"Prächtiges altes Perückengesicht"
Johann Sebastian Bach aus Stein und Bronze begegnet uns in Leipzig immer wieder



Etwas altbacken aber zeitgemäß wirkt das steinerne Bachdenkmal von 1843 auf dem Dittrichring, nicht weit von der Leipziger Thomaskirche entfernt.





Das Bachdenkmal vor der Thomaskirche lässt nicht erkennen, dass der große Meister mit dem Rat zu Leipzig kleinliche Fehden ausfechten musste. Auf der Rückseite des Orgelpositivs ist die ursprüngliche Thomasschule abgebildet.





Die Tafeln am Thomashaus im Leipziger Thomaskirchhof von 1903/4 ehren Anna Magdalena Bach und Johann Sebastian Bach, die in der Thomasschule gelebt und gearbeitet haben.



In der Nikolaikirche sind eine Büste und eine Gedenktafel dem großen Thomaskantor und Barockkomponisten Johann Sebastian Bach gewidmet. Auch dieses Gotteshaus war von 1723 bis 1750 eine Wirkungsstätte von Bach.



Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR ehrten Johann Sebastian Bach in den Jahren 2000 und 1975 auf unterschiedliche Weise mit silbernen Gedenkmünzen. (Fotos: Caspar)

Einen stechenden Schmerz verspürte Robert Schumann immer dann, wenn er den Leipziger Johannisfriedhof aufsuchte und vergeblich nach dem Grab von Johann Sebastian Bach Ausschau hielt. 1836 schrieb der Komponist und Musikschriftsteller in der "Neuen Zeitschrift für Musik", er habe viele Stunden kreuz und quer nach der Ruhestätte geforscht, doch einen "J. S. Bach" habe er nicht gefunden. "Und als ich den Totengräber darum fragte, schüttelte er über die Obskurität des Mannes den Kopf und meinte: Bach gäbs viele". Dass er keine Blume auf das Grab legen konnte, verdross den Komponisten und Musikschriftsteller, und die Leipziger von 1750, dem Todesjahr des Thomaskantors, fielen in seiner Achtung.

Tatsächlich war Bach in Leipzig ein Vergessener, seine Musik galt als nicht mehr zeitgemäß. Die Obrigkeit hielt ihrem Angestellten vor, seinen Pflichten als Kantor nur unzureichend zu erfüllen. Als er am 28. Juli 1750 gestorben war, wurde seine Stelle neu ausgeschrieben mit den Worten "Herr Bach wäre zwar wohl ein großer Musicus aber kein Schulmann gewesen, müsste dahero bey Ersetzung dessen Dienst, als Cantor in der Thomas Schule auf eine Person gesehen werden, die zu beyden geschickt sey". Und um auf die Geringschätzung noch eins draufzugeben, wurden Bachs Frau Maria Magdalena zustehende Zahlungen verweigert. Sie starb zehn Jahre nach ihrem Mann in Armut. Kein Wunder, dass Robert Schumann seine Suche nach Bachs durch keinen Stein gezeichnetes Grab aufgeben musste und er den Zeitgenossen des großen des berühmten Wahl-Leipzigers gram war.

Musikfreunde sammelten Geld

Einige Jahre später hatte Schumann guten Grund, den Musikfreunden in der Messe- und Universitätsstadt, und nicht nur ihnen, zu danken. Denn der Wind hatte sich gedreht, Johann Sebastian Bach war neu entdeckt. So fiel Idee, ihm einen Denkstein zu errichten, auf fruchtbaren Boden. Zu Spenden wurde aufgerufen, und Musikfreunde gaben ihr Scherflein - acht Groschen pro Person -, um den Barockmeister durch ein Denkmal zu ehren, das erste von mehreren bemerkenswerten Monumenten, die an den großen Meister der Barockmusik und Thomaskantor erinnern.

