"Wären es Könige gewesen, sie stünden alle noch unversehrt"
Kaiser Wilhelm II. behielt 1918 Leben und Besitz, andere Monarchen hatten nicht so viel Glück



Lang, lang war es her, dass man Wilhelm II. als Alleskönner verherrlicht hat. Dem deutschen Kaiser und König von Preußen haben Schmeicheleien gefallen, an seinem Hof herrschten Byzantinismus und Kriecherei.







Die wenig ruhmvolle Flucht des Herrschers Ende 1918 in die Niederlande löste eine Welle von Spott und Hohn aus. Die herrlichen Zeiten, die der Kaiser seinen Untertanen versprochen hatte, hatten sich in ihr glattes Gegenteil verkehrt.



Die englischen Verbündeten lehnten es 1917 ab, den seiner Krone verlustig gegangenen Zaren bei sich aufzunehmen und überließen ihn und seiner Familie ihren Mördern. Das Spottbild schildert, was Nikolaus II. von seiner Macht geblieben ist.



Der bürgerlich verkleidete Ludwig XVI. wurde 1791 an der französisch-niederländischen Grenze anhand seines markanten Münzporträts erkannt und an der Flucht gehindert.



Nachdem Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 in Paris seinen Kopf verloren hatte, musste Marie Antoinette am 16. Oktober 1793 die Guillotine besteigen und wurde ebenfalls geköpft. Die Hinrichtung löste in Europa große Empörung aus, doch konnten die verbündeten Monarchen dem revolutionären Frankreich nichts anhaben. (Repros: Caspar)

Der in der Novemberevolution von 1918 der entmachtete deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte Glück, denn er wurde nicht, wie der russische Zar und seine Familie, ermordet und auch nicht von den Niederlanden an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges ausgeliefert wurde, sondern konnte in den Niederlanden einen Hofstaat als Miniatur dessen unterhalten, was ihm in Berlin und Potsdam zur Verfügung stand. Bis zu seinem Tod im Jahre 1941 hoffte der aus dem Deutschen Reich geflohene Kaiser, seine Krone zurückzubekommen. Die Unterstützung für den deutschen Kaiser und König von Preußen, der am 29. Oktober 1918 seine Untertanen im Stich gelassen und sich am 10. November 1918 in die Obhut der Niederlande begeben hatte, trug Königin Wilhelmina und ihrer Regierung erhebliche Probleme ein, denn der deutsche Monarch stand auf der Kriegsverbrecherliste der Ententemächte ganz oben.

Zunächst war der deutsche Ex-Kaiser mittellos, weil sein Vermögen zu Hause beschlagnahmt war. Doch dank der Generosität der sozialdemokratisch geführten preußischen Staatsregierung wurde die Sperre schon bald gelockert, und so konnte er das Schloss (Huis) Doorn bei Utrecht samt Nebengebäude und Park für 1,35 Millionen Gulden kaufen. Bis auf seine Untertanen fehlte Wilhelm II. dort nichts. Seine Aufnahme in den Niederlanden stiftete im Deutschen Reich erheblichen Unmut, denn selbstverständlich war es den Hinterbliebenen der Millionen Kriegstoten und Invaliden sowie den ins Elend gestürzten Menschen kaum zu vermitteln, dass ihrem "Obersten Kriegsherren" noch dessen Geld und Besitz hinterher geworfen wird. Auf der anderen Seite gab es in der kaisertreuen Bevölkerung starke Kräfte, die die Rückkehr des Monarchen ersehnten und dem "Weimarer System" die Pest an den Hals wünschten. Dass der ehemalige Kaiser kein armer Mann war, geht aus internen Berechnungen hervor. 1929 soll er über ein Vermögen von 55 Millionen Reichsmark verfügt haben. Damit ließ sich gut leben.

Schlösserinventar aus der Heimat

Dem kleinen Hofstaat standen nicht nur erhebliche Mittel aus dem Privatvermögen des Exmonarchen, sondern auch Inventar aus den kaiserlichen Schlössern zur Verfügung. Er war dem ehemaligen Kaiser in zahlreichen Eisenbahnwaggons hinterhergeschickt worden, und zwar nicht nur das Tafelsilber, die Tabatièren Friedrichs des Großen sowie edles Mobiliar und wertvolle Bilder, sondern auch viel Nippes und Trödel. Aschenbecher und Zigarettendosen, Nachttöpfe, Waschgarnituren, Schreibutensilien und Zimmerthermometer kamen dutzendweise in Doorn an. Sogar Zinkwannen, Feuerlöscheimer und Gießkannen mit der Signatur N.P. (Neues Palais) ließ Wilhelm II. kommen, dazu diverse Helme, Säbel und Uniformen, in denen er vor Malern und Fotografen posierte, als sei er noch deutscher Kaiser und König von Preußen.

