängnisverwaltung eingesetzt war, konnte er täglich mit 20 Pfennigen rechnen. Mehr als 50 Pfennig täglich zu verdienen, war laut Gefängnisordnung nicht erlaubt. Vorgesetzte waren beamtet und konnten, wenn sie den Rang eines Werkmeisters innehatten, zwischen 1200 und 1800 Mark im Jahr verdienen. Der Lohn lag entschieden höher als der von normalen Facharbeitern, die sich mit einem Jahreslohn von etwa 900 Mark zufrieden geben mussten.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde in Tegel, und nicht nur dort, auch für den Krieg produziert, aber auch Altmaterialien zerlegt und aufbereitet sowie Drucksachen für Behörden aller Art hergestellt. Mit Blick auf den Bedarf an Fallschirmseide kurbelte der NS-Staat den seit dem frühen 19. Jahrhundert brach liegenden Anbau von Maulbeerbäumen und die Zucht von Seidenraupen wieder an. Besonders makaber ist, dass in der Schlosserei jene Fallbeile hergestellt wurden, mit denen Regimegegner und andere Personen in Plötzensee und an anderen Orten hingerichtet wurden.

27. April 2017

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