Mit dem "Adler" von Nürnberg nach Fürth
Münzen und Medaillen mit Eisenbahnmotiven sind interessante Sammelstücke / Nicht alle Zeitgenossen waren von den schnaufenden Vehikeln begeistert



Mit großem Staunen und Hurrarufen haben 1835 Schaulustige die Eisenbahnfahrt von Nürnberg nach Fürth begrüßt.



Die Eröffnung der Bahnlinie wurde im gleichen Jahr durch einen Gedenktaler gewürdigt, auf dem sich die Bavaria lässig an ein Flügelrad, das Symbol des Eisenbahnwesens, lehnt.



Eine 1844 geprägte Medaille zur Gewerbeausstellung im Berliner Zeughaus kombiniert das Bild der Borussia mit einer Lokomotive, um die damals in der Industrie und Landwirtschaft eingesetzte Maschinen gruppiert sind.



Einen Nachbau der in der Borsig'schen Maschinenfabrik gebauten Lokomotive "Beuth" kann man im Deutschen Technikmuseum Berlin bestaunen.



Die Vollendung der österreichischen Südbahn von Wien nach Triest und weiter nach Venedig und Mailand war 1857 die Prägung eines Doppeltalers wert.



In voller Schönheit ist eine Lokomotive auf der Medaille von 1855 mit dem Hinweis "Von Paris nach St. Germain" dargestellt.



Das Gemälde im Deutschen Technikmuseum Berlin schildert, wie eine Eisenbahn die Brücke bei Ehrenbreitstein überquert, während im Tal eine Postkutsche so langsam fährt, dass der Wandergeselle noch Zeit hat, seinen Hut für eine Spende einem Reisenden entgegen zu halten. Die von Paul Friedrich Mayerheim geschaffene siebenteilige Bilderserie, zu der dieses Gemälde gehört, stammt aus der Villa Borsig und wurde 1936 von der Familie dem damaligen Verkehr- und Baumuseum geschenkt.



Der Eisenbahnverkehr zwischen Dresden und Leipzig wurde 1988 von der DDR durch eine Fünf-Mark-Münze mit der Lok "Saxonia" gewürdigt. Zur 150-Jahrfeier der Eisenbahn in Deutschland gab die Bundesregierung 1985 ein Fünf-Mark-Stück heraus. (Fotos/Repros: Caspar)

Sammler von Münzen und Medaillen mit Eisenbahn-Motiven finden in der numismatischen Literatur sowie den Angeboten des Münzhandels viele interessante Stücke aus aller Welt. Nicht jeder weiß, dass 1835 das Eisenbahnzeitalter im damaligen Deutschen Bund nicht ohne Schwierigkeiten und Protesten begann. Der König von Hannover meinte, dass seine Untertanen diese qualmenden "Dampfrösser" nicht brauchen. "Ich will keine Eisenbahn im Lande; ich will nicht, dass jeder Schuster oder Schneider so rasch reisen kann wie ich", fasste er seine Meinung zusammen, weil er und seinesgleichen Sorge um ihre Exklusivität hatten und lieber langsame Reisen auf schlechten Straßen und in wackligen Kutschen in Kauf nahmen statt auf geraden Schienen ein Ziel in Geschwindigkeiten von anfangs 30 bis 50 km/h und später immer schneller anzusteuern. Auch andere Gegner der aus England importierten und dann bald in Preußen und andren deutschen Staaten gebauten, von weitem an qualmenden Schloten und schrillen Fahrgeräuschen erkennbaren Eisenbahnen missbilligten, dass vornehme Leute im gleichen Zug wie Handwerker, Krämer und Posenreißer sitzen und sicher und pünktlich zur gleichen Zeit am gleichen Ort ankommen. Zeitgenossen mit mehr Weitblick verglichen die Eisenbahn mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und des Schießpulvers, die auf ihre Weise die Entwicklung der Menschheit revolutioniert haben.

Arzte warnen vor Delirium furiosum

Mediziner forderten 1835, Ortsveränderungen mittels Dampfmaschinen sollten im Interesse der öffentlichen Gesundheit verboten werden. Die raschen Bewegungen könnten zu geistiger Unruhe, zum "Delirium furiosum" führen. "Selbst zugegeben, daß Reisende sich freiwillige der Gefahr aussetzen, muß der Staat wenigstens die Zuschauer beschützen, denn der Anblick einer Lokomotive, die in voller Geschwindigkeit dahinrast, diese schreckliche Krankheit zu erzeugen. Es ist daher unumgänglich nötig, daß eine Schranke, wenigstens sechs Fuß hoch [etwa so hoch wie heute ein erwachsener Mensch, H. C.], auf beiden Seiten der Bahn errichtet werde." Man darf davon ausgehen, dass die besorgten Verfasser des Gutachtens bald selber mit der Eisenbahn fuhren und es sicher auch nicht gern gesehen hätten, wenn eine Mauer ihren Blick auf die Landschaft zerstört. Es gab auch Bauern an den Eisenbahntrassen, die um ihr Vieh bangten und den Untergang der Welt voraus sahen, wenn sich die neue Art des Reisens durchsetzen sollte.

Der Unternehmer, Diplomat sowie Vorkämpfer für den Deutschen Zollverein und das Eisenbahnwesen Friedrich List rechnete seinen Zeitgenossen vor, was sie gewinnen, wenn überall Eisenbahnen verkehren. Die Einnahmen der Länder und Kommunen könnten durch den regen Reiseverkehr, durch die schnelle Erreichbarkeit der Städte und Handelsplätze, des raschen Umschlags von Industrieerzeugnissen und landwirtschaftlichen Produkten enorm gesteigert werden. An dem einen Ort billig erzeugte Waren könnten an einem anderen Ort gewinnbringend verkauft werden. "Überall gewahrt man, wie der Mangel an wohlfeilen Transportmitteln die Bevölkerung und Gewerbeindustrie nieder hält", schrieb List und gab zu bedenken, dass sich die Städte durch eine Anbindung untereinander viel schneller entwickeln würden als es bisher der Fall ist. Durch den Eisenbahnverkehr könne man nur gewinnen, fasste List seine Vorschläge zusammen, die mit zeitgenössischen Berichten übereinstimmen, wonach das Reisen und der Transport von Gütern aller Art einschließlich des