Unbändige Bauwut, koste es, was es wolle
Die von Hitler ausgewählten Führerstädte sollten alles Bisherige in den Schatten stellen



Grundsteinlegungen und Baupläne verkünden gehörte zu den Lieblingsbeschäftigungen von Hitler, der sich nicht nur als Deutschlands oberster Gerichtsherr verstand, sondern auch als oberster Bauherr und Kunstrichter.



Der Führerbau in München wurde 1933 bis 1937 nach Plänen von Paul Ludwig Troost errichtet. Die Fertigstellung erfolgte nach dessen Tod durch Leonhard Gall. Das Haus ist heute Hochschule für Musik und Theater München.



Die Tribüne und weitere Bauten des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes blieben im Wesentlichen erhalten und sind seit vielen Jahren denkmalpflegerische Pflegefälle.





Aus der Nazizeit erhalten sind auf der Charlottenburger Chaussee, der heutigen Straße des 17. Juni, noch die von Speer entworfenen Kandelaber. (Foto/Repros: Caspar)

Hitler und seine Helfer waren von einer unbändigen Bauwut befallen. Reichsmarschall Hermann Göring etwa wollte noch größere und prächtigere Gebäude errichten als sie von seinem "Führer" geplant und zum Teil auch realisiert wurden. Wie auch immer Parteifunktionäre, Generale, Gauleiter und andere Personen zu Macht und Geld gekommen waren, ihr besonderer Ehrgeiz bestand darin, durch Bauten für die Ewigkeit zu glänzen, natürlich beschränkt durch Grenzen, die die Kriegswirtschaft setzte. Davon ungeachtet plante Hitler den monumentalen Ausbau der so genannten Führerstädte Berlin bis 1950 sowie von Hamburg, München, Nürnberg und Linz. Er entschied persönlich, was unter einer solchen zu verstehen ist und wer Zuschüsse und Darlehen bekommt und wer nicht, und er bestimmte, dass sich die anderen Städte selber helfen müssten. Der als Maler in Wien gescheiterte Diktator machte Paul Otto August Baumgarten, Leonhard Gall, Hermann Giesler, Albert Speer und Paul Ludwig Troost zu Planern und Architekten dieser gigantischen Neu- und Umbauten

An der Spitze der Planungen stand Berlin, die Welthaupstadt Germania. Sie zu einem Monument tausendjähriger NS-Herrschaft zu machen, war der erklärte Wille von Hitler und seines Stararchitekten Albert Speer. München, der so genannten Hauptstadt der Bewegung, war Hitler in besonderem Maße verpflichtet. Hier feierte er seine ersten Triumphe als Führer der NSDAP, hier hatte er vergeblich am 9. November 1923 den spektakulären Marsch auf die Feldherrnhalle mit dem Ziel eines Staatsstreiches unternommen. Hierher kam er nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 immer wieder, um sich als Einpeitscher seiner rassistischen Parolen und seiner Welteroberungspläne feiern zu lassen und jeweils am 9. November schaurige Heldengedenkfeiern zu zelebrieren. München sollte radikal unter Opferung der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bauten und älterer umgebaut werden. Nach Hitlers Vorstellungen sollten riesige Prachtboulevards auf die 214,5 Meter hohe "Siegessäule der NS-Bewegung" zulaufen, die die Frauenkirche um das Zweieinhalbfache überragt hätte.

Viel gewaltiger als der Petersdom

Ein besonderes Prachtstück sollte ein gewaltiger Hauptbahnhof werden, der das Sechsfache der Fläche des Petersdoms in Rom samt Vorplatz eingenommen hätte. Auf der Theresienwiese, auf der traditionell das Oktoberfest stattfindet, sollten eine monumentale Ausstellungshalle und ein riesiges Hotel der Organisation "Kraft durch Freude" erbaut werde. Geplant waren in München ferner ein Opernhaus, das dreimal so groß werden sollte wie die Pariser Oper, aber auch Hochhäuser für den parteieigenen Franz-Eher-Verlag und weitere Monumentalbauten. Der Umbau sollte nach dem "Endsieg" begonnen und wie der der Welthauptstadt Germania bis 1950 abgeschlossen werden. In Berlin, München und den anderen Führerstädten sollte nach Hitlers Wunsch Geld keine Rolle spielen. Doch wies Hjalmar Schacht, der Präsident des Reichsbankdirektoriums, auf die immensen Kosten hin, die sich bei bestem Willen nicht finanzieren lassen.

