"Humpelstilzchens Märchenstunde"
In den Augen von Joseph Goebbels war der nationalsozialistischen Volksaufklärung und Propaganda alles erlaubt



Gern ließ sich Goebbels mit Hitler, seinem Herrn und Meister, fotografieren, hier beim so genannten Eintopfessen, mit dem der sonntägliche Fleischverbrauch im Deutschen Reich gedrosselt werden sollte.



Nach der von Goebbels geleiteten Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 erschien im Ausland die Arbeiter Illustrierte Zeitung mit dieser von John Heartfield gestalteten Fotomontage, die den Minister als Brandstifter geißelt.



Die Karikatur von Clement Moreau zeigt Goebbels in der Pose des Kaisers Napoleon I. Unmittelbar nach dem Selbstmord von Hitler nahm sich das Ehepaar Goebbels am 1. Mai 1945 durch Einnahme von Zyankali das Leben und riss seine sechs Kinder mit in den Tod.



Der Teufel schneidet Goebbels in der englischen Propagandaschrift von 1941 "Struwwelhitler" die Finger ab.



Das aus der Anti-Hitler-Koalition stammende Plakat stellt die Parolen des Ministers mit der rauen Wirklichkeit des Kriegsalltags im untergehenden Deutschen Reich gegenüber.



Der Herrscher über die Medien und Kultur nutzte seine Macht schamlos für eigene Zwecke aus.Erst nach dem Ende des Nazireiches durfte man seine Parolen mit dem vergleichen, was der Krieg angerichtet hatte. (Repros: Caspar)

Joseph Goebbels, seit dem 13. März 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, spielte gekonnt die Klaviatur der Volksverdummung, Lüge und Desorientierung. Als Herr über Presse, Rundfunk, Film und seit Mitte der 1930-er Jahre auch über das Fernsehen überwachten er und seine Helfer vom Sitz des Ministeriums am Berliner Wilhelmplatz 8-9 aus das gedruckte, gespielte und gefilmte Wort und Bild. Goebbels sorgte dafür, dass als "entartet" bezeichnete Kunst der Moderne sowie Werke jüdischer und politisch missliebiger Autoren aus der Öffentlichkeit verschwinden und diesen die Arbeitserlaubnis entzogen wird. Auch tat er alles, hatte damit aber nicht immer Erfolg, dass verbotene Rundfunksendungen und "schräge" Musik gehört wurden, was als Rundfunkverbrechen geahndet wurde und tödliche Folgen haben könnte.

Der Minister verstand seine Arbeit als geistige Aufrüstung und verglich sie mit den Anstrengungen des Reichswehrministeriums und des Militärs. Seine Behörde habe die Aufgabe, in Deutschland eine geistige Mobilmachung vollziehen. Diese sei ebenso nötig, vielleicht noch nötiger als die materielle Wehrhaftmachung des Volkes, ließ der Minister am 25. März 1933 seine Untergebenen wissen. Ungeachtet massiver Kontrollmaßnahmen konnten manchmal Bemerkungen oder Bilder durch die Zensur rutschen, die der NS-Führung nicht genehm waren. Goebbels leitete disziplinarische Maßnahmen ein, wenn er Unbotmäßigkeit witterte, und schreckte nicht vor Entlassungen und Einweisung ins Konzentrationslager und Schlimmerem zurück.

Eine Verordnung vom 30. Juni 1933 verfügte, der Minister sei für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation sowie für die Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, die Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und die Verwaltung aller diesen Zwecken dienenden Einrichtungen zuständig. Wenn einige Mitarbeiter hoffen, er, der neue Reichsminister, werde sich nur gelegentlich in seiner Dienststelle blicken lassen, würden sie sich gründlich irren, vertraute Goebbels seinem zur Veröffentlichung bestimmten und daher auf das große Publikum zugeschnittenen Tagebuch an. Einer Beamtenseele der alten Schule will er gesagt haben: "Nun schieb ab, mein guter Alter! Und wenn es sich bis zu dir noch nicht herumgesprochen haben sollte, dann sei es hiermit noch einmal feierlich gesagt, dass in Deutschland gerade Revolution gemacht wird, und dass diese Revolution auch vor Akten keinen Halt macht".

