Kunst auf der Schlachtbank
Vandalismus und Bilderstürmerei sind keine Erfindung unserer Tage, sondern wurden schon im Altertum auf brutale Weise praktiziert





Was sich im 16. Jahrhundert im Namen der Lutherschen beziehungsweise der Calvinistischen Reformation tätige Bilderstürmer erlaubten, war Gegenstand drastischer Pamphlete und Grafiken.

Mehrfach wurde Rom in seiner langen Geschichte belagert und ausgeraubt. Sagenhafte Schätze fielen den Eroberern der Ewigen Stadt in die Hände, herrliche Zeugnisse der Architektur und Skulptur sowie unzählige Gemälde, Juwelen und Manuskripte gingen in einer Orgie von Blut und Gewalt zugrunde. So war es auch im Jahre 455, als das Weströmische Reich unter der Führung des Königs der Vandalen, Geiserich, geplündert wurde. Zuvor hatten sich seine Truppen schon in Spanien und Nordafrika bedient. Die Worte der Chronisten reichten nicht aus zu schildern, was sich dabei abspielte - Raub, Mord, Vergewaltigung, sinnlose Zerstörung, wohin das Auge reichte. sah. Auch anderen kriegerischen Völkern wie den Wikingern, Hunnen, Tartaren und Goten hat man ähnliche barbarische Akte nachgesagt.

Die Klage über Gewalt gegen Bauwerke, Skulpturen, Gemälde und andere Zeugnisse menschlicher Schöpferkraft, und nichts anderes ist Vandalismus, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Der erste namentlich bekannte Bilderstürmer war der ionische Hirte Herostratos, der im Jahr 356 vor Christus den Tempel der Artemis in Ephesos in Brand gesetzt haben soll, um seinen Namen in die Geschichte einzuschreiben. Persische Großkönige und ägyptische Pharaonen brachten Kunst auf die Schlachtbank, richteten schreckliche Verwüstungen in Tempeln und Palästen ihre Gegner an, ließen Götter- und Königsbilder umstürzen. Inschriften wurden herausgeschlagen und neue angebracht, mit denen sich die Eroberer feiern ließen. Die Römer raubten in besetzten Ländern alles, was in ihre Tempel, Villen und Paläste passte, und zerstörten die in ihre Hände gefallenen Reste. Mit großer Kraftanstrengung haben sie ägyptische Obelisken als Siegeszeichen verschleppt und auf zentralen Plätzen in Alexandria, Rom und Konstantinopel neu aufgestellt. Zuletzt raubte der faschistische Diktator Mussolini aus Abessinien solche nadelförmigen Steinzeichen, und es bedurfte nach dem Zweiten Weltkrieg langwieriger Verhandlungen, bis der italienische Staat sie wieder zurückgab.

Jagd auf Heiligenbilder

Blickt man in die Geschichte der Neuzeit, stößt man auf die Konquistadoren, die in Amerika, das man damals noch Neue Welt nannte, auf der Suche nach Goldschätzen nicht nur unzählige Menschen niedermetzelten, sondern auch hoch entwickelte Kulturen vernichteten. Dahinter verbarg sich eine Absicht, denn die Kolonialherren raubten den unterworfenen Völkern ihre Geschichte und zwangen ihnen den eigenen christlichen Glauben auf und machtes sie von sich abhängig. Fremde Götter und ihre Bilder hatten in dieser Politik mit Feuer, Schwert und Kreuz keinen Platz.

