Volksaufstand gegen die Königsherrschaft
Berliner Friedhof der Märzgefallenen war lange der preußischen Obrigkeit ein Dorn im Auge



Friedrich Wilhelm IV. war alles andere als ein Romantiker auf dem Thron, sondern agierte in Machtfragen knallhart. Auf dem Spottbild verneigt sich der König von Preußen vor den Toten der Märzrevolution 1848, ein Jahr später musste das Volk den Hut vor ihm ziehen.



Auf dem Friedhof der Märzgefallenen finden alljährlich am 18. März Ansprachen und Kranzniederlegungen statt. In einem Pavillon und rund um den Gedenkstein wird die Geschichte der Revolutionen von 1848/9 und 1918/9 erzählt.



Der Geist der Märzrevolution erschreckt einen ängstlichen Berliner, und der antwortet auf die Frage, was mit dem Blut der Gefallenen erkauft wurde, nur "Herr Geist: Rauchfreiheit und Nationaleigentum".



Mahnende Worte auf einer in der Kaiserzeit gedruckten Postkarte, die den ursprünglichen Zustand des Friedhofs der Märzgefallenen zeigt.



Ein Roter Matrose am Eingang zum Friedhof der Märzgefallenen erinnert daran, dass hier auch Tote der Novemberrevolution 1918 und der Kämpfe danach bestattet sind.



Friedrich Wilhelm IV. ehrte seinen Bruder und Nachfolger Wilhelm (I.) mit diesem römischen Vorbildern nachempfundenen Triumphtor unweit des Parks von Sanssouci. (Fotos/Repros: Caspar)

Berliner Friedhof der Märzgefallenen war lange der preußischen Obrigkeit ein Dorn im Auge Auf dem Friedhof der Märzgefallenen sind die Toten der Revolution vom 18. März 1848 in Berlin und danach sowie die aus der Novemberrevolution von 1918 bestattet, in deren Verlauf Monarchie in Preußen und in Deutschland abgeschafft wurde. Auf Barrikaden und bei Häuserkämpfen leisteten zahllose Bewohner Berlins vor nunmehr 169 Jahren mutigen Widerstand gegen die übermächtigen Truppen König Friedrich Wilhelms IV. Zwar verneigte sich der Monarch vor den Märzgefallenen, aber insgeheim bereiteten er und seine Clique Revanche nach dem Motto "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" vor und verhinderten mit Waffengewalt seine Absetzung.

An die Revolution von 1848 und was ihr folgte, erinnert ein Pavillon auf dem Gelände des Friedhofs der Märzgefallenen. Die von einem Eisengitter vor nächtlichem Vandalismus geschützte Grünfläche auf dem ehemaligen Lindenberg am Rand des Volksparks Friedrichshain ist nicht leicht zu finden. Eine Tafel weist den Weg von der Landsberger Allee zur Gedenkstätte, bei der das sonst bei Friedhöfen übliche Portal mit Kreuzen, Engeln und Inschriften fehlt. Das Gräberfeld war für zunächst 183 Opfer, meistens Arbeiter, Handwerker, Studenten und andere Barrikadenkämpfer, angelegt worden, die im März 1848 von preußischen Soldaten erschossen worden waren. Im Laufe der Revolution kamen weitere Tote hinzu.

Todesopfer auf beiden Seiten

In einem Pavillon wird die Geschichte beider Revolutionen und die des Friedhofs dokumentiert, der sich damals vor den Toren Berlins befand. Dargestellt werden ferner Biographien jener Menschen, die bei dem Volksaufstand gegen die Königsherrschaft und für ein einheitliches Deutschland ums Leben kamen Es werden sowohl die Führer und Opfer der Revolution als auch diejenigen genannt, die die Schießbefehle gaben und den verzweifelten Versuch erstickten, in Preußen und Deutschland demokratische Verhältnisse zu schaffen.

Die Mitglieder eines nach Paul Singer, dem vor hundert Jahren verstorbenen Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Deutschland und Reichstagsabgeordneten, benannten Vereins sehen mit anderen geschichtsinteressierten Berlinern die Gestaltung des Friedhof der Märzgefallenen als ein Mittel an, breit über die Revolutionen von 1848/49 und 1918 zu berichten und sie besser als bisher ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ziel ist es, die Gedenkstätte im Berliner Friedrichshain so bekannt zu machen wie die Paulskirche in Frankfurt am Main als Sitz der deutschen Nationalversammlung oder die Festung Rastatt als letzte Bastion der badischen Revolution im Sommer 1849.

Der Aufstand vom 18. März 1848 und den folgenden Tagen richtete sich gegen die Hohenzollernherrschaft und für Verbesserung der Lebensverhältnisse des einfachen Volkes, und er forderte auf beiden Seiten der Barrikaden viele Todesopfer. Auf die wichtigsten Stätten der Barrikadenkämpfe und weiterer Ereignisse in den Revolutionsjahren 1848/49 weisen mehrere über die Berliner Innenstadt verteilte Gedenktafeln hin. Zwar verneigte sich Preußens König Friedrich Wilhelm IV. vom Berliner Schloss aus vor den "Märzgefallenen", die in einem langen Konvoi an ihm vorbei hinaus zum Friedhof der Märzgefallenen an der Landsberger Allee getragen wurden. Aber insgeheim bereitete er die Revanche vor und war dabei der festen Meinung, dass gegen Demokraten nur Soldaten helfen. In seinem Aufruf "An meine lieben Berliner" behauptete der um seine Herrschaft bangende Monarch, eine "Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend" hätte das Blutvergießen verursacht.