Hamburg wollte der Diktator zur Hauptstadt der deutschen Schifffahrt ausbauen. Er verfügte, dass Altona der Hansestadt zugeschlagen wird, um am Elbhang eine große Flussquerung errichten zu können. Zu dieser Hochbrücke war ein 250 Meter hoher Wolkenkratzer als städtebaulicher Kontrapunkt geplant. Mit dem Brückenbau wollte der Diktator die USA in Erstaunen versetzen, wo dergleichen schon Alltag war. Errichtet sollten ferner ein riesiges Gauhaus und eine Volkshalle für 50 000 Besucher sowie die Überquerung der malerischen Fleete durch nicht weniger als 400 Brücken. Die Zerstörung Hamburgs durch alliierte Bombenangriffe machte diesen und weiteren Plänen einen Strich durch die Rechnung. Der bis 1965 anvisierte Umbau Hamburgs mit Hilfe von Zwangs- und Sklavenarbeitern blieb auf der Strecke.

Für Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage, hatte Hitler ähnlich gigantomanische Pläne. Realisiert wurde nur das 60 Quadratkilometer große Reichsparteitagsgelände nach Plänen von Albert Speer. Über der riesigen Rednertribüne sollte sich eine weibliche Figur erheben, die 14 Meter höher werden sollte als die Freiheitsstatue in New York. Geplant wurden ferner ein riesiges Stadion, eine Ausstellungshalle, eine Kongresshalle und weitere Bauten, die alles bisher Bekannte in den Schatten setzen und die Großbauten der Antike ausgesprochen alt aussehen lassen sollten. Als Hitler zu bedenken gegeben wurde, dass das Deutsche Stadion bis 250 Millionen Reichsmark kosten würde, antwortete er, keinen Widerspruch zulassend, das wären weniger als zwei Schlachtschiffe vom Typ Bismarck.

Berlin gegen Wien

Linz der mit "Großbauten des Nationalsozialismus" besetzte Alterssitz von Hitler und eine Kunsthauptstadt der besonderen Art werden. Dazu erging der "Führerauftrag Linz" als Grundlage für einen groß angelegten Kunstraub im eigenen Land und quer durch die von der Wehrmacht besetzten Staaten. Bekanntlich hatte Hitler zur alten k. und k.-Metropole Wien ein gespaltenes Verhältnis. Hier hatte er vor dem Ersten Weltkrieg unter erbärmlichen Bedingungen gelebt und war als Kunstmaler gescheitert. Der Diktator hielt nicht viel von der alten Kaiserstadt und legte seinen ganzen Ehrgeiz darein, dass Berlin, die Welthauptstadt Germania, das alte Wien in den Schatten stellt.