Wilhelm II. veränderte im Exil sein Aussehen. Der berühmte Zwirbelbart wurde durch einen silbernen Vollbart ersetzt. Wie eh und je empfing er Huldigungsadressen und bewundernde Besucher. Er ließ sich wie ein regierender Monarch mit "Majestät" ansprechen und setzte hinter seinem Namen die Initialen IR (Imperator Rex, Kaiser König). Dem durch Zeitungsstudium und Kontaktpersonen bestens informierten Herrn von Doorn wurde in der Fremde die Zeit nicht lang. Er unterhielt eine lebhafte Korrespondenz mit Offiziersvereinen und monarchistischen Gruppierungen und verfasste seine Memoiren, in denen von Reue oder Schuldbewusstsein nichts zu finden ist. Um sich fit zu halten, fällte er Unmengen Bäume und zersägte sie in Scheiben, die er, mit Namen und Datum versehen, verschenkte. Der Exkaiser ließ den Park wieder aufforsten und züchtete Rosen. Eine Sorte nannte er nach seiner ersten Frau Auguste Victoria, die am 21. April 1921 im Potsdamer Antikentempel unter großer öffentlicher Anteilnahme, jedoch in Abwesenheit ihres Gatten und des ebenfalls in Deutschland zur Unperson erklärten Kronprinzen Wilhelm bestattet wurde. Bald schon heiratete der Exkaiser Hermine, eine geborene Prinzessin Reuß. "Kaiserin Hermine" starb 1947 verarmt in Frankfurt an der Oder.

Zornig, eitel und uneinsichtig

Nie hat Wilhelm II. die Hoffnung aufgegeben, "ein neues Deutsches Reich unter mir zu erobern" und es jenen ordentlich zu zeigen, die ihm die Schmach der ohne seine Zustimmung in schwieriger Situation von Reichskanzler Prinz Max von Baden am 9. November 1918 verfügten Abdankung zugefügt hatten. Schaut man die mit "Wilhelm IR" signierten Fotografien an, die in Doorn aufgenommen wurden, sind Zorn und Eitelkeit nicht zu übersehen. Obwohl sich einige Familienmitglieder mit den zur Macht drängenden Nazis gemein machten in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe die Monarchie wieder einführen zu können, hielt sich Hitler die Hohenzollern und andere Herrscherhäuser vom Leibe. Als der nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande praktisch unter Hausarrest stehende Exkaiser 82jährig am 4. Juni 1941 in Doorn starb, schickte der "Führer" einen Kranz.

Dass Wilhelm II. Hitler 1940 gönnerhaft für den "von Gott geschenkten gewaltigen Sieg" der deutschen Wehrmacht über Frankreich gratuliert hatte und dabei hintersinnig an die militärischen Erfolge Kaiser Wilhelms I. und Friedrichs des Großen erinnerte, hatte unangenehme Folgen für das Haus Hohenzollern. Denn die Niederländer beschuldigten nach Kriegsende den Verstorbenen der Kollaboration mit den Deutschen und konfiszierten seinen Besitz als "Feindvermögen". So wurden die seinerzeit mit der Eisenbahn herbeigeschafften rund 15 000 Gegenstände aus den kaiserlichen Schlössern niederländisches Staatseigentum. Sie können in dem zum Museum umgewandelten Haus Doorn besichtigt werden.

Zarenmord in Jekaterinenburg

Anders als seinem nahen Verwandten und im Ersten Weltkrieg Gegner, dem deutschen Kaiser Wilhelm II., erlitten der letzte russische Zar Nikolaus II. und seine Familie ein schlimmes Schicksal. Der in der Februarrevolution 1917 gestürzte Selbstherrscher aller Reußen, seine aus Hessen stammende Gemahlin Alexandra Feodorowna sowie die Zarenkinder Alexei, Olga, Maria, Tatjana und Anastasia wurden im fernen Jekaterinenburg interniert und in der Nacht vom 16. zum 17. Juli 1918 ermordet. Mit ihnen starben der Leibarzt des Zaren, Dr. Botkin, sowie weitere Bedienstete. Ob die Bluttat vom Führer der Bolschewiki und Gründer des Sowjetstaates, Wladimir Iljitsch Lenin, persönlich angeordnet wurde, ist nicht belegt. Dass aber die Sowjetführung mit dem Mord eine Gefahr für ihr eigenes Bestehen ausschalten wollte, steht außer Frage. Über die näheren Umstände der Mordaktion an "Nikolaus dem Blutigen", wie seine Gegner den letzten Zaren nicht zu Unrecht nannten, weil er mit Gewalt und Galgen über sein Riesenreich herrschte und sich demokratischen Neuerungen verschloss, gibt es recht genaue Berichte. Der Ural war nach dem Sieg der Oktoberrevolution eine sichere Bastion der Bolschewiki. Hierher wurden nach der Februarrevolution 1917 und dann verstärkt nach der Oktoberrevolution die Familie des Zaren sowie Würdenträger seines Hofes verschleppt und ohne Gerichtsverfahren liquidiert.

In Zeiten von "Glasnost und Perestroika" konnte man die lange zum Tabu erklärte Frage nach dem Zarenmord in Jekaterinenburg nicht mehr ignorieren, und so wurden die Begleitumstände während der Regierungszeit von Michail Gorbatschow nach und nach bekannt. 1991 hat man die Gebeine der Ermordeten ausgegraben. Die Schädel und Knochen wurden als Reliquien in der Peter-und-Paul-Festung zu Sankt Petersburg feierlich bestattet. Am 20. August 2000 wurde Nikolaus II., seine Frau und ihre Kinder von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochen. Eingebunden in die Heiligsprechung wurden auch 1100 Geistliche und weitere Personen, die während der Sowjetherrschaft als Märtyrer ihr Leben verloren hatten.

