Badischer Anachronismus
Erst Großherzog Friedrich II. bequemte sich zur korrekten Schreibweise seines Titels



Großherzog Ludwig von Baden ließ in Karlsruhe eine modern ausgestattete Prägeanstalt bauen, die bis heute tätig ist. Das Fünf-Gulden-Stück von 1828 gibt seinen Titel in falscher Schreibweise wieder.



Die Silbermedaille zeigt, wie die klassizistische Fassade der Münze zu Karlsruhe aussieht und was hinter ihren Mauern produziert wurde.



Großherzog Leopold wurde mit "Königliche Hoheit" angesprochen, seine Büste und das von Greifen flankierte Landeswappen schmücken den Doppeltaler aus dem Jahr 1847.



Großherzog Friedrich I. und sein Nachfolger Friedrich II. schrieben ihren Titel auf den Münzen von 1907 und 1912 auf unterschiedliche Art. (Foto/Repros: Caspar)

Neben anderen deutschen Territorialstaaten gehörten Baden und Württemberg zu den Gewinnern der territorialen Umwälzungen um 1800. Markgraf Carl Friedrich von Baden vergrößerte sein Land auf Kosten anderer Fürstentümer und reichsfreier Städte auf das Vierfache und wurde, wie sein württembergischer Nachbar Friedrich, 1803 in den Rang eines Kurfürsten erhoben, was zu Veränderungen bei Titeln und Wappen auf badischen Münzen führte. Carl Friedrich schlug mit französischer Hilfe die bayerische Kurpfalz mit Mannheim und Heidelberg, Teile der Bistümer Basel, Speyer und Straßburg, ferner elf Reichsabteien sowie reichsunmittelbare Städte und weiter Territorien, die bisher zu Hessen und Nassau gehörten, seiner Herrschaft zu. Zum Dank für Schutz und Landgewinn schlossen der Kurfürst von Baden und weiter Regenten politische und militärische Allianzen mit Napoleon I. ab, dem neuen starken Mann in Europa. Ein 1808 probeweise in wenigen Exemplaren geprägter so genannter Rheinbundtaler kombiniert den Kopf des französischen Kaisers mit der Wertbezeichnung im Eichenkranz und der darum laufenden Inschrift CARL. FRIED. GR. HERZ. V. BADEN. Die Randschrift dieser numismatischen Rarität spricht die Hoffnung GOTT BEFESTIGE UNSEREN BUND.

Da auch unter Freunden nichts für umsonst zu haben war, mussten sich die begünstigten Herrscher als Mitglieder des 1806 Rheinbundes Bündnisse mit dessen Protektor Napoleon I. zur Stellung von Soldaten verpflichten. In den folgenden Jahren verbluteten zahllose Deutsche, unter ihnen viele aus Baden, auf europäischen Schlachtfeldern für französische Interessen. Um die Freundschaftsbande zu besiegeln, heiratete der badische Erbprinz Karl eine Nichte von Kaiserin Josephine, der ersten Gemahlin Napoleons I., während Prinzessin Katharina, eine Tochter von Friedrich I. von Württemberg, den in Kassel residierenden König Jerôme von Westphalen ehelichte. Als noch die napoleonische Sonne auf die Herrscherhäuser schien, war man auf die Verwandtschaft mit dem korsischen Emporkömmling stolz. Nach dessen Sturz und Verbannung empfand man sie nur noch als peinlich.

Im Unterschied zu seinem königlichen Nachbarn Friedrich I. von Württemberg gelang es dem neuen Kurfürsten beziehungsweise ab 1806 Großherzog Carl Friedrich von Baden nicht, die Königswürde zu erlangen. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der badischen Numismatik, dass bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts auf Münzen und Medaillen der großherzogliche Titel stets mit einem "s" geschrieben wurde. Angeblich bezieht sich dieser Brauch auf Bestimmungen des Wiener Kongresses, wo der Großherzog und sein kleines Reich so geschrieben wurde. Das wollte man wohl nicht ändern, und so kommt es, dass Münzen mit nur einem "s" im Titel keinen Stempelfehler enthalten, sondern einer protokollarischen, seinerzeit als Anachronismus kritisierte Marotte folgen. Erst Großherzog Friedrich II. von Baden bequemte sich, seinen Titel den Regeln der Rechtschreibung anzugleichen und das zu tun, was bereits in den Großherzogtümern Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg und Sachsen-Weimar und Eisenach Usus war.

Das im frühen 19. Jahrhundert um das Vierfache vergrößerte Baden mit seinen vielen neuen Landesteilen musste, um wirtschaftlich überleben zu können, sein Geld- und Münzwesen neu ordnen. Auf die Dauer ging es nicht an, dass man, wie das häufig Usus war, mit dem Geld anderer Länder bezahlte und dieses auch einnahm. Deshalb musste eigenes in großen Mengen her. Die bisherige Münzstätte in Mannheim reichte nicht aus, um den vermehrten Bedarf an Hartgeld zu befriedigen, und außerdem war sie zu weit von der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe entfernt. So richtete Großherzog Ludwig von Baden nach längeren Vorbereitungen 1826/7 in Karlsruhe eine neue, leistungsfähige Münzstätte ein. Die "Eröffnungsmünze" war ein mit Stempeln von Carl Wilhelm Doell geprägtes goldenes Fünf-Gulden-Stück, das den Landesherrn und sein Wappen unter der Königskrone abbildet. Nach der Reichsgründung von 1871, die Baden und den anderen Bundesstaaten einen Verlust an Souveränitätsrechten eintrug, erhielt die nun im Auftrag des Reiches weiter tätige badische Landesmünze den Buchstaben G, den sie bis heute führt. Die ersten Karlsruher Reichsprägungen sind Goldstücke von 1872 zu zehn und 20 Mark, es folgte schon bald Silberstücke zu fünf und zwei Mark sowie Kleinmünzen.

Übrigens war es Reichskanzler Prinz Max von Baden, ein Vetter von Großherzog Friedrich II., der in Berlin der Monarchie den Todesstoß versetzte. Er hatte ohne Rücksprache mit Kaiser Wilhelm II. am 9. November 1918 dessen Thronentsagung verkündet und damit auch die eigene Dynastie entmachtet. Das vorsichtige Taktieren von Großherzog Friedrich II. verhinderte, dass es in Baden zu jenen blutigen Exzessen kam, die anderswo die Geburt der Weimarer Republik begleiteten.

2. Oktober 2017

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