Blockade schreckte Insulaner nicht
Stalins aggressiver Einschüchterungsversuch von 1948/49 war schmerzhaft, stärkte aber den Zusammenhalt der Berliner





Ein von den 1948/49 bei der Versorgung Berlins durch die Luft eingesetzter "Rosinenbomber" vom Typ C 47 Skytrain fand 1999 auf dem Dach des Deutschen Technikmuseums nicht weit vom Potsdamer Platz Aufstellung.



Die Büste im Berliner Roten Rathaus ehrt Ernst Reuter, den unermüdlichen Kämpfer für Freiheit und Recht.



Das Luftbrückendenkmal vor dem stillgelegten Flughafen Tempelhof erinnert an die Hilfe, die die Westmächte den eingeschlossenen Berlinern während der von Stalin verhängten Blockade 1948/49 zukommen ließen.



Von der Pferdegruppe an der Berliner Clay-Allee steht eine zweite Version im Innenhof der George-Bush-Bibliothek der Texas A & A Universität. (Fotos/Repro: Caspar)

Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs war die in Potsdam beschworene Friedensordnung brüchiger denn je. Es war Kalter Krieg, und ein heißer drohte auszubrechen. Die Gegensätze zwischen Ost und West prallten in der Viersektorenstadt Berlin besonders scharf aufeinander. Über die von den USA, Großbritannien und Frankreich verwalteten Westsektoren mit etwa zwei Millionen Bewohnern verhängten die Sowjets unmittelbar nach der Einführung der Deutschen Mark eine letztlich erfolglose Blockade.

Ausgangspunkt der Abriegelung, die die vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 dauerte und offiziell noch bis zum 30. September 1948 aufrecht erhalten wurde, war die Einführung der Deutschen Mark in den Westsektoren. Die westdeutschen Geldscheine erhielten ein großes B für Berlin aufgedruckt. Stalin empfand die Maßnahme als Provokation, unterstrich sie doch die Zugehörigkeit der Westsektoren zu den Westzonen, aus denen am 23. Mai 1949 die Bundesrepublik Deutschland durch Verkündung des Grundgesetzes hervorging. Wenn es nach dem sowjetischen Diktator gegangen wäre, sollte West-Berlin in den Geltungsbereich der Ostmark und damit seinem eigenen Machtbereich einbezogen werden, was für die Westalliierten natürlich nicht infrage kam.

Hilfe wird dankbar angenommen

Die von den Sowjets verfügte Blockade der Land- und Wasserwege sowie die Unterbrechung der Stromversorgung wurden von den Westmächten durch eine mit großem personellem und technischem Aufwand betriebene Luftbrücke beantwortet, das heißt die Versorgung der abgeriegelten Stadt mit Hilfe von Flugzeugen. Niemand wusste, wie lange die brutale Abriegelung dauern wird. Der West-Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter räumte alle Skepsis gegenüber dem amerikanischen Militärgouverneur in Deutschland, Lucius D. Clay, mit den Worten aus "Herr General, es kann überhaupt keine Frage sein, wo die Berliner stehen; die Berliner werden für ihre Freiheit eintreten und werden jede Hilfe, die ihnen angeboten werden, dankbar annehmen." Diese Aussage war wichtig, weil selbst Clay nicht ganz davon überzeugt war, ob die Versorgungsflüge ausreichen und ob sich die ausgehungerten West-Berliner nicht auf Hilfsangebote der Sowjets einlassen werden.

Bei der spektakulären Luftbrücke wurden an 462 Luftbrückentagen bei über 277 000 Versorgungsflügen fast zwei Millionen Tonnen lebensnotwendige Güter - Nahrungsmittel, Brennstoff, Medikamente, Zeitungspapier usw. - nach Tempelhof, Gatow und Tegel geschafft und von dort auf die Bewohner der Westsektoren verteilt. Die Hilfe reichte knapp zum Überleben. Not und Hunger machten sich breit, Missmut und Verzweiflung, aber auch trotziger Beharrungswillen waren nicht zu übersehen. Vergeblich unterbreitete die östliche Besatzungsmacht den Eingeschlossenen Lockangebote. Gegen Vorlage ihres Personalausweises konnten sie zwischen dem 26. Juni und 3. August im Ostsektor Lebensmittelkarten beantragen, doch nahmen davon nur 95 000 Menschen Gebrauch.