Blicken wir nach Frankreich, auf das Leben eines anderen Monarchen, dem die Flucht aus seinem Land nicht gelungen war - Ludwig XVI. und seine Gemahlin Marie Antoinette, Tochter des römisch-deutschen Kaiserpaars Franz I. und Maria Theresia. Der König wird als kraft- und entschlussloser Herrscher geschildert. Absolut regierend, war er der sich verschärfenden Staats- und Finanzkrise in seinem Land nicht gewachsen und agierte im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, gegen England kämpfend, ohne Glück. Er brauchte sieben lange, quälende Ehejahre, bis er nach Überwindung einer Phimose endlich mit seiner Gemahlin ein Kind zeugen konnte. Statt sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern, reagierte der König, ein Hüne von Mann mit durchschnittlichem Verstand, seine Körperkräfte bei der Jagd und in seiner exquisit eingerichteten Metallwerkstatt ab oder verkroch sich in seiner Bibliothek.

Verräterisches Münzporträt

Wenn jemand in Frankreich etwas zu sagen hatte, dann war es seine junge, schöne, leichtlebige Frau. Um die Tochter der Kaiserin Maria Theresia scharte sich ein Klüngel geld- und machtgieriger Hofschranzen, und wer der Königin am besten zum Munde redete, hatte Aussicht auf hohe Ämter und reiche Zuwendungen aus der Staatskasse. Über deren maroden Zustand machte sich die angehoben und in Saus und Braus wie "Gott in Frankreich" lebende Marie Antoinette keine Gedanken. Die Königin hatte keine Ahnung von der prekären Lage ihrer Untertanen, und sie wollte auch nichts davon wissen. Als man ihr die Armut im Lande schilderte, soll sie geantwortet haben, wenn die Leute kein Brot hätten, mögen sie doch Kuchen essen.

Als das Volk von Paris am 14. Juli 1789 das berüchtigte Staatsgefängnis, die Bastille, stürmte, waren sich Ludwig XVI. und Marie Antoinette des Ernstes der Lage nicht bewusst. Sie hielten die Revolution für eine Revolte und mussten erst im Laufe der Zeit erkennen, dass ihre Zeit abgelaufen ist und sie sich in Sicherheit bringen müssen. Die schlecht vorbereitete Flucht des Königspaars in die österreichisch beherrschten Niederlande flog in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791 in Varennes auf. Ein Postmeister hatte den Mann in der Kutsche anhand einer Münze mit dem Bildnis des Königs erkannt. Das Paar wurde verhaftet und unter Spottgesängen im Triumphzug nach Paris gebracht und bald darauf ins Gefängnis gesteckt.

Bis zu ihrem schmählichen Ende auf dem Schafott hoffte das nach Ausrufung der Republik im September 1792 seiner Krone beraubte und zu einfachen Bürgersleuten mit dem Nachnamen Capet degradierten Paar, ihre ins Ausland geflüchteten Verwandten und die mit ihnen verbündete Armeen könnten das Revolutionsregime schnell überwinden. Doch es kam anders. Der "Bürger Capet", benannt nach einer mittelalterlichen Königsfamilie, kam vor Gericht, wurde zum Tod verurteilt und am 21. Januar 1793 im Beisein einer jubelnden Volksmasse mit der Guillotine enthauptet. Als Marie Antoinette im Herbst 1793 vor ihren Richtern stand, warf man ihr Landesverrat und geheime Zusammenarbeit mit den ausländischen Mächten vor, die mit Waffengewalt die Königsherrschaft in Frankreich wiederherstellen und mit ihren Drohungen, Paris in Schutt und Asche legen und blutige Rache üben zu wollen, nun erst recht die Lage zuspitzten und radikale Revolutionäre auf den Plan riefen. Der Angeklagten wurde die Ausbeutung der Staatskasse für ihr persönliches Luxusleben und die Bezahlung zahlreicher Günstlinge vorgehalten. Wer sich in dieser aufgeheizten Situation für die "Witwe Capet" einsetzte, musste damit rechnen, seinen Kopf zu verlieren. Als Marie Antoinette nach einem Schauprozess am 16. Oktober 1793 in Paris öffentlich hingerichtet wurde, sannen die kaiserlichen Verwandten in Wien und andere gekrönte Häupter auf Rache, arrangierten sich aber bald mit der französischen Republik, die auch durch den Krieg nicht in die Knie gezwungen werden konnte. Johann Wolfgang von Goethe, bestimmt kein Freund der Revolution, kommentierte das schmähliche Ende Ludwigs XVI. mit den auch auf andere gescheiterte Existenzen gemünzten Worten: "Warum denn, wie mit einem Besen / wird so ein König hinausgekehrt? / Wären 's Könige gewesen / sie stünden noch alle unversehrt".

7. November 2017

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