In der Zeit nach Luthers Thesenanschlag vor 500 Jahren sind fanatische Ikonoklasten, wie man die Bilderstürmer auch nennt, durch Kirchen und Klöster gezogen und haben Heiligenfiguren, Altarbilder und andere Kunstwerke mutwillig zerstört. Dazu riefen reformatorischer Theologen und Obrigkeiten, die Luthers Lehre angenommen hatten, auf, und viele Menschen glaubten, damit ein gottgefälliges Werk zu tun. Bilderstürmerei gab es im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation einschließlich der Schweiz und den Burgundischen Niederlanden. Betroffen waren auch Schottland und England während des Bürgerkriegs in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Bei allen diesen Aktivitäten landeten unschätzbare Werte auf dem Scheiterhaufen oder in den Schmelztiegeln. Was erhalten blieb, wird heute in Gotteshäusern und Museen ehrfürchtig betrachtet. Das gilt auch für farbige Kirchenfenster, die man in maßlosem Reinigungseifer zerschlagen hat. Wo man keinen Ersatz herbeischaffen konnte, ließ man die Bilder nolens volens im Rahmen, und als sich seit der Zeit der Aufklärung die Einstellung zu sakraler Kunst gewandelt hatte, war man glücklich, dass sie erhalten geblieben ist. Das gilt auch für viele als überflüssig und politisch nicht korrekt empfundene Skulpturen aller Art sowie für Bücher, die mitunter in dunklen Verliesen die Zeiten überstanden haben.

Ein Zentrum der von reformatorischem Eifer geprägten Bilderstürmerei war Wittenberg. Dort forderte der Theologe und Reformator Andreas Bodenstein genannt Karlstadt Anfang 1522: "Es sollen auch die Bilder und Altäre in der Kirche entfernt werden, um Abgötterei zu vermeiden, drei Altäre ohne Bilder sollen vollauf genügen". Daraufhin kam es zu tumultartigen Szenen in der Wittenberger Stadtkirche, deren kostbare Ausstattung an Bildern und Skulpturen vernichtet wurde. Luther verurteilte den Vandalenakt und sorgte dafür, dass wenigstens in seinem unmittelbaren Einflussgebiet wertvolle Kirchenausstattungen erhalten blieben.

Die Stunde des Denkmalschutzes

Aus der Zeit der französischen Revolution nach 1789 ist überliefert, wie der Mob durch die Kathedralen und Paläste des verhassten Ancien régimes zog und Heiligenfiguren und Herrscherstatuen als Monumente der vergangenen Kirchen- und Königsherrschaft enthauptete sowie Gemälde, Bücher und Möbel, ja ganze Schlösser vernichtete. Bronzene Standbilder wurden vom Sockel gestoßen und in Kanonen umgegossen. Erst als bereits vieles vernichtet war, kamen einsichtige Leute zur Besinnung, sammelten die Überbleibsel ein und riefen zur Besonnenheit auf. Um 1800 schlug in Frankreich und anderen Ländern die Stunde des Denkmalschutzes, dessen Vertreter davor warnten, man könne eines Tages nackt und kahl ohne die wunderbaren Monumente der Vergangenheit da stehen, wenn man weiter so unbekümmert und respektlos mit ihren umspringen würde.

Aus der Zeit der französischen Revolution stammt der Begriff Vandalismus. Als Wortschöpfer gilt Henri Grégoire, dem Bischof von Blois. In einem Bericht an den französischen Konvent erinnerte er 1794 an vandalische Untaten in grauer Vorzeit und beklagte neuerliche Vernichtungsorgien. Angemerkt sei, dass es schon im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) den Begriff des "furor Gothicorum et Vandalorum" gab, womit der Schrecken der Goten und Vandalen gemeint war. Damit wurden die Untaten schwedischer Soldaten gemeint, deren König Gustav Adolf den Titel eines Königs der Goten und Vandalen führte.