Der verhinderte Künstler Hitler war in Braunau unweit von Linz geboren worden und aufgewachsen. Er plante die grundlegende Um- und Neugestaltung seiner "Patenstadt" Linz mit einer 105 breiten neuen Avenue, zu deren Seiten monumentale Prachtbauten entstehen sollten. Albert Speer, Hitlers Stararchitekt, fasste am 19. Februar 1941 Hitlers Vorstellungen so zusammen: "Hier wird nach den Einzelplänen des Führers ein Theater, eine vom Führer zusammengestellte Galerie, eine Bibliothek, ein großes Freiheitsstadion, eine Gauanlage, ein Rathaus, eine neue Geschäftsstraße, ein neuer Bahnhof und ein großes Hotel u. a. errichtet." Zentrum der Stadt sollte der 180 mal 210 Meter große Opernplatz werden. Die Pläne für das Opernhaus mit 2000 Besucherplätzen sowie einer großen Haupt- und zwei Nebenbühnen wurden von Hitler gezeichnet. Geld sollte bei der Verwirklichung der Pläne keine Rolle spielen, und auch für die Beschaffung von Baumaterialien und Arbeitskräften wurde ungeachtet der Schwierigkeiten und Bedürfnisse der Kriegsindustrie gesorgt. "Vor allem muss Linz ein neues Museum bekommen und eine neue Oper. Mit den Bergen im Hintergrund ist seine Lage um vieles schöner als Budapest oder Wien", schwärmte Hitler und erteilte den Befehl, im Rahmen des "Führerauftrags Linz" hochkarätige Kunstwerke - Gemälde, Skulpturen, historische Waffen und sogar Münzen und Medaillen - aus öffentlichen und privaten Sammlungen für die Präsentation in dem neuen Kunstmuseum herbeizuschaffen. Als der Krieg bereits verloren war und die Rote Armee in die Außenbezirke Berlins vordrang, träumte Hitler immer noch von seinen Linzer Plänen. Zum Chef des Reichssicherheitshauptamts Ernst Kaltenbrunner sagte der im Führerbunker eingeschlossene Diktator im April 1945 angesichts eines Modells seiner Lieblingsstadt, in der er seinen Lebensabend verbringen wollte: "Kaltenbrunner, wenn ich nicht wüsste, dass sich diese Stadt Linz, unser Linz, gemeinsam mit Ihnen ausbauen werde zu einer der schönsten und mächtigsten Metropolen Europas, würde ich mir noch heute eine Kugel durch den Kopf schießen".

Raubkunst für das Führermuseum Linz

Hitler nahm die Auswahl der zum Teil jüdischen Sammlern geraubten oder abgepressten Gemälde und anderen Gegenstände für das "Führermuseum Linz" vor. Um ihm Weltgeltung zu verschaffen, sollten die Landesmuseen der Ostmark, also Österreichs, Teile ihrer Bestände nach Linz überstellen. Hitler bestellte als Experten und Kunsträuber bekannte Museumsleute sowie Händler, die ohne Skrupel und mit Rückendeckung von ganz oben in den von der Wehrmacht besetzten Ländern und im Großdeutschen Reich hochkarätige Museumsstücke zusammenrafften und dabei prächtig verdienten. Ähnlich gingen Göring vor, der in seinem Sommersitz Carinhall nördlich von Berlin eine bedeutende, aus Raubgut bestehende oder durch Ankauf gebildete Gemälde- und Antiquitätensammlung aufbaute, und andere Nazigrößen vor.

Die Listen der für das Führermuseum Linz und für andere Sammlungen requirierten Objekte sind lang. Die Ausgaben allein für das Neue Kunstmuseum Linz wurden im August 1944 mit knapp 120 Millionen Reichsmark berechnet. Ein großer Teil der Kosten wurde von den Einnahmen bezahlt, die Hitler aus dem Verkauf von Sonderbriefmarken, der Veröffentlichung seines Buches "Mein Kampf", aus Spenden und anderen Quellen zuflossen. Nach dem Ende des NS-Staates unternahmen die Alliierten und die ehemaligen Besitzer der Kunstwerke große Anstrengungen, das Raubgut zu finden und zurückzuführen. In seinem kurz vor dem Selbstmord verfassten Testament übereignete seinen persönlichen Besitz "sofern er überhaupt von Wert ist" der NSDAP beziehungsweise dem Staat. Er behauptete er, er habe seine Gemälde niemals für private Zwecke, sondern stets nur für seine Galerie in Linz gesammelt. Den organisierten Kunstraub und dessen Opfer erwähnte der Diktator mit keinem Wort.

7. April 2017

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