Hitler sah sich als Werkzeug der Vorsehung
Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 kündigte er die unbarmherzige Ausrottung der Verschwörer an



Viele "Volksgenossen" sahen in Hitler so etwas wie ihren Gott, sie der Kirche abspenstig zu machen, gelang nicht in gewünschtem Umfang.



Hitlers 50. Geburtstag am 20. April 1939 wurde mit großem Pomp gefeiert. Der Diktator erhiel überschwängliche Huldigungen, die ihn in die Nähe eines Gotes rückten. Die Vignette in einer Zeitung verbindet Berlin und wien mit dem Hakenkreuz und dem deutschen Reichsadler.



Charly Chaplin hat in seinem Film "Der große Diktator" gezeigt, was hinter hohlen Phrasen und dem theatralischen Getue des Machthabers Hynkel steckt.







Während Spötter auf der Gegenseite Hitlers Versprechen mit der Wirklichkeit vergleichen, pries die gleichgeschaltete Presse die Vorsehung, die den Führer am 20. Juli 1944 vor Stauffenbergs Bombe bewahrt hat. (Repros: Caspar)


Ihre prinzipiell kirchenfeindliche Haltung zwang die Nationalsozialisten, nach anderen Begriffen für Gott, Jesus Christus, Christentum, Bibel und Kirche zu suchen. Alternativ zu Gott haben Hitler und seine Helfer von der Vorsehung oder göttlichen Vorsehung gesprochen. Der Führer der Nazipartei und Reichskanzler machte sich intern über Religion lustig und wünschte den "Pfaffen" den Strick an den Hals. Für die Zeit nach dem "Endsieg" plante er ein großes Strafgericht über sie mit dem Ziel, die Geistlichkeit auszurotten. Statt der christlichen Religion sollte so etwas wie eine neue, völkische und ganz dem rassistisch-germanischen Weltbild verpflichteten Religion etabliert werden. Da große und kleine Nazis sich ungeachtet andersartiger Forderungen von der Staats- und Parteispitze und dem Verlangen nach Kirchenaustritten weiterhin der christlichen Kirche verpflichtet fühlten, wurde mit Lockangeboten und mehr oder weniger schmerzhaftem Druck versucht, sie ihr abspenstig zu machen. In diesem Sinne wurden Ersatzhandlungen für Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen, Beerdigungen und anderen Gelegenheiten durchgeführt, und auch hohe christliche Feiertage bekamen in Nazikreisen und vor allem in Himmlers SS neue Namen und Ausgestaltungen.

Abrechnung ohne langes Federlesen

In einem seiner von Henry Picker überlieferten Tischgespräche sagte der katholisch geborene und aufgewachsene Hitler am 11. November 1941 im Führerhauptquartier Wolfsschanze: "Die Partei tut gut, sich von der Kirche fernzuhalten. Feldgottesdienste hat es bei uns nie gegeben. Lieber - sage ich mir - lasse ich mich eine Zeitlang exkommunizieren oder bannen. Denn habe ich Erfolg, so muss ich mir nachher sagen lassen: durch den Segen der Kirche hast du es erreicht. Da mache ich die Sache lieber schon ohne Segen, und es wird mir keine Rechnung vorgelegt." Am 27. Februar 1942 ließ Hitler seine Tischnachbarn wissen: "Ich gehe nicht in die Kirche, um Gottesdienst zu hören. Ich sehe mir nur die Schönheit des Bauwerks an. […] Wie wir am 21. März 1933 [dem so genannten Tag von Potsdam, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg offiziell die Regierungsgewalt in Hitlers Hände legte, H. C.] zur Kirche gehen sollten, habe ich mich geweigert. Ich habe mich in der Partei nie darum bekümmert, welcher Konfession meine Umgebung war. Ich möchte auch nicht, wenn ich beerdigt werde, im Umkreis von 10 Kilometern einen Pfaffen sehen. Wenn mir ein solcher helfen sollte, dann würde ich an der Vorsehung verzweifeln." Tatsächlich war ein Geistlicher nicht anwesend, als Hitler sich und seine eben angetraute Frau Eva Braun im Bunker der Berliner Reichskanzlei umbrachten und in deren Garten verbrannt wurden. Aber solch ein schmähliches Ende hatte sich der Diktator selbstverständlich nicht vorgestellt!

