Alu-Münzen zu Hundemarken und Fingerhüten
Warum der so genannte Verfassungstaler von 1922 verachtet wurde und was aus DDR-Geprägen wurde



In den Farben schwarz, rot und gold wirbt ein von César Klein gestaltetes Plakat für die Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Sie bestimmte am 11. Februar den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten und nahm am 31. Juli die Weimarer Verfassung an, die am 11. August 1919 von Ebert feierlich unterzeichnet wurde.



Gewöhnungsbedürftig waren die neuen Fünfzigpfennigstücke, bei denen Getreidegarben die Stelle des Reichsadlers einnehmen. Der Verfassungstaler von 1922 wurde, kaum dass er geprägt wurde, wieder eingeschmolzen oder zweckentfremdet verwendet.



Die probeweise hergestellten Alu-Dreimarkstücke von 1923 erhielten einen silbernen Überzug. Josef Wackerles Reichsadler war für viele andere Münzen der Weimarer Republik verbindlich.



Als der sozialdemokratische Reichspräsident Friedrich Ebert 1925 an den Folgen einer nicht behandelten Blinddarmentzündung starb, hat Benno Elkan ihm diese Gussmedaille gewidmet. Eberts Nachfolger wurde der kaiserliche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, der 1933 Hitler an die Macht verhalf.



Von der Norm weichen verschiedene Münzen der Weimarer Zeit ab. So erscheint Friedrich Schiller auf einem 1000-Mark-Stück von 1923, das nur als Probe existiert.



Münzen der DDR wie diese Pfennige und Markstücke aus Aluminium avancierten nach dem Ende des zweiten deutschen Staates zu begehrten Sammelstücken. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Weimarer Republik waren weitaus mehr Münzemissionen geplant als dass sie verwirklicht wurden. Um die Fülle der Motive und künstlerischen Handschriften ermessen zu können, müssen wir jene seltenen Stücke hinzurechnen, die probeweise für künstlerische Wettbewerbe eingesandt oder zu Anschauungszwecken hergestellt wurden. Die seit 1925 geprägten Gedenkmünzen hatten, was kaum wahrgenommen wird, einen Vorläufer, und zwar das Drei-Mark-Stück von 1922 und 1923 aus Aluminium mit der Umschrift VERFASSUNGSTAG 11. AUGUST 1922. Anlass der Emission war der dritte (!) Jahrestag der republikanischen Reichsverfassung, die am 11. August 1919 vom neu gewählten Reichspräsidenten Friedrich Ebert unterzeichnet wurde. Der Verfassungstag löste "Kaisers Geburtstag" jeweils am 27. Januar, ferner den 18. Januar zum Gedenken an die Gründung des unter preußischer Oberhoheit stehenden Kaiserreichs am 18. Januar 1871 sowie den als "Sedantag" gefeierten 2. September ab, an dem die Entscheidungsschlacht im deutsch-französischen Krieg am 2. September 1870 gefeiert wurde. Die Münze erhielt den volkstümlichen Namen "Verfassungstaler", weil nach alter Definition in der Kaiserzeit ein Taler den Wert von drei Mark besaß. Zwar wurden die Aluminiummünzen in hohen Stückzahlen geprägt, die in den Katalogen vermerkt sind, doch gelangten große Bestände nicht zur Ausgabe. Und wenn sie in den Geldkreislauf gelangten, dann blieben sie nicht lange dort, sondern wurden anderweitig verwertet, weil sie als "Blech" wenig Ansehen hatten. Für das Drei-Mark-Stück bekam man in den letzten beiden Inflationsjahren kaum etwas zu kaufen. Da das Leichtgewicht aus billigem Material bestand, hat man es nicht für "voll" genommen. Außerdem war der dritte Jahrestag der Weimarer Verfassung kein der numismatischen Erinnerung wertes Datum, wie auch in der damaligen Presse kritisch vermerkt wurde.