Primitivste Argumente und eingängige Parolen

In den von ihm geleiteten Ministerkonferenzen sowie durch Presseanweisungen und Sprachregelungen belehrte Goebbels seine Untergebenen sowie Chefredakteure und andere Medienvertreter immer wieder, was er unter Propaganda versteht. Primitivste Argumente und eingängige Parolen sollten in volkstümlicher Sprache verbreitet und ständig wiederholt werden, unentwegt seien Gefühle und Leidenschaften im Volk anzusprechen, niemand dürfe sich auf Diskussionen über den Sinn und Zweck von Entscheidungen des Führers einlassen. Seine Propaganda pflegte der Minister mit Kunst, mit Wagnerscher Musik zu vergleichen, die Hitler so liebte. Von seinen Untergebenen verlangte er, Propaganda "wie Liebe" zu betreiben, die alles erlaubt.

Für den Minister war das Ziel das Wichtigste, der Weg dorthin aber war mit Lügen, Verdrehungen, Unterstellungen, Halbwahrheiten und manchmal sogar mit Wahrheiten gepflastert. Bis zum bitteren Ende des Naziregimes wurde das Volk durch "Humpelstilzchens Märchenstunde", wie man hinter der vorgehaltenen Hand sagte, über die wirkliche militärische Lage getäuscht. Den Volksgenossen wurde erzählt, der Endsieg stehe greifbar bevor, und es kämen in Kürze Vergeltungs- und Wunderwaffen sowie frische Reservetruppen zum Einsatz. Das Kriegsgeschehen werde sich "wenden", versprachen Goebbels und seine Nachbeter tagtäglich. Die Propaganda betete überdies Mutmaßungen der NS-Führung nach, die Anti-Hitler-Koalition sei zerstritten, Hitler habe alles im Griff, nichts könne geschehen, und die Mauern würden zwar brechen, die Herzen der Volksgenossen aber nie.

Schmähliches Ende durch Gift

Dass nicht alles geglaubt und der Kriegsverlauf immer kritischer hinterfragt wurde, dass viele Menschen sich aus so genannten Feindsendern informierten und riskierten, wegen Rundfunkverbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden, lässt sich klar aus den "Meldungen aus dem Reich" und anderen Quellen ablesen, in denen die Gestapo die allgemeine Stimmung auswertete. Die vielen, oft tödlich ausgehenden Verfahren vor dem Volksgericht zeigen, dass sich nach und nach die Volkswut gegen das Regime richtete. Zur Abschreckung legte Goebbels Wert darauf, dass in aller Öffentlichkeit über Todesurteile des von dem Blutrichter Roland Freisler geleiteten Volksgerichtshofs und ihre Vollstreckung berichtet wurde. Seine im Berliner Sportpalast nach der deutschen Niederlage von Stalingrad im Februar 1943 gestellte Frage "Wollt ihr den totalen Krieg" wurde zwar von ausgesuchten Claqueuren und der gleichgeschalteten Presse mit lautstarkem Beifall quittiert. Auf den Ausgang des Krieges und sein eigenes schmähliches Ende und das seiner Frau und seiner sechs Kinder als Selbstmörder hat diese Art der Massenmobilisierung nicht mehr beeinflussen können.

Ab Mitte April 1945 wurden in Berlin die ersten weißen Fahnen gehisst. Sie signalisierten den mit Panzern und Artilleriegeschützen vordringenden Sowjetsoldaten die Bereitschaft der Bewohner zur Kapitulation. Solche Zeichen zu zeigen, war hoch gefährlich und wurde von den Standgerichten unverzüglich mit Erschießen oder Erhängen geahndet. Die wenigen in der Stadt noch erscheinenden Nazizeitungen druckten zur allgemeinen Abschreckung entsprechende Meldungen ab. Goebbels warnte in seinen Durchhalteappellen: "Sollten Provokateure und verbrecherische Elemente versuchen, durch das Hissen von weißen Fahnen oder sonstiges feiges Verhalten in die zur Verteidigung der Stadt entschlossene Bevölkerung Unruhe zu tragen und ihren Widerstand zu lähmen, so ist dagegen sofort mit allen Mitteln einzuschreiten". Das im Propagandaministerium gedruckte Frontblatt "Der Panzerbär" warnte vor der Rache des Regimes. Goebbels behauptete, Berlin habe noch Lebensmittelvorräte für zwölf Wochen und das "in völlig ausreichendem Maße". Dabei war die Versorgungslage äußerst prekär, denn die Lebensmitteldepots am Stadtrand waren nicht mehr erreichbar, weil dort schon die Rote Armee stand, und Nachschub aus den ehemals von der Wehrmacht besetzten Ländern gab es auch nicht.

2. Mai 2017

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