Querdenker und Visionär
Albrecht Daniel Thaer, der Begründer der Agrarwissenschaft in Preußen, begann seine Karriere als Arzt / Sein Denkmal steht auf dem Berliner Schinkelplatz



Auf dem Berliner Schinkelplatz wird der berühmte Agrarwissenschaftler und Experimentator von Christian Daniel Rauch in dozierender Haltung dargestellt, als ob er seinen Studenten gerade Ergebnisse seiner Versuche in Möglin erläutern will.







Die Sockelreliefs ehren den bedeutenden Gelehrten und geduldigen Hochschullehrer im Kreise seiner Schüler. Es fehlt auf den Bronzeplatten auch nicht die Schafzucht und -schur, die dem Gelehrten den Spitznamen "Woll-Thaer" in Anlehnung an Voltaire, den französischen Philosophen, langjährigen Briefpartner Friedrichs des Großen und zeitweiligen Gast in Sanssouci, einbrachte.



Die Medaille aus dem Jahr 1839 würdigt Albrecht Daniel Thaer als "Begründer der rationellen Landwirtschaft".



Die blau bemalten Porzellantafeln aus dem Jahr 1956 in der Landwirtschaftlichen Fakultät an der Invalidenstraße zeigen Möglin, wie es zu Zeiten von Thaer ausgesehen hat.



Eine Ausstellung im Mögliner Thaer-Museum würdigen Leben und Werk des Agrarreformers und zeigt, welche Agrargeräte zu seiner Zeit gebräuchlich waren. (Fotos: Caspar)

Zu den herausragenden Agrarwissenschaftlern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts gehört Albrecht Daniel Thaer. Der vor 250 Jahren, am 14. Mai 1752, in Celle geborene Landwirt und Professor der Cameralwissenschaften an der Berliner Universität war ursprünglich Arzt wie sein Vater. Doch entwickelte er schon früh ein Faible für die Landwirtschaft. 1804, nach seiner Übersiedlung nach Preußen, erwarb Thaer, der bereits in Celle ein landwirtschaftliches Lehrinstitut geleitet hatte, das 250 Hektar große Gut Möglin bei Wriezen (Märkisch Oderland), um hier seine Visionen in die Praxis umzusetzen. Dass ein Bürgerlicher das heruntergekommene, aber adlige Rittergut erhielt, war damals noch neu und gewöhnungsbedürftig. Friedrich II., der Große, hatte noch verboten, dass Bürgersleute sich Güter zulegen. Im 19. Jahrhundert stiegen viele Leute ohne blaues Blut und langen Stammbaum in die Landwirtschaft ein und waren erfolgreich, weil sie Thaers in vielen Büchern dargelegten Lehren befolgten. "Ehre deinem Heldentume, / Dreimal Ehre deinem Ruhme, / Aller Taten beste Tat / Ist: Keime pflanzen für den Staat" - mit diesen Worten fasste der Romancier Theodor Fontane sein Lob in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" für "Vater Thaer" zusammen. Der Gelehrte sei genialisch und exzentrisch gewesen, er habe "etwas Wunderkindartiges an Gaben wie an Unarten" gehabt.

Querdenker und Visionäre wie Thaer wurden vor 200 Jahren dringend gebraucht. Da um 1800 der Agrarstaat Preußen mit seiner Landwirtschaft der Zeit hinterher hinkte und immer wieder mit Versorgungskrisen und Hungersnöten zu kämpfen hatte, war die Regierung in Berlin an Verbesserungen stark interessiert. Und so fielen Thaers Forderungen, die Landwirtschaft auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen sowie neue Anbau- und Erntemethoden anzuwenden, auf fruchtbaren Boden.

König gewährte Schutz und Begünstigung

Preußen befand sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem verlorenen Krieg von 1806/7 gegen Frankreich in einer äußerst schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation. Sie zu überwinden, waren umfassende Reformen nötig. Thaer und andere weitblickende Politiker und Gelehrte erkannten, dass die Gesundung des Staates nur dann gelingt, wenn die Menschen frei sind und auch frei über die Produktionsmittel, also Grund und Boden, verfügen können.

