Stinkreich, steinreich und bettelarm
Was es mit uralten Begriffen in unserer Alltagssprache auf sich hat



Fürstliche Leichen wurden wie hier die des 1711 verstorbenen Markgrafen von Brandenburg-Schwedt, Philipp Wilhelm, in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms oft in mehreren übereinander gestülpten Metallsärgen bestattet.



Das Grabmal des 1668 verstorbenen kurbrandenburgischen Feldmarschalls Otto Christoph von Sparr befindet sich in der Berliner Marienkirche, die dahinter liegende Gruft kann nicht betreten werden.



Nur mit wenigen Habseligkeiten gelangten böhmische Glaubensflüchtlinge nach Brandenburg-Preußen. Das Relief schmückt den Sockel eines Denkmals des Soldatenkönigs in Berlin-Neukölln.



Mit ein bisschen Musik und dem Verlauf von Bilderbogen schlugen sich diese Bettler durchs Leben, dargestellt im Jahr 1846 von Ludwig Richter.



Arm und trostlos ging es im 19. Jahrhundert am Tisch derer zu, die durch ihrer Hände Arbeit den Reichtum anderer schufen. (Fotos/Repro: Caspar)

Wer viel Geld hatte, konnte Fleisch essen, das allerdings in der warmen Jahreszeit nicht lange frisch war und langsam zu riechen begann. Für die Wendung stinkreich und ähnliche Wörter gibt es weitere Erklärungen. Eine erinnert daran, dass sich reiche und angesehene Leute in Grüften bestatten ließen, die in Seitenkapellen und in Kellern städtischer Kirchen und in Schlosskapellen eingerichtet wurden. In Berlin sind solche Grüfte beziehungsweise was von ihnen erhalten ist in der Marienkirche, der Nikolaikirche und der Parochialkirche erhalten. Reich verzierte Särge sind darüber hinaus in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms und im Mausoleum aufgestellt, das im frühen 19. Jahrhundert im Charlottenburger Schlosspark errichtet wurde. Außerdem gibt es auf verschiedenen Berliner Friedhöfen mehr oder weniger gut erhaltene Grabkapellen, in denen ebenfalls Sarkophage aufgestellt sind.

Da die Ausdünstungen der in zum Teil aufwändig dekorierten, aber nicht immer luftdicht abgeschlossenen Särge die Gottesdienstbesucher belästigten, sagte man, dass dort ein stinkreicher Mensch seine letzte Ruhe gefunden hat. Darüber hinaus wird die Redewendung mit der Kürschnerei in Verbindung gebracht. Sie hatte mit dem Gerben von Leder und der Verarbeitung von Fellen zu tun, eine Arbeit, die alles andere als geruchsfrei war. Das gleiche trifft auf das Färben von Stoffen zu, bei dem mit Farbstoffen und Urin versetzte Flüssigkeiten zum Einsatz kamen. Wer es sich leisten konnte, verwendete Kräuter und Duftstoffe, um üble Gerüche von sich und seinem Haus fern zu halten.

Dass man einiges auch mit regelmäßigem Waschen und Baden erreicht, war im Mittelalter und der Renaissance Allgemeingut, weshalb man in "besseren" Häusern Badestuben besaß oder in öffentliche Bäder ging, die auch als Treffpunkte von Männern und Frauen sowie für erotische Kontakte beliebt waren. In der Barockzeit hat man sich, glaubt man zeitgenössischen Quellen, kaum gewaschen, sondern sich mit Puder, Cremes und Parfums beholfen und Ungeziefer am Körper und der Kleidung durch Kratzen und Schütteln zu vertreiben versucht. Manche Leute trugen kostbar gestaltete Flohfallen mit kleinen Löchern bei sich, durch die die Insekten zwar in den Behälter kriechen, ihn aber nicht mehr verlassen konnte.

Da man auf Zahnpflege keinen Wert legte und die Zahnbürste und Zahncremes erst im 19. Jahrhundert üblich wurden, blieben in älteren Zeiten schmerzhafte Infektionen nicht aus. Selbst ein Mann wie Friedrich II. von Preußen, der sich jedwede medizinische Hilfe leisten konnte, litt unter ihnen und verlor schon als junger Mann seine ersten Zähne. Dass machte es ihm mit zunehmendem Alter schwer, die von ihm so geliebte Querflöte zu blasen.

Vorgetäuschte Wohlhabenheit

Wer stinkreich war, konnte sich auch ein Haus aus Stein leisten und war daher steinreich. Da viele Häuser nur aus Holz und Lehm gefügt waren, man aber so tat, als bestünden sie aus Ziegelsteinen und Verkleidungen aus Sand- und anderen Natursteinen, hat man gestalterische Tricks angewandt. Indem die Fassaden verputzt und illusionistisch bemalt wurden, täuschten sie Wohlhabenheit der Hausbesitzer vor. Wer durch unsere Städte und Dörfer geht, kann diesen Brauch bei genauerem Hinsehen gut erkennen.