Wir Deutschen haben auch eine Periode des Vandalismus hinter uns. 1933 haben die Nazis aus politischen und rassistischen Gründen verbotene Bücher in die Scheiterhaufen geschleudert und bald darauf so genannte entartete Gemälde und Skulpturen aus den Museen entfernen lassen. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden unzählige kulturhistorisch wertvolle Bau- und Kunstwerke systematisch zerstört und ausgeraubt. Nicht zu vergessen die Raubzüge der Wehrmacht in Museen und Sammlungen der okkupierten Länder mit dem Ziel, Hitlers "Führermuseum" in Linz mit hochkarätigen Kunstwerken sowie die Sammlungen hoher Nazi-Funktionäre zu bestücken. Die Nationalsozialisten benahmen sich in den besetzten Ländern wie die Vandalen und zerstörten, was ihnen in die Hände fiel mit dem Ziel, die nationale und kulturelle Identität der unterjochten Bevölkerung zu zerstören und sie von den Eroberern abhängig zu machen.

Friede den Hütten, Krieg den Palästen

Kommunistischen Bildersturm gab es unter dem Motto "Frieden den Hütten, Krieg den Palästen" in der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR, als politisch unliebsame Denkmäler gestürzt sowie im Krieg beschädigte Schlösser, aber auch noch intakte Gutshäuser abgerissen wurden. Vandalische Akte gab es auch in der Bundesrepublik Deutschland, wo historische Bauten der Modernisierung der Städte geopfert wurden. Natürlich muss man bei uns die mit der Sehnsucht nach der "autogerechten" Stadt sowie nach modernen, lichten und grünen Wohnbereichen begründeten Flächenabrisse als Akte des Vandalismus, als staatlich sanktionierte und auch von Teilen der Bevölkerung unterstützte Gewalt gegen das als alt, verstaubt und wertlos abqualifizierte kulturelle Erbe bezeichnen. Es gibt Berechnungen, wonach in unserem Land mehr Schaden am baulichen Erbe durch den "Modernisierungsvandalismus" angerichtet wurde als durch Kriegshandlungen.

Politisch motiviert waren spektakuläre Abrisse in der DDR von Schlössern, Gutshäusern und Kirchen, wobei die Gewalt mit unbezahlbaren Wiederaufbaukosten und Stadtgestaltungsmaßnahmen begründet wurde. Als Deutschland endlich wieder eins war, hat man sich unliebsamer Polit-Denkmäler entledigt, sie aber im Gedenken an frühere schlimme Fehler nicht zerstört, sondern nur in die Depots und Museen geschafft, wie das Beispiel des Berliner Lenindenkmals lehrt, dessen Kopf in der Spandauer Zitadelle gezeigt wird. Politisch motiviert, aber mit zu hoher Asbestbelastung begründet wurde der Abriss des Palasts der Republik in Berlin. Dort entsteht zur Zeit das Humboldt Forum mit der Barockfassade des 1950 auf Befehl des damaligen SED-Chefs Walter Ulbricht abgerissenen Hohenzollernschlosses. Als brandenburgischer Landtag wird seit einiger Zeit das wieder aufgebaute Potsdamer Stadtschloss. Es ist geplant, auch die 1968 aus den gleichen politischen Gründen gesprengte Garnisonkirche wenige hundert Meter weiter wieder aufzubauen. Die Rekonstruktion zunächst des Turms soll im Herbst 2017 in Angriff genommen werden.

In Afghanistan, dem Irak, in Syrien und anderen Ländern kamen und kommen religiös verbrämte Gewaltakte gegen wertvolles Kulturgut vor. Zum Inbegriff brutaler Vernichtungsaktionen wurden im Irak die Kulturstätten aus der assyrischen Zeit in Mossul. Große Teile dieses Weltkulturerbes wurden im Februar 2015 von IS-Terroristen zerstört. Um Geld für den Kauf von Waffen zu beschaffen, haben IS-Leute zudem geraubte Kunstwerke in den internationalen Kunsthandel geschleust. Weltbekannt und weltweit verurteilt wurde auch die Sprengung der in Afghanistan befindlichen Buddha-Statuen von Bamiyan im März 2001 durch die Taliban. Jetzt wird versucht, die bis 53 Meter hohen, auf der Welterbeliste der UNESCO vermerkten Steinbildwerke anhand der Reste wieder zusammenzusetzen.

26. Juni 2017

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