Nach seiner Übersiedlung nach Preußen im Jahr 1804 kaufte der als Autor landwirtschaftlicher Lehrbücher bekannte Gelehrte das Gut Möglin bei Wriezen im heutigen Landkreis Märkisch-Oderland, um hier seine Erkenntnisse über Fruchtwechsel und Kleeanbau in die Praxis umzusetzen und mittels handfester Beweise Vorurteile gegen die von ihm als notwendig erkannten Neuerungen abzubauen. Für Thaer war die Entwicklung der Landwirtschaft eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Staates. "Der höchste reine Vortheil aus dem landwirthschaftlichen Gewerbe ist auch der höchste Vortheil für den Staat und die allgemeine Wohlfahrt", schrieb er. König Friedrich Wilhelm III. war beeindruckt und sicherte der 1806 gegründeten Mögliner Lehranstalt ausdrücklich "Schutz und Begünstigung" zu.

In Möglin zeigte Thaer, welche erstaunlichen Erträge durch Melioration der Böden und Einsatz neuer Bearbeitungsgeräte, aber auch durch Fruchtwechsel und unkonventionelle Methoden zur Viehfütterung erzielt werden können. Die von ihm eingeführte Sommerstallfütterung war gewöhnungsbedürftig, weil bis dahin die Tiere auf der Weide und im Wald gehalten wurden, was der aufstrebenden und für das Bauwesen so wichtige Forstwirtschaft erheblichen Schaden zufügte. Die Sommerstallfütterung führte zur Leistungssteigerung in der Tierproduktion und hatte den Vorteil, dass der anfallende Stallmist ein willkommener Dünger zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und damit zur Ertragssteigerung auf dem Acker war.

Als Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und zum "Geheimen Kriegsrat", später zum Staatsrat im Innenministerium ernannt, war es Thaer möglich, an leitender Stelle bei der Ausarbeitung der preußischen Agrargesetze mitzuwirken, mit denen nach der Niederlage von 1806 die Bauernbefreiung auf den Weg gebracht wurde. Dabei mussten viele Widerstände der Gutsherren überwunden werden, die an ineffektiven Arbeitsweisen festhielten und auch nicht bereit waren, auf Hand- und Spanndienste ihrer "Untertanen" zu verzichten.

Gäste aus aller Herren Länder in Möglin

Nach der Gründung der Berliner Universität 1810 stand Professor Thaer ein akademisches Forum zur Verfügung, vor dem er seine Lehren vertreten konnte. Sein Experimental- und Mustergut Möglin wurde europaweit zum Begriff, ein Wallfahrtsort, den man besucht haben musste, um auf dem Laufenden zu sein. Hierher kamen viele Wissenschaftler und Landwirte aus aller Herren Länder, um die Neuerungen in Augenschein zu nehmen, und wer das nicht konnte, las die stets an der Praxis orientierten Ratschläge in den vielen Büchern nach, die Thaer bis zu seinem Tod im Jahr 1828 veröffentlichte.

Thaers Wirken wurde durch zahllose Bücher, aber auch Stiche, Gemälde sowie Denkmäler in Berlin, Celle und Leipzig und auch durch Medaillen gewürdigt. Außerdem hat die Weimarer Republik ihm 1929 eine Banknote zu zehn Reichsmark gewidmet. Die 1838 von dem bekannten Berliner Stempelschneider Henri François Brandt geschaffene Thaer-Medaille zeigt das Altersbildnis des "Begründers der rationellen Landwirthschaft" mit leicht eingefallenem Mund, doch wachem Blick. Im Kontrast zu diesem gelungenen Porträt steht die eher langweilige Rückseite mit einem aus Pflanzen gebildeten Kranz mit einer Widmung darin.

Auf dem Schinkelplatz unweit der Straße Unter den Linden in Berlin steht ein Thaer zu Ehren im Jahr 1860 errichtetes Bronzedenkmal neben den Denkmälern für den Architekten Karl Friedrich Schinkel und seinen Freund und Kollegen Peter Beuth, den Direktor der Technischen Deputation für Gewerbe und des Gewerbeinstitutes. Versehen mit der Widmung "Albrecht Thaer, dem Begründer des wissenschaftlichen Landbaues das dankbare Vaterland. Errichtet im Jahre 1860" wurde das Monument von C. D. Rauch, dem Schöpfer des Friedrich-Denkmals Unter den Linden, modelliert und nach dessen Tod von Hugo Hagen vollendet. Das Monument erinnert an Thaers Tätigkeit als Universitätsprofessor und als Experimentator, und man erkennt auf den Reliefs Schüler und Nachfolger, die seine Lehre weiter entwickelten und in alle Welt trugen.

16. März 2017

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