Hoffnung auf Heimkehr

Kaiser Wilhelm II., genannt der Letzte, ließ es sich im niederländischen Exil gut gehen



In Ära Wilhelms II. mussten Karikaturisten vorsichtig sein, wenn sie dem Kaiser am Zeug flickten, danach hielt man im Deutschen Reich mit Hohn und Spott nicht hinterm Berg. Im Ausland war diese Vorsicht nicht nötig.



Mit Hohn und Spott bedachte der Medailleur Karl Goetz den in die Niederlande geflohenen deutschen Kaiser und König von Preußen.



Was in der Ära von Wilhelm dem Letzten "erreicht" wurde, nahm die Münchner Satirezeitschrift "Simplicissimus" kritisch aufs Korn.



Wilhelm II. mit aufgelötetem Zylinderhut - wer sich diese Respektlosigkeit zu seiner Regierungszeit erlaubt hätte, wäre wegen Majestätsbeleidigung ins Gefängnis gekommen. (Fotos/Repros: Caspar)

Glück hatte Kaiser Wilhelm II., dass er im November 1918 nicht ermordet wurde wie der mit ihm verwandte russische Zar Nikolaus II. und seine Familie, sondern im niederländischen Exil einen kleinen, aber feinen Hofstaat unterhalten konnte. Bis zu seinem Tod 1941 hoffte der Exkaiser auf seine triumphale Rückkehr nach Berlin. Auf der anderen Seite hatten viele seiner ehemaligen Untertanen für den zwirbelbärtigen Monarchen nur noch Spott und Hohn übrig.

Die Unterstützung für Wilhelm II., der am 29. Oktober 1918 Potsdam auf Nimmerwiedersehen verlassen und sich am 10. November 1918 in die Obhut der Niederlande begeben hatte, bescherte deren Königin Wilhelmina erhebliche Probleme, denn das deutsche Staatsoberhaupt stand auf der Kriegsverbrecherliste der siegreichen Ententemächte ganz oben. Anfangs mittellos, weil sein Vermögen in der Heimat beschlagnahmt war, konnte Wilhelm II. dank der Generosität des preußischen Staates das Schloss Doorn bei Utrecht mit Nebengebäuden und Park für 1,35 Millionen Gulden kaufen und alsbald geradezu königlich ausstatten.

Die standesgemäße Aufnahme des hohenzollernschen Millionärs in den Niederlanden stiftete in der Heimat Unmut, denn selbstverständlich war es den Hinterbliebenen der unzähligen Kriegstoten und verwundeten und verelendeten Menschen nicht zu vermitteln, dass dem "Obersten Kriegsherren" noch dessen Geld und Kunstbesitz hinterher geworfen wird. Bei der Fürstenabfindung von 1926 wurden Wilhelm II. und seinesgleichen bedeutende Vermögenswerte zugesprochen, die ihnen ein Leben der "gehobenen" Art samt Nutzung ihrer Schlösser sicherten. 1929, im ersten Jahr der Weltwirtschaftskrise, verfügte der Ex-Kaiser über ein Vermögen von 55 Millionen Reichsmark, mit denen es sich gut leben ließ. Um sich in Doorn fit zu halten, fällte er im Schlosspark viele Bäume und zersägte sie in Scheiben, die er, mit Namen und Daten versehen, als Souvenirs verschenkte. Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass der Schlossherr den geschundenen Park wieder aufforstete und sogar Rosen zu züchtete.

Während starke kaisertreue Kräfte die Rückkehr des Monarchen nach Deutschland forderten und dem "Weimarer System" die Pest an den Hals wünschten, standen "Wilhelm dem Letzten" in Doorn nicht nur erhebliche Mittel aus seinem Privatvermögen, sondern auch Hausrat aus den kaiserlichen Schlössern zur Verfügung. Kunst und Trödel waren dem Flüchtling in zahlreichen Eisenbahnwaggons hinterhergeschickt worden, und zwar nicht nur Tafelsilber, brillantbesetze Tabatièren Friedrichs des Großen und andere Andenken an die Hohenzollern und ihre Verwandten sowie edles Mobiliar und wertvolle Gemälde, sondern auch unscheinbare Gebrauchsgegenstände sowie Waffen, Orden und Uniformen, in denen der Kaiser in besseren Zeiten vor Malern und Fotografen zu posieren pflegte.