Die Idee für ein Bachdenkmal am Ort seines längsten beruflichen Wirkens von 1723 bis zu seinem Tod 1750 geht indes nicht auf Schumann, sondern auf Felix Mendelssohn Bartholdy zurück. Der junge Gewandhauskapellmeister hatte sehr zeitig, vom Direktor der Berliner Singakademie Carl Friedrich Zelter angeregt, schon frühzeitig Bachs Musik in sich aufgesogen und war Zeit seines Lebens von ihr nicht mehr losgekommen. Versteht sich, dass er im Leipziger Gewandhaus zahlreiche Werke des Meisters aufführte. Im Jahre 1840 bemängelte er, und darin war er sich mit Schumann einig, dass in der Messestadt bisher kein einziges äußeres Zeichen auf Bach hinweist. "Da aber in der jetzigen Zeit sein Geist und seine Werke mit neuer Kraft hervortreten, und die Theilnahme dafür in den Herzen aller wahren Musikfreunde nie verlöschen wird, so ist zu hoffen, dass ein solches Unternehmen bei den Bewohnern Leipzigs Anklang und Beförderung finden möge". Da die damaligen Staaten, und das waren bis auf die deutschen Hansestädte ausschließlich Fürstentümer, zumeist nur hochadlige Potentaten und Militärs durch Standbilder unter freiem Himmel ehrten, lag es an der Bürgerschaft, auf diese Weise auch an Künstler und Gelehrte zu erinnern. Das 19. Jahrhundert entwickelte sich erst langsam auf diese Weise zu einem Jahrhundert der Denkmäler.

Mendelssohns Benefizkonzert

Um das Denkmalprojekt auf den Weg zu bringen, trug der als Komponist und Organist glänzende Mendelssohn in Bachs langjähriger Wirkungsstätte, der Thomaskirche, am 6. August 1840 mehrere Werke dieses Meisters mit dem Ziel vor, den Erlös für die Errichtung des Gedenksteins zu verwenden. Seiner Mutter schrieb der 31jährige: "Am Donnerstag habe ich hier in der Thomaskirche ein Orgelconcert gegeben, von dessen Ertrag der alte Sebastian Bach einen Denkstein hier vor der Thomasschule bekommen soll. Ich gab's solissimo, und spielte neun Stücke, zum Schluss eine freie Fantasie". Über 300 Taler seien "rein übrig geblieben". Er wolle sich noch einmal "einen solchen Spaß" machen, "und dann kann schon ein zierlicher Stein gesetzt werden."

Aufgerichtet wurde eine - heute in der Grünanlage auf dem Dittrichring mitten in Leipzig nicht weit von der Thomaskirche stehende - Bildsäule "im gotischen Geschmack", versehen mit einem eher hausbacken gestalteten Bachkopf und seitlichen Reliefs, die an die Tätigkeit des Künstlers als Organist, Kirchenmusiker und Thomaskantor erinnern. Sie sei bescheiden, werde aber dauern, meinte die Neue Zeitschrift für Musik über die am 23. April 1843 beim Klang Bachscher Choräle enthüllte Säule, die, vom Bildhauer Hermann Knaur nach einem Entwurf des Berliner Historienmalers Eduard Bendemann geschaffen, mit dem an mittelalterliche Kirchen erinnernden Krabben- und Fialenschmuck ganz und gar nicht zum barocken Glanz des von Bach geschaffenen Oeuvres passt. Mendelssohn indes war beglückt und beschrieb der Mutter seine Empfindungen beim Anblick des Monuments: "Vorgestern war Bendemann hier, um es noch einmal zu besichtigen, und die vielen Säulen und Säulchen und Schnörkel, vor allem die Basreliefs und das alte prächtige Perückengesicht, prangten frei im Sonnenschein und machten mir große Freude."