Auf der einen Seite gab es in besseren Kreisen Luxus, teure Garderoben und üppige Schmausereien und Trinkgelage, während auf der anderen Seite in den vielköpfigen Familien der Unterschicht, wie wir heute sagen würden, Hunger, Unterernährung, Krankheit, Bildungsnotstand und Perspektivlosigkeit an der Tagesordnung waren. Die Armen wohnten, wenn sie denn überhaupt eine Unterkunft hatten, in dunklen, feuchten Löchern, in denen sich mehrere Personen ein Bett und wenige Brocken Brot teilen mussten. Das bisschen Lohn, den die Väter nach Hause brachten, war schnell ausgegeben, der Zuverdienst der Frauen und Kinder reichte ebenfalls weder vorn noch hinten. Um aus der Misere zu kommen, wurde gebettelt, doch gab es auch kleine Hilfen aus einem von besser gestellten Bürgern und aus dem Staatssäckel gespeisten Hilfsfonds, den man Armenkasten nannte. Auch in Kirchen wurden gesammelte Spenden und durch mildtätige Vermächtnisse einfließende Beträge halfen, die Armen über Wasser zu halten.

Von Zeit zu Zeit erließen die Räte von Berlin und Cölln Armenordnungen mit dem Ziel, die Doppelstadt möglichst frei von dem als Gesindel und Schmarotzer diffamierten Menschen zu machen und den wohlhabenden Schichten den Anblick bettelnder, gelegentlich durch Wunden und Auszehrung entstellter Männer, Frauen und Kinder zu ersparen. Speziell vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm eingesetzte Vögte hatten die Aufgabe, Bettler von Straßen und Plätzen sowie von Kirchenportalen zu vertreiben und ihre Wiederkehr zu verhindern. In diesen Kreisen gab es staatlich anerkannte Bettler, die an Marken und Zeichen auszumachen waren, die an der Kleidung befestigt waren. Durch sie wollte man die echten Bettler von solchen Personen unterscheiden, die vielleicht nur ihre Armut nur vortäuschten.

1737 richteten die Berliner Stadtverordneten eine Petition an den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., in der mit eindringlichen Worten die erbärmliche Lage der Ärmsten der Armen geschildert und um Abhilfe gebeten wurde. Der Mangel an Arbeit und damit an Lohn hatte den Lebensstandard drastisch gesenkt, durch Missernten verteuerte sich das Nahrungsmittelangebot, und es kam immer wieder zu Streiks und Hungerkrawallen, die der Monarch durch seine Büttel blutig niederschlagen ließ. Aufrührer pflegte man zur allgemeinen Abschreckung öffentlich hinzurichten, da kannte der gottesfürchtige Monarch, dem man gern Rechtschaffenheit, Biederkeit und Volksnähe nachsagte, kein Erbarmen. Wenn Rädelsführer nicht auszumachen waren, griff die Justiz willkürlich ins Schema passende Personen heraus und statuierte an ihnen ein grausiges Exempel. Bloß nicht Widerstand zulassen, war die Parole, das Volk sollte Ordre parieren und nicht räsonnieren!

Irre und dolle Leute

Jene in tiefster Ehrfurcht dem Soldatenkönig vorgelegte Eingabe hatte einen positiven Effekt, denn die so genannte Armenpflege wurde als öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Zwei Jahre später erging ein Befehl, sie unter der Leitung eines Königlichen Armendirektoriums neu zu organisieren. Ihm oblag auch die Sorge um die Kranken und Waisenkinder. Ende des 17. Jahrhunderts wurde in Berlin das Große Friedrichshospital errichtet, in dem neben Kranken und Waisenkindern auch so genannte Irre und dolle Leute vegetierten. Sie wurden medizinisch nicht behandelt, sondern nur eingesperrt, damit sie für die Allgemeinheit nicht gefährlich werden. Da das Hospital 1798 abbrannte, hat man die etwa 500 Patienten der Charité und an private Heilanstalten zugewiesen.

Hilfen für bedürftige Personen innerhalb der Französischen Gemeinde wurde vom Französischen Oberdirektorium organisiert. Es führte Listen der so genannten verschämten Armen, die ohne eigene Schuld in Not geraten waren, ihre Bedürftigkeit aber nach außen nicht kund zu tun wagten. Die 1779 gestiftete Deutsche Gesellschaft zur Versorgung dieser Gruppe mit freiem Brennmaterial nahm sich eine ähnliche Organisation innerhalb der Französischen Kolonie in Berlin zum Vorbild. Friedrich II. unterstützte die Hilfsmaßnahmen, indem er die Berliner französischer Herkunft finanziell förderte und ihnen preiswertes Feuerholz zur Verfügung stellte. Auf der anderen Seite aber war der Monarch, der für die Oper und andere Liebhabereien tausende Taler auszugeben pflegte, beinhart, als es darum ging, Bettlern, Armen, Obdachlosen und anderen "fahrenden Leuten" das Leben in der Haupt- und Residenzstadt zu vergällen und sie vor die Stadttore zu setzen und des Landes zu verweisen. Um ihre Arbeitskraft zu nutzen, ließ der Herrscher von 1756 bis 1758, also zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs, am Rande der Residenz ein Arbeits- und Spinnhaus bauen, in das auf der Straße aufgegriffene Personen Zwangsarbeit verrichten mussten. Die gleiche Aufgabe hatte eine spezielle Abteilung in der als Gefängnis, Waffenarsenal sowie in Kriegszeiten auch als Schatzhaus genutzten Spandauer Zitadelle.



24. Januar 2017

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