Einigkeit und Recht und Freiheit

Ein dritter, also "krummer" Jahrestag als Grund für eine Gedenkprägung verwundert, sollte aber im politischen Kontext gesehen werden. Denn die neue Republik musste alles tun, um ihren Bürgern die Gewissheit zu vermitteln, dass diese junge Republik ihr Staat ist. Außerdem lag der neuen Reichsregierung und den sie tragenden Parteien sehr daran, dass der 11. August als Gedenktag populär wird, was angesichts der Vorbehalte weiter Bevölkerungskreise ihr gegenüber nicht leicht war. Konservative, monarchistische bis rechts gerichtete Kreise taten alles, die als "System" verunglimpfte Republik zu diskreditieren und ihren Repräsentanten das Leben schwer zu machen. Den Feinden der Republik spielten die hohen Lasten in die Hände, die der von Vertretern der neuen Republik unterzeichnete Versailler Friedensvertrag den Deutschen abverlangte. Die heutigen Münzkataloge enthalten zwar Angaben über die Höhe der jährlichen Auflagen des in allen sechs deutschen Münzstätten in unterschiedlich hohen Stückzahlen geprägten Verfassungstalers. Doch sagen sie nichts darüber aus, was von den zum Teil enormen Prägemengen tatsächlich noch erhalten ist. Denn die Münzen wurden als Rohstoff betrachtet und wieder der Industrie zugeführt.

Dass es sich beim Verfassungstaler von 1922 um ein numismatisches Intermezzo handelt, wurde auch schon in der zeitgenössischen Presse bemerkt. Das billige Aluminium war nicht gerade dazu angetan, Vertrauen in diese Ausgabe zu wecken und die Verbundenheit der Bürger zur Weimarer Republik zu fördern. Das gilt auch für weitere Münzen aus dem Leichtmetall zu 200 und 500 Mark aus dem Jahr 1923. Sie sind ähnlich gestaltet, tragen aber auf der Adlerseite die der dritten Strophe des "Deutschlandlieds" von Heinrich Hoffmann von Fallersleben entlehnte Umschrift EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT. Die "Vossische Zeitung" in Berlin schrieb am 15. Mai 1923 über diese Emissionen unter der Überschrift "Entwöhnung vom Hartgeld", dass die neuen 200-Mark-Münzen ungern im Geldverkehr angenommen werden und die Reichsbank die Kosten der Verpackung von je 100 Stück in eigens gemachten "Düten" Selbstkosten in Höhe von 36 Mark verliert, also noch draufzahlt. Probeweise seien einige Aluminiumstücke zu 1000 Mark "mit Schillerkopf" statt Hoheitszeichen geprägt worden. Dass die Normalstücke nicht ganz wertlos waren, geht aus einer Notiz in den "Blättern für Münzfreunde" vom Mai 1923 hervor, wonach in Läden an der Berliner Friedrichstraße die 200-Mark-Münzen 250 Mark kosten und "daraus gemachte Fingerhüte" sogar 1000 Mark. Dem Hinweis, dass die Verfassungstaler umgeprägt werden sollen, folgt der Ratschlag "Verkauf an Auslandssammler wäre lohnender". Die "Blättern für Münzfreunde" (April/Mai 1925) schrieben, dass die Hamburger Münze die Aluminiumstücke zu 200 Mark zu Hundemarken umgestempelt hat. So hatten diese Münzen wenigstens noch einen praktischen Verwendungszweck. Bei der zum 30. August 1924 für ungültig erklärten Verfassungsmünze, auf der der nach einem Entwurf von Josef Wackerle gestaltete und auch bei vielen anderen Münzen und offiziellen Preismedaillen der Weimarer Republik verwendete Reichsadler erscheint, ist auf Probestücke aus Silber und Nickel sowie aus aluminiumplattiertem Kupfer beziehungsweise Eisen zu achten, die natürlich sehr selten und teuer sind.

