Mordhetze auf Zelluloid
Mit Filmen wie "Der Ewige Jude" und "Jud Süß" wurde der Boden für den Holocaust bereitet



Mit dem Propagandastreifen "Der ewige Jude" wurde neben anderen Hetzaktionen der Boden für den Holocaust bereitet.



Propagandaminister Joseph Goebbels herrschte unumschränkt über den Film des NS-Staates. Hier lässt er sich von Otto Gebühr, dem Hauptdarsteller des Films "Der Große König", am Set über den Verlauf der Dreharbeiten informieren.



Das Hetzblatt "Der Stürmer" des Nürnberger Gauleiters Julius Streicher lieferte für manche nach 1933 gedrehten antijüdischen Filme die Stichwörter.



Ferdinand Marian spielte die Hauptrollen in "Jud Süß", der nach dem Krieg mit anderen Nazi-Machwerken von den Alliierten verboten wurde. Hier bedrängt er in rassenschänderischer Absicht das Mädchen Dorothea, das von Kristina Söderbaum gespielt wird. Ihr Tod im Wasser am Ende der Filme "Jud Süß", "Die goldene Stadt" und "Jugend" verschaffte der Gattin von Regisseur Veit Harlan den wenig ehrenhaften Spitznamen "Reichswasserleiche". (Repros: Caspar)

Mit einer Serie von Spiel- und Propagandafilmen sowie einem publizistischen Trommelfeier durch Zeitungen, Rundfunk und Büchern bereitete die NS-Propaganda den Massenmord an den deutschen und europäischen Juden systematisch vor, die so genannte Endlösung der Judenfrage. Einer der schlimmsten Streifen dieser Art war das als Dokumentarfilm deklarierte Machwerk "Der ewige Jude". Vom Regisseur Fritz Hippler gestaltet und mit hetzerischen Kommentaren versehen, wurden vor allem im Getto Lodz, aber auch in Warschau und Lublin auf Weisung von Propagandaminister Goebbels absichtlich besonders widerwärtigen jüdischen Fratzen und Elendsgestalten gezeigte, so die damalige Diktion. Hippler, der auch für den Spielfilm "Jud Süß" verantwortlich war, schrieb 1940 im "Illustrierten Filmkurier": "Wenn man [...] nun die Bilder auf sich wirken lässt, wird man zugeben müssen, dass auch die gehässigsten Karikaturen und Darstellungen an negativer Wirkung weit hinter dem zurückbleiben, was uns die Wirklichkeit zeigt. Jeder, der diese Bilder bereits zu betrachten die Gelegenheit hatte, sagt dasselbe: ,eine Symphonie des Ekels und des Grauens". Die engen Wohnverhältnisse, Schmutz und Krankheiten unter den so genannten Ostjuden mit Bart und Kaftan wurden als Argument dargestellt, sich dieser "Untermenschen" zu entledigen.

Mit Hilfe gefälschter Statistiken und gestellter Aufnahmen dichteten "Der Ewige Jude" und weitere Machwerke dieser Art Juden sowie sinngemäß den Sinti und Roma einen angeblich arteigenen Hang zur Kriminalität, zum Wucher- und Schmarotzertum und andere Eigenschaften an und ihre Gefährlichkeit für den Bestand der Menschheit. Das ging so weit, dass Bilder von Ratten, die durch die Kanalisation laufen und Krankheit und Tod verbreiten, mit Horrorszenen aus den Gettos kombinierte. Mit diesen Zusammenschnitten wollten Hippler und seine Auftraggeber den Nachweis führen, dass das deutsche Volk und allgemein die westliche Welt von den "jüdischen Parasiten" unterwandert und ausgelöscht wird, wenn man sie nicht vernichtet. Der Film gipfelte am Ende mit Ausschnitten aus einer Hitler-Rede im Deutschen Reichstag vom 30. Januar 1939, in der unter dem Beifall der Abgeordneten die "Vernichtung der jüdischen Rasse" angekündigt wurde. Wörtlich erklärte der Diktator: "Ich bin in meinem Leben sehr oft Prophet gewesen und wurde meistens ausgelacht. In der Zeit meines Kampfes um die Macht war es in erster Linie das jüdische Volk, das nur mit Gelächter meine Prophezeiungen hinnahm, ich würde einmal in Deutschland die Führung des Staates und damit des ganzen Volkes übernehmen und dann unter vielen anderen auch das jüdische Problem zur Lösung bringen. Ich glaube, dass dieses damalige schallende Gelächter dem Judentum in Deutschland unterdes wohl schon in der Kehle erstickt ist."

Nur für nervenstarke Zuschauer

Sich den Film "Der ewige Jude" anzusehen, gehörte zum Pflichtprogramm der Polizei- und SS-Verbände sowie der Wachmannschaften der Konzentrations- und Vernichtungslager und anderer Sondereinheiten. Er sollte mögliche Skrupel bei der Verfolgung und Ermordung der Juden beseitigen und die antijüdischen Maßnahmen und Gesetze legitimieren helfen. In einer Presseanweisung des Propagandaministeriums vom 12. September 1940 wird festgestellt, dass der "Judenfilm" in der augenblicklichen Fassung nach Ansicht von NS-Funktionären, Polizisten und Journalisten "nur für nervenstarke Personen geeignet ist". Deshalb sollen zwei Fassungen hergestellt werden. Die mildere Version sei für Frauen und Jugendliche geeignet, die stärkere Fassung mit einer Schächterszene "soll durch die Partei in geschlossenen Veranstaltungen in Kinos" gebracht werden, wobei vorher in der Presse eine genaue Unterrichtung des Publikums erfolgen soll.