Wilhelm II. empfing Huldigungsadressen und bewundernde Besucher. Er ließ sich wie ein regierender Monarch mit "Euer Majestät" ansprechen, setzte hinter seinem Namen wie vor seiner Entmachtung in der Novemberrevolution von 1918 die Initialen IR (Imperator Rex, Kaiser König). Dem durch Zeitungsstudium und Kontaktpersonen stets über die fragilen politischen Zustände in Deutschland und der Welt bestens informierten Herrn von Doorn wurde die Zeit nie lang. Er unterhielt eine lebhafte Korrespondenz mit Offiziersvereinen und monarchistischen Gruppierungen und verfasste seine Memoiren, in denen von Reue oder Schuldbewusstsein nichts zu finden ist.

Wie die deutsche Generalität und konservative Kreise waren der ehemalige Kaiser und sein Sohn, Kronprinz Wilhelm, davon überzeugt, dass das im Ersten Weltkrieg angeblich unbesiegte deutsche Heer von hinten "erdolcht" wurde, also einem heimtückischen Anschlag durch Vaterlandsverräter in der Heimat unterlag und am Siegen gehindert wurde. Wilhelm II. fasste die so genannte Dolchstoßlegende in seinem 1922 veröffentlichten Rechtfertigungsbuch "Ereignisse und Gestalten" in diese Worte: "Fürwahr, die heldenmütige Tapferkeit des deutschen Volkes hätte ein besseres Los verdient, als dass sie dem tückischen Dolchstoße von hinten zum Opfer fiel" zusammen. Als Pläne bekannt wurden, dass die Siegermächte den Kaiser und die deutschen Heerführer vor ein Gericht stellen wollen, habe er, Wilhelm II., an eine "Selbststellung" gedacht, sei aber von seiner eigenen Auslieferung abgerückt, weil dieser Schritt die Lage Deutschlands nicht verbessert hätte. "Meine persönliche Opferfähigkeit hatte ich ja schon bewiesen, indem ich außer Landes ging und meinem und meiner Väter Thron entsagte." Das Opfer sei umsonst gewesen, sein Fortgehen, also die Flucht ins Exil, habe den Deutschen weder günstigere Waffenstillstands- und Friedensbedingungen verschafft noch einen Bürgerkrieg abzuwenden vermocht.

Nie hat der seiner Macht beraubte Kaiser die Hoffnung aufgegeben, "ein neues Deutsches Reich unter mir zu erobern" und es jenen ordentlich zu zeigen, die ihm die Schmach der Entthronung zugefügt hatten. Obwohl sich einige Familienmitglieder mit den Nazis gemein machten in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe die Monarchie wieder aufleben zu lassen, wusste sich Hitler die ehemals regierende Familien vom Leibe zu halten. Als der Exkaiser mit 82 Jahren am 4. Juni 1941 in Doorn starb, schickte Hitler nur einen Kranz und ließ eine Ehrenwache aufmarschieren.

Dass Wilhelm II. Hitler 1940 gönnerhaft für den "von Gott geschenkten gewaltigen Sieg" der deutschen Wehrmacht über Frankreich gratuliert hatte und dabei an die militärischen Erfolge Kaiser Wilhelms I. und Friedrichs des Großen erinnerte, hatte nach dem Krieg unangenehme Folgen für das Haus Hohenzollern. Denn die Niederländer beschuldigten den toten Monarchen der Kollaboration mit dem Deutschen Reich und konfiszierten seinen Besitz als "Feindvermögen". So wurden die seinerzeit mit der Eisenbahn herbeigeschafften rund 15 000 Kunst- und Alltagsgegenstände aus Berlin und Potsdam niederländisches Staatseigentum und können im Museum Haus Doorn besichtigt werden.

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