Berlin ist kein Tauschobjekt

Vor der Ruine des Reichstagsgebäudes protestierten am 9. September 1948 rund 300 000 Berliner gegen die Blockade. Großer Beifall brandete auf, als Oberbürgermeister Ernst Reuter die historischen Worte sprach: "Wir leben in einer Pause. In dieser Pause glauben wir, dass es gut ist, wenn die Welt sieht, was das Volk von Berlin wirklich will. Morgen, übermorgen wird man verhandeln über die italienischen Kolonien. Ich weiß nicht, worüber man dann noch verhandeln will. Wir wollen nur eines klar sagen: In all diesem Handeln und Verhandeln wollen wir Berliner kein Tauschobjekt sein! Uns kann man nicht eintauschen, uns kann man nicht verhandeln, und uns kann man auch nicht verkaufen. Es ist unmöglich, auf dem Rücken eines solchen tapferen, standhaften Volkes einen faulen Kompromiss zu schließen. Gewiss, Kompromisse sind der Inhalt jeder lebendigen Politik, aber Kompromisse müssen echte und ehrliche Kompromisse sein. Sie dürfen nicht so geschlossen werden, wie jene telefonischen Vereinbarungen in der Nacht zwischen dem französischen General und dem russischen General, wo der russische General sein Ehrenwort bricht."

Reuter fuhr fort: "Wir möchten der SED nur einen Rat geben: Wenn sie ein neues Symbol braucht, bitte, nicht den Druck der Hände, sondern die Handschellen, die sie den Berlinern anlegten. Die Handschellen, die sind in Wirklichkeit das Symbol dieser erbärmlichen Kümmerlinge, die für dreißig Silberlinge sich selbst und ihr Volk an eine fremde Macht verkaufen wollen. Wenn heute dieses Volk von Berlin zu Hunderttausenden hier aufsteht, dann wissen wir, die ganze Welt sieht dieses Berlin. Denn verhandeln können hier schon nicht mehr die Generale, verhandeln können schon nicht mehr die Kabinette. Hinter diesen politischen Taten steht der Wille freier Völker, die erkannt haben, daß hier in dieser Stadt ein Bollwerk, ein Vorposten der Freiheit aufgerichtet ist, den niemand ungestraft preisgeben kann. Wer diese Stadt, wer dieses Volk von Berlin preisgeben würde, der würde eine Welt preisgeben, noch mehr, er würde sich selber preisgeben, und er würde nicht nur dieses Volk von Berlin preisgeben in den Westsektoren und im Ostsektor Berlins. Nein, wir wissen auch, wenn sie nur könnten, heute stünde das Volk von Leipzig, von Halle, von Chemnitz, von Dresden, von all den Städten der Ostzone, so wie wir auf ihren Plätzen und würde unserer Stimme lauschen."

Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt

Ernst Reuter gab der SED im Osten Deutschlands diesen Rat: "Wenn sie ein neues Symbol braucht, bitte, nicht den Druck der Hände, sondern die Handschellen, die sie den Berlinern anlegten. Die Handschellen, die sind in Wirklichkeit das Symbol dieser erbärmlichen Kümmerlinge, die für dreißig Silberlinge sich selbst und ihr Volk an eine fremde Macht verkaufen wollen. Wenn heute dieses Volk von Berlin zu Hunderttausenden hier aufsteht, dann wissen wir, die ganze Welt sieht dieses Berlin. Denn verhandeln können hier schon nicht mehr die Generale, verhandeln können schon nicht mehr die Kabinette. Hinter diesen politischen Taten steht der Wille freier Völker, die erkannt haben, daß hier in dieser Stadt ein Bollwerk, ein Vorposten der Freiheit aufgerichtet ist, den niemand ungestraft preisgeben kann. Wer diese Stadt, wer dieses Volk von Berlin preisgeben würde, der würde eine Welt preisgeben, noch mehr, er würde sich selber preisgeben, und er würde nicht nur dieses Volk von Berlin preisgeben in den Westsektoren und im Ostsektor Berlins. Nein, wir wissen auch, wenn sie nur könnten, heute stünde das Volk von Leipzig, von Halle, von Chemnitz, von Dresden, von all den Städten der Ostzone, so wie wir auf ihren Plätzen und würde unserer Stimme lauschen."