Der antisemitische Spielfilm "Jud Süß" in der Regie von Veit Harlan stellt das bewegte Leben eines jüdischen Finanzberaters dieses Namens im Herzogtum Württemberg, dem im frühen 18. Jahrhundert Hoch- und Landesverrat sowie Blutschande mit christlichen Frauen angelastet wurden, was ihn an den Galgen brachte. Der Film mit Ferdinand Marian (Süß) und Heinrich George (Herzog Karl Alexander) in den Hauptrollen erhielt das Prädikat "Staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll, jugendwert" und wurde auf Goebbels' Weisung als großes Kunstereignis gefeiert. Ein anderer, im 19. Jahrhundert spielender Film nahm "Die Rothschilds" aufs Korn. Mit ihm wurde in damaligen Presseberichten als "eine markante Episode jüdischen Machtstrebens in der Umwelt des kapitalistischen Englands" an den Pranger gestellt. Überzeugend prangere er die "jüdische Jagd nach dem Golde" sowie den ihnen und nur ihnen angeblich eigene Hang zum Betrug, Verrat, Tücke, Hinterhalt, Rachsucht und Bestechung an. In dem Film "Die Rothschilds" werden Juden mangelhafter Staatstreue gegenüber den Ländern bezichtigt, in denen sie ein parasitäres Leben führen und vom Leid anderer Menschen profitieren würden. Dargestellt werden Juden als ausgesprochen schmierige Typen, die es auf "arische" Frauen und Mädchen abgesehen haben und zu jedem erdenklichen Betrug fähig sind. Unverkennbar ist die antibritische Stoßrichtung des Films, der 1940, im Jahr der gescheiterten Invasion Englands, in die Kinos kam und die Stimmung gegen England machte, wenn auch in Kostümen des frühen 19. Jahrhunderts.

Weitermachen, als sei nichts geschehen

Ob die mit großem personellem Aufwand und hohen Kosten hergestellten Filme bis hin zu dem Anfang 1945 in die Kinos gelangten Durchhaltestreifen "Kolberg" (Regie: Veit Harlan) von Goebbels erwünschte Wirkung hatten, ist umstritten. Dass bekannte Texter, Schauspieler, Regisseure, Musiker und Gestalter an ihnen mitgewirkt haben, war nach dem Ende der NS-Diktatur und dem Zweiten Weltkrieg in beiden deutschen Staaten kaum ein Thema. Manche "Filmkünstler" machten nahezu ungebrochen weiter, als sei nichts geschehen. Fritz Hippler kam mit lächerlichen zwei Jahren Gefängnis davon und startete ein Comeback mit der Herstellung von Dokumentar- und Industriefilmen sowie dem Schreiben von Fernsehkritiken für rechtsextreme Blätter sowie von Büchern, in denen er die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg zu widerlegen und den Antisemitismus der Nazis zu rechtfertigen suchte. Die Verantwortung für "Der ewige Jude" wies Hippler Goebbels zu, dessen Befehle er widerstrebend befolgt habe.

In einem Entnazifizierungsverfahren wurde Goebbels' Lieblingsregisseur Veit Harlan als "Entlasteter" eingestuft. Er versuchte in einer Serie von Gerichtsverfahren, den Vorwurf zu entkräften, mit seinen Filmen zum Judenmord beigetragen zu haben. In Hamburg von dem ehemaligen Nazirichter Walter Fritz Tyrolf freigesprochen, stellte Harlan mit mäßigem Erfolg einige Spielfilme her. Aufsehen erregte der 1957 unter Harlans Regie erschienene Streifen "Anders als du und ich", der eigentlich ein Plädoyer für die Abschaffung des damals immer noch gültigen Paragraphen 175 gedacht war, von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft aber in sein Gegenteil verkehrt wurde und nun eine homophobe Stoßrichtung erhielt. Der "film-dienst" schrieb damals, der Film diskriminiere nicht nur die Homosexuellen, sondern diffamiere in einer abstrusen Gedankenverbindung auch noch die abstrakte Kunst. Er sei ein spätes Abfallprodukt faschistischer Gesinnung." Das Heyne-Filmlexikon befand: "Veit Harlan, Hitlers Generalspielleiter, erzählt die Geschichte eines schwulen Bankdirektorsöhnchens, der von seinen Eltern zum ‚normal veranlagten Bürger' umerzogen wird. Ein infamer, faschistoider und dilettantisch inszenierter Film."

Es sei erwähnt, dass in Kinos und im Schwarz-Weiß-Fernsehen der DDR über viele Jahre alte Nazischmonzetten gezeigt wurden, wenn auch nicht solche vom Schlag des "Ewigen Juden", "Jud Süß" oder "Kolberg". Kritische Hinweise auf die ideologische und politische Belastung beteiligter Regisseure und Schauspieler, die es in den Medien des Arbeiter-und-Bauern-Staates durchaus gegeben hat, wurde mit dem Hinweis vom Tisch gefegt, man möge sich nicht zu haben und es handle sich um unpolitische Streifen.

11. August 2017

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