Thomaskantor greift in die Tasten

Die Messestadt, wo erst 1894 Bachs Gebeine aufgefunden wurden, leistete sich 1908, wiederum von zahlreichen Spendern unterstützt, ein weiteres, diesmal sehr repräsentatives Bronzedenkmal. Carl Seffner, dem wir auch das Denkmal des jungen Goethe vor der Handelsbörse am Leipziger Naschmarkt verdanken, lässt den vor der Thomaskirche stehenden Kantor in die Tasten eines seitlich aufgestellten Orgelpositivs greifen. Für das markantes Haupt unter wallender Perücke hat der Bildhauer einen Bach zugeschriebenen Schädel verwendet. Ursprünglich sollte Bach einen Taktstock in der Hand halten, doch hat man darauf verzichtet, weil dieses Utensil erst im 19. Jahrhundert gebräuchlich wurde. Auf einen Gag verzichtete Seffner allerdings nicht - ein Schnupftuch ragt aus der ausgekehrten Tasche des gestickten Staatsrocks und deutet so auf die alles andere als rosige Finanzlage des Thomaskantors und vielfachen Vaters hin. Auf der Rückseite der kleinen Orgel sind die Jahreszahlen 1723 und 1750 von Bachs Amtstätigkeit in Leipzig sowie eine Darstellung der alten, 1902 abgebrochenen Thomasschule am Thomaskirchhof dargestellt. Dort am Neubau angebrachte Tafeln ehren Bach und seine zweite Frau Anna Magdalena Bach, der ihr Mann ein berühmtes Notenbüchlein gewidmet hat.

Erwähnt seien an dieser Stelle weitere Bach-Denkmäler unter freiem Himmel, so in Köthen, wo Johann Sebastian Bach von 1717 bis zu seiner Übersiedlung nach Leipzig 1723 als FÜRSTL. CAPELLMEISTER tätig war, so die Inschrift unter der von dem Bildhauer Heinrich Pohlmann geschaffenen Büste. Vor dem Bachhaus am Frauenplan in Eisenach steht das von Adolf von Donndorf geschaffene Standbild von 1884, das bis 1939 den Platz vor der Georgenkirche schmückte. Dass es sich bei dem so genannten Bachhaus in Eisenach um das Geburtshaus des Komponisten handelt, ist eine nicht ausrottbare Mär, denn tatsächlich kam Johann Sebastian 1685 in einem Haus in der heutigen Lutherstraße auf die Welt. Im Jahr 1985 wurde auf dem Marktplatz zu Arnstadt ein von Bernd Göbel geschaffenes Bach-Denkmal errichtet, das von den üblichen Darstellungen abweicht. Dargestellt ist überlebensgroß der etwa Zwanzigjährige auf einem Würfel sitzend, wie er ganz gelöst die Beine von sich streckt und mit Interesse das Geschehen um sich herum beobachtet.

Ehrung auch für Mendelssohn

Bliebe zu sagen, dass es ein gebürtiger Leipziger, Richard Wagner, in seiner Heimatstadt nicht auf den Denkmalsockel geschafft hat. Zwar wurde 1903, zwanzig Jahre nach seinem Tod, ein Aufruf veröffentlicht, wonach Leipzig gehalten sei, eine alte Ehrenschuld gegenüber Wagner abzutragen, doch blieb es bei dem Vorsatz. Im gleichen Jahr wurde im Berliner Tiergarten auf Initiative des Parfümfabrikanten und Musikliebhabers Johann Ludwig Leichner ein protziges Marmormonument nach einem Modell von Gustav Eberlein errichtet. Kaiser Wilhelm II., der mit Wagner wenig anzufangen wusste, sorgte immerhin dafür, dass der in Marmor geformte Minnesänger Wolfram von Eschenbach dem auf hohem Sockel thronenden Komponisten huldigt. In der Nazizeit hat der Wagner-Verehrer Adolf Hitler zwar in Leipzig den Grundstein für ein Richard-Wagner-National-Denkmal gelegt, doch blieb es bei dem Vorhaben. So ist Wagners Geburtsstadt immer noch in der Bringeschuld. Immerhin wurde der ebenso geliebte wie unverstandene und verachtete Künstler zum hundertsten Geburtstag im Jahr 1913 dadurch geehrt, dass man seine Marmorbüste in der Walhalla bei Regenstauf aufstellte - zwischen Bismarck und Moltke sowie Bach und Justus von Liebig.

Leipzig ehrte 1892 den aus Berlin stammenden Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy vor dem Alten Gewandhaus mit einem repräsentativen Standbild aus Bronze, das die Nazis aus Gründen des Rassenhasses abreißen ließen. Nach historischen Bildern konnte das Monument originalgetreu nachgeschaffen und 2008 auf dem Dittrichring neu aufgestellt werden. In dieser Präsentation ist es, als würde Mendelssohn seinem großen Meister direkt in die Augen schauen.

Siehe auch Eintrag vom 16. Dezember 2017)

18. Dezember 2017

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