Die flammende Ansprache, in der sich die Sorge vor möglicher Kompromissbereitschaft der Westmächte vor den Forderungen des Ostens ausdrückte, stärkte den Beharrungswillen der Berliner, die sich selber Insulaner nannten und einer harten Zeit entgegen gingen, sich aber nicht weich kochen ließen. Seine mit großem Beifall quittierte Rede endete mit diesen Worten: "Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt! Es gibt nur eine Möglichkeit für uns alle: gemeinsam so lange zusammenzustehen, bis dieser Kampf gewonnen, bis dieser Kampf endlich durch den Sieg über die Feinde, durch den Sieg über die Macht der Finsternis besiegelt ist. Das Volk von Berlin hat gesprochen. Wir haben unsere Pflicht getan, und wir werden unsere Pflicht weiter tun. Völker der Welt! Tut auch ihr eure Pflicht und helft uns in der Zeit, die vor uns steht, nicht nur mit dem Dröhnen eurer Flugzeuge, nicht nur mit den Transportmöglichkeiten, die ihr hierherschafft, sondern mit dem standhaften und unzerstörbaren Einstehen für die gemeinsamen Ideale, die allein unsere Zukunft und die auch allein eure Zukunft sichern können. Völker der Welt, schaut auf Berlin! Und Volk von Berlin, sei dessen gewiss, diesen Kampf, den wollen, diesen Kampf, den werden wir gewinnen!"

Hungerharke und galoppierende Pferde

Das Luftbrückendenkmal vor dem früheren Flughafen Tempelhof in Berlin ist ein emotional anrührendes Zeugnis aus einer überaus harten, ereignisreichen Zeit, als es im Kabarett hieß "Der Insulaner verliert die Ruhe nicht" und Stalin einschließlich seiner Helfershelfer in Ostberlin an die Grenzen ihrer Macht stießen. Seit 10. Juli 1951 erinnert ein Denkmal, die von Eduard Ludwig geschaffene "Hungerharke" am Eingang des Flughafens Tempelhof, an die Luftbrücke. Die drei nach Westen geneigten Rippen symbolisieren die Luftkorridore, über die die Stadt versorgt wurde. Das Luftbrückendenkmal ehrt an die 70 verunglückten Angehörigen der alliierten Luftstreitkräfte sowie acht Deutsche, die bei den Flügen ums Leben gekommen waren.

Von anderer Art ist ein im Berliner Ortsteil Dahlem stehendes Denkmal zur Erinnerung an die Luftbrücke 1948/49 und die Überwindung der deutschen Teilung. Eine Gruppe von fünf bronzenen Pferden galoppiert an der Clayalle/Ecke Hüttenweg, nicht weit vom Alliiertenmuseum, über Resten der Berliner Mauer hinweg. Kein Beton, kein Stacheldraht kann die edlen Renner aufhalten. Das von Veryl Goodnight gestaltete Monument "The Day Wall Came Down" (Der Tag, an dem die Mauer fiel), nur wenige Schritte von Steubendenkmal entfernt, ist ein Geschenk des Volkes der USA an das deutsche Volk "zur Erinnerung an den gemeinsamen Einsatz für Freiheit und Demokratie", wie es auf einer daneben stehenden Tafel heißt. Mit den Pferden wollte die Künstlerin nach eigenem Bekunden nicht zu bändigenden Freiheitswillen und den Sieg über menschlichen Ungeist symbolisieren. Am 2. Juni 1998 wurde das Monument, das zuvor im Standzentrum von Denver, Colorado, gestanden hatte, aus Anlass des 50. Jahrestages der Berliner Luftbrücke im Beisein des früheren US-Präsidenten George Bush feierlich enthüllt.

27. Juli 2017

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