Mecklenburgische Venus machte sich unbeliebt
Als die "weiße Frau" im Berliner Schloss auftauchte, war es um Preußens König Friedrich I. geschehen



Der mit einem Medaillon der 1705 verstorbenen Königin Sophie Charlotte von Preußen geschmückte Sarkophag im Berliner Dom ist ein Meisterwerk des Hofbildhauers Andreas Schlüter.



Mit seiner dritten Gemahlin Sophie Luise hatte König Friedrich I. - hier sein von Andreas Schlüter gestaltetes Denkmal im Charlottenburger Schlosspark - wenig Freude. Die Bronzeskulptur ist ein Nachguss.



Als 1708 der Preußenkönig Friedrich I. die mecklenburgische Prinzessin Sophie Luise heiratete, wurden auch Prunkmedaillen geprägt, diese stammt von dem Gothaer Künstler Christian Wermuth.



So stellte man sich im 19. Jahrhundert das Erscheinen der "weißen Frau" im Berliner Schloss vor. König Friedrich I. starb bald darauf in Berlin am 25. Februar 1713.



Die Sophienkirche an der gleichnamigen Straße im Berliner Scheunenviertel ist ein steinerner Zeuge, dafür, dass vor über 300 Jahren eine "mecklenburgische Venus" Gemahlin des ersten preußischen Könighs war. (Fotos/Repro: Caspar)

Der erste preußische König Friedrich I. war dreimal verheiratet. Seine erste Frau Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel starb im Jahre 1683, als Friedrich noch brandenburgischer Kurprinz war. Die zweite war Sophie Charlotte, eine geborene Prinzessin von Hannover. Die Namensgeberin des Schlosses und der Stadt Charlottenburg segnete 1705 das Zeitliche und wurde in einem von Andreas Schlüter gestalteten prunkvollen Sarg bestattet, der im Berliner Dom am Lustgarten bewundernde Blicke auf sich zieht und an eine Monarchin erinnert, die sich mit ganzem Herzen um die Künste und Wissenschaften im Land des schwarzen Adlers kümmerte und zu seinem Ansehen beitrug.

Der betrübte Monarch sah sich, von seinem Premierminister Graf von Wartenberg gedrängt, schon bald nach einer neuen Gemahlin um. Ihn trieb Angst um den Bestand des preußischen Königreichs um, denn er hatte nur einen einzigen Thronerben, und das war damals bei der damaligen hohen Sterblichkeit bei Kindern und Jungendlichen ein großes Risiko. Würde dieser Sohn, der nachmalige Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., aus irgendeinem Grund vorzeitig und ohne Kinder sterben, wären die Thronfolge und das Hauses Hohenzollern gefährdet, hielt Wartenberg dem schon ziemlich kränkelnden König vor. Ein Erbfolgestreit, wie man ihn gerade in anderen europäischen Ländern erlebte, würde Brandenburg-Preußen bestimmt nicht gut tun.

Sorge um die Monarchie

Die Sorge war nicht unbegründet, hatten doch im Jahre 1708 Kronprinz Friedrich Wilhelm (I.) und seine Gemahlin Sophie Dorothea ihren ersten Sohn Friedrich im Alter von sechs Monaten verloren. Bei der nächsten Schwangerschaft wusste man nicht, ob ein Junge oder Mädchen auf die Welt kommen würde. Erst der 1712 geborene Prinz Friedrich führte die Dynastie als Friedrich II. fort. 1740 König geworden, hatte er keine Kinder, weshalb sein jüngerer Bruder August Wilhelm als Stammvater der Hohenzollerndynastie "einspringen" musste.