Deutlich und bedrohlich wurde Hitler ebenfalls in einem seiner Tischgespräche am 8. Februar 1942 ebenfalls in der Wolfsschanze, als er sagte, der größte Schaden seien unsere Pfarrer beider Konfessionen. "Ich kann ihnen jetzt nicht die Antwort geben, aber alles kommt in mein großes Notizbuch. Es wird der Augenblick kommen, da ich mit ihnen abrechne ohne langes Federlesen. Ich werde über juristische Zwirnsfäden in solchen Zeiten nicht stolpern. […] Jedes Jahrhundert, das sich mit dieser Kulturschande weiterhin belastet, wird von der Zukunft gar nicht mehr verstanden werden. Wie der Hexenwahn beseitigt werden musste, so muss auch dieser Rest beseitigt werden! Dazu ist aber ein gewisses Fundament notwendig." Der Endsieg sollte Hitler die Mittel für seinen Rachefeldzug an unbotmäßigen "Pfaffen" und anderen Oppositionellen in die Hand geben. Da aber die Hoffnungen auf einen Sieg über die Anti-Hitler-Koalition zerstoben, blieb vielen Menschen ein schreckliches Ende erspart.

Der gescheiterte Anschlag

Offiziell sah Hitler in Gott quasi seinen himmlischen Verbündeten, der seine Macht auf Erden für ihn einsetzt und ihm bei der Durchsetzung seiner Ziele hilft. In zahlreichen Reden und schriftlichen Äußerungen bezeichnete sich Hitler als Werkzeug der Vorsehung. Von ihr sei er ausersehen, um Deutschland aus seiner tiefen Erniedrigung zu erretten und es zu neuen Höhen zu führen. Nachdem er mehrere Anschläge überlebt hatte, glaubte er zu wissen, dass ihn die Vorsehung beschützt und ihm den Auftrag gegeben, sein Werk unbeirrt fortzusetzen.

Am Abend des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944 erklärte der leicht verletzte Hitle: "Eine ganze kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtführung auszurotten. Die Bombe, die von dem Obersten Graf von Stauffenberg gelegt wurde, krepierte zwei Meter an meiner rechten Seite. Sie hat eine Reihe von mir teurer Mitarbeiter sehr schwer verletzt, einer ist gestorben. Ich selbst bin völlig unverletzt bis auf ganz kleine Hautabschürfungen, Prellungen oder Verbrennungen. Ich fasse das als eine Bestätigung des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiter zu verfolgen, so wie ich es bisher getan habe. Denn ich darf vor der ganzen Nation es feierlich gestehen, dass ich seit dem Tage, an dem ich in die Wilhelmstraße einzog, nur einen einzigen Gedanken hatte, nach bestem Wissen und Gewissen meine Pflicht zu erfüllen, und dass ich, seit mir klar wurde, dass der Krieg ein unausbleiblicher war und nicht mehr aufgeschoben werden konnte, dass ich seit dem eigentlich nur in der Sorge, der Arbeit und der Sorge, und in zahllosen Tagen und durchwachten Nächten nur für mein Volk lebte! Es hat sich in einer Stunde, in der die deutschen Armeen in schwerstem Ringen stehen ähnlich wie in Italien, nun auch in Deutschland eine ganz kleine Gruppe gefunden, die nun glaubte, den Dolchstoß in den Rücken wie im Jahre 1918 führen zu können. Sie haben sich diesesmal aber sehr getäuscht." Die Behauptung dieser Usurpatoren, dass er nicht mehr lebe, werde in diesem Augenblick widerlegt. Die Attentäter hätten nichts mit der Wehrmacht und vor allem auch mit dem deutschen Heer zu tun, sagte Hitler und kündigte an: "Es ist ein ganz kleiner Klüngel verbrecherischer Elemente, die jetzt unbarmherzig ausgerottet werden."

Dass sich auch Vertreter der katholischen Kirche den Begriff der Vorsehung zu eigen machten, möge das Beispiel des Münchner Kardinals Michael Faulhaber zeigen. Nach dem misslungenen Attentat von Georg Elser auf Hitler am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller sandte der Kirchenfürst dem Reichsoberhaupt im Namen der bayrischen Bischöfe ein Glückwunschtelegramm und ließ im Liebfrauendom ein Tedeum anstimmen, "um im Namen der Erzdiözese der Göttlichen Vorsehung zu danken, dass der Führer dem verbrecherischen Anschlag, der auf sein Leben gemacht wurde, glücklich entronnen ist". Jenseits dieses Kotaus vor dem Reichsoberhaupt bleibt Faulhaber als Verfasser der von 1937 von Papst Pius XI. erlassenen Enzyklika "Mit brennender Sorge" und seines mutigen Einsatzes für Verfemte und Verfolgte sowie vom Tode bedrohte Kranke und Schwache in ehrenvoller Erinnerung.

3. März 2017

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