Königliche Siegesmonumente

Das war eine glatte Lüge, denn die wenigsten Revolutionäre kamen von außerhalb. Sie wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zur Diskreditierung der Revolution und ihrer Akteure angeführt, unter denen auch viele verzweifelte Frauen waren. Sie spielte eine Rolle, als Bürgerrechtler bald nach der 48-Revolition forderten, den Toten ein Denkmal auf dem Friedhof im Friedrichshain zu errichten. Noch während Revolution vom 18. März 1848 hatte ein Bürgerkomitee zu einer Sammlung für ein solches Denkmal aufgerufen und um Gestaltungsvorschläge gebeten. Während der Plan jahrzehntelang von offizieller Seite hintertrieben wurde, ließ König Friedrich Wilhelm IV. eine riesige Siegessäule auf dem damaligen Invalidenpark zur Erinnerung an die Führer und Opfer der Gegenrevolution errichten. Die Inschriften der Invalidensäule "National-Krieger-Denkmal zum Gedächtniss der in den Jahren 1848 und 1849 treu ihrer Pflicht für König und Vaterland Gesetz und Ordnung gefallenen Brüder und Waffengenossen errichtet durch den Unterstützungs-Verein von Berg und Mark am 18. Juni 1852" sowie "Die Armee rettete durch ihre Treue das Vaterland" ließen keinen Zweifel darüber, wem die inwendig begehbare Säule gewidmet ist, die am 18. Oktober 1854, dem 41. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, in Anwesenheit des königlichen Stifters eingeweiht wurde.

Die Invalidensäule wurde 1948 gesprengt, als in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone und in den westdeutschen Zonen auf unterschiedliche Weise, aber schon im Zeichen des Kalten Kriegs an die Revolution ein Jahrhundert zuvor erinnert wurde. Der Platz in unmittelbarer Nähe der am 13. August 1961 errichteten Mauer verkam zu einer ungepflegten Rasenfläche und erhielt erst nach der Wiedervereinigung 1990 eine neue würdige Gestalt. Der Brunnen "Die versunkene Mauer" erinnert daran, dass wenige hundert Meter weiter der Grenzübergang Invalidenstraße war, in dessen Umkreis auf Flüchtlinge Todesschüsse abgegeben wurden. Ein 1851 auf Befehl des gleichen Königs am Fuß des Mühlenbergs unweit des Potsdamer Parks von Sanssouci in Potsdam errichteter Torbogen ehrt den Preußenprinzen Wilhelm, der als so genannter Kartätschenprinz unrühmlich bei der Niederschlagung des Aufstandes in Baden 1849 in die Geschichte eingegangen ist.

Verbrettertes Gedenken

In der Kaiserzeit, als eben dieser Wilhelm I. als König an der Spitze von Preußen und als Kaiser des Deutschen Reichs stand und ihm zu Ehren viele Dutzend Reiterdenkmäler und Standbilder errichtet wurden, hat man den Friedhof der Märzgefallenen zeitweilig durch einen Bretterzaun abgeriegelt und versucht, die Hinterbliebenen der Revolutionsopfer zu bewegen, ihre Toten auf andere Friedhöfe umzubetten. Offenbar befürchteten die Behörden eine Umwidmung des Friedhofs in der Nähe des Friedrichshains als Gedenkstätte für die Revolution von 1848/49 und Versammlungsort der linken Opposition. Verweigert wurde die Aufstellung eines Inschriftensteins, weil "das Bauwerk eine Ehrung der dort begrabenen ,Märzgefallenen' bezwecke, mithin eine politische Demonstration zur Verherrlichung der Revolution" sei, so die Begründung. Auf Dauer aber konnte die Erinnerung an die Revolutionäre nicht gelöscht werden, und so wurden die von Sozialdemokraten zu Jahrestagen der Märzrevolution oder am 1. Mai organisierten Umzüge und Kundgebungen an den Gräbern der Märzgefallenen von der Polizei zwar nicht verhindert, aber misstrauisch beobachtet.

Nach dem Ende der Monarchie im Ergebnis der Novemberrevolution von 1918 gestaltete Stadtbaumeister Ludwig Hoffmann den Friedhof um und umschloss die Grabstätte mit einer Mauer. Zur Jahrhundertfeier der Revolution 1948 wurde der Friedhof erneut verändert. Dabei hat man berücksichtigt, dass hier Ende Dezember 1918 auch Tote der Novemberrevolution bestattet wurden. An die Opfer beider Revolutionen erinnern heute sowohl eine Stele mit den Namen der Märzgefallenen und zahlreiche kleine Grabsteine als auch die bronzene Figur eines Roten Matrosen, der von Hans Kies geschaffen und 1960 aufgestellt wurde. Der Wächter trägt ein Gewehr über der Schulter, mit grimmiger Mine und geballter Faust erinnert er an die hier bestatteten Kämpfer der Novemberrevolution von 1918, die maßgeblich an der Beendigung des längst verlorenen Ersten Weltkriegs und der Abdankung Wilhelms II. und der anderen deutschen Monarchen beteiligt waren.

18. Februar 2017





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