In Sorge um den Bestand der Monarchie ließ sich der schon 50 Jahre alte und damals fast schon greisenhafte wirkende Friedrich I. auf eine dritte Heirat ein, die Ende 1708 in Berlin prunkvoll gefeiert wurde. Neue Königin war die erst 23jährigen Prinzessin Sophie Luise, die Tochter des Herzogs Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin-Grabow. Überschwänglich feierten Hofpoeten das glänzende Ereignis und verherrlichten die junge Frau als "mecklenburgische Venus". Eine lateinische Inschrift verstieg sich zu der Behauptung, der großmächtige König Friedrich habe durch eine höchst glückliche Verbindung das "Altertum des Königlich Vandalischen Geblüts zu Seiner Majestät erhoben und die ewige Stadt Berlin durch ihre Ankunft mit unendlicher Freude erfüllt". Gemeint war mit dem "vandalischen Geblüt" die mythische Abkunft des mecklenburgischen Herzoghauses von den Königen der Wenden, die man auch Vandalen nannte. Schon bald wollte man von solchen typisch barocken Elogen nichts mehr wissen, und Sophie Luise wurde zur Unperson.

"Verrückte" First Lady

Über die dritte Frau an der Seite des ersten Preußenkönigs ist nicht viel bekannt, nur dass sie in vergleichsweise einfachen Verhältnissen aufwuchs und den für Mädchen ihres adligen Standes üblichen Französisch- und Musikunterricht bekam. Ihr wird ein zurückhaltendes Wesen und tiefe Religiosität nachgesagt. Da das Leben am preußischen Königshof von Luxus und Geldverschwendung geprägt war, stieß das zurückhaltende Wesen der jungen Monarchin auf wenig Verständnis. Eine Frau wie sie, ernst, in sich gekehrt, ständig im Gebet und von frömmelndem Eifer ergriffen, konnte nicht ganz richtig im Kopf sein, tuschelten Hofschranzen hinter dem Rücken der als "Reserve" für einen möglichen Preußenprinzen gehaltenen Königin.

So war es nur eine Frage der Zeit, dass allerhand Gerüchte um das seltsame Gebaren der First Lady kursierten. Erschwerend für sie war, dass man sie mit ihrer Vorgängerin, der geistig und musisch interessierten Sophie Charlotte verglich. Ausserdem erfüllte sie den tieferen Sinn ihrer Hochzeit, der Monarchie einen Sohn und potenziellen Thronerben zu schenken, falls Kronprinz Friedrich Wilhelm (I.) ausfallen würde. Resigniert zog sich Sophie Luise vom Hofleben zurück, erfüllte aber ihre Rolle als treusorgende Hausmutter und Krankenpflegerin ihres Gemahls. Die Veränderungen im Verhalten der Königin blieben nicht unbemerkt. Ihre Depressionen passten nicht zum fröhlichen Hofleben. Man sprach sogar von geistiger Verwirrung. Das machte die Teilnahme der Königin an offiziellen Terminen ihres Gatten unmöglich, der sich enttäuscht von ihr abwandte.

In Erinnerung ist geblieben, dass sie, wohl in verwirrtem Zustand durch das Berliner Schloss irrend, ihren kranken Gemahl auf den Tod erschreckt haben soll. Nachdem sie sich an einer Glastür Schnittverletzungen zugezogen hatte, "erschien" sie blutüberströmt dem König, der die Begegnung als Vorboten seines nahen Todes deutete. Denn nach der Sage würde derjenige bald sterben, der der "weißen Frau" begegnet. Tatsächlich hatte der kränkliche König nicht mehr lange zu leben. Die angeblich oder wirklich geistig umnachtete Königin wurde vom neuen Herrscher, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., zu ihrer Familie ins mecklenburgische Grabow zurückgeschickt, wo sie 1735, nur fünfzigjährig, starb. Die Sophienkirche im Berliner Scheunenviertel trägt den Namen der unglücklichen Königin Sophie Luise. Sie hatte 1712 Geld für das barocke Gotteshaus mit dem schlanken Turm gestiftet, der noch heute die Silhouette der Innenstadt bestimmt. Der Stiefsohn Friedrich Wilhelm I. untersagte den Namen Sophienkirche, um die Erinnerung an die "verrückte" Königin zu tilgen, erst Friedrich II. ließ ihn wieder zu.

18. Mai 2017

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