Viele der in Rudolf Schaafs Buch von 1979 über die deutschen Probemünzen seit 1871 aufgeführten Geldstücke sind Materialproben und deuten auf große Experimentierfreude sowohl in der Kaiserzeit als auch danach. So kommen die Drei-Mark-Stücke von 1922 und 1923 aus Aluminium auch als Abschläge aus Silber, Nickel und Kupfer pur sowie mit verschiedenen Metallplattierungen vor. Für das Jahr 1922, in dem die Geldentwertung bereits stark vorangeschritten war, sind Fünf-Mark-Stücke aus aluminiumplattiertem Kupfer oder Nickel überliefert, ja es gibt aus dem gleichen Jahr auch eine Ausgabe zu 1000 Markstück aus Aluminium beziehungsweise Silber mit dem Kopf von Friedrich Schiller und der Umschrift "Frei durch Vernunft, stark durch Gesetze". Schaaf zufolge wurden die Münzen im Brandschutt der Stuttgarter Münze gefunden; Exemplare befinden sich im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank. Ein besonderer Anlass ist auf den Münzen nicht vermerkt, doch zeigt das Beispiel, wie sehr man in der Frühzeit der Weimarer Republik um Formen, Materialien und Themen gerungen hat.

Sich regen bringt Segen

Erwähnt sei, dass die Aluminiummünze von 1922/2 ein Pendant hatte, nämlich ein Fünfzig-Pfennig-Stück mit den Jahreszahlen 1919, 1920, 1921 und 1922. Da im ersten Jahr der Weimarer Republik noch nach einem gültigen Hoheitszeichen gesucht wurde, denn der alte Kaiseradler sowie Kronen und Ordensketten waren obsolet, half man sich mit der Darstellung von Getreidegarben, auf die die doppelte Schriftzeile "Sich regen bringt Segen" gelegt wurde. Während der Verfassungstaler sowie ein ähnlich gestaltetes Drei-Mark-Stück ohne die auf den 11. August 1919 weisende Widmung eine schöne Antiquaschrift benutzen, hat der Berliner Stempelschneider Reinhard Kullrich eine von ihm entwickelte Fraktur eingraviert. Erst auf dem von Eddy Smith geschaffenen Drei-Mark-Stück von 1930 zum 700. Todestag des Minnesängers Walther von der Vogelweide findet man eine ähnliche "deutsche" Schrift. In der Zeit des Nationalsozialismus war sie obligatorisch. Zu der von Hitler befohlenen Umstellung auf die lateinische oder Antiquaschrift ist es in der Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht gekommen. Hitler verschob diesen Plan auf die Zeit nach dem - dann nicht eingetretenen - Endsieg

Nach dem Ende des SED-Regimes im "Wendeherbst" 1989 war es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch die deutsche Teilung aufgehoben wurde. Auf die Währungsunion am 1. Juli 1990 folgte drei Monate später die Wiedervereinigung. Jetzt war die Deutsche Mark auch in den "neuen Bundesländern" alleiniges Zahlungsmittel. Wer 1990 clever war, gab nicht alle seine DDR-Münzen weg, sondern behielt welche. Schon bald avancierten sie zu interessanten Sammlerstücken, zumal dann, wenn es sich um exzellente Erhaltungen und seltene Ausgaben handelte. Nach Öffnung der Archive wurde bekannt, dass bestimmte im DDR-Gesetzblatt veröffentlichten Prägezahlen nicht stimmen, denn vielfach wurden die im VEB Münze der DDR hergestellten Kurs- und Gedenkmünzen wieder eingeschmolzen, um Material für neue Ausgaben zu gewinnen. Dergleichen war nicht neu, auch in der Vergangenheit kam das immer wieder vor. In den nach 1990 veröffentlichten Katalogen und Münzbüchern finden sich Angaben über Probeprägungen und andere Ausgaben. Für manche muss man heute viel Geld bezahlen. Das gilt auch für die seinerzeit wegen ihres leichten Gewichts verachteten "Alu-Chips", die tonnenweise zur Gewinnung von Bierdosen, Autofelgen und anderen Erzeugnissen aus Aluminium eingeschmolzen wurden. Die Pfennige und Markstücke in exzellenter Erhaltung zu bekommen, ist bald 30 Jahre nach dem Ende der DDR nicht einfach.

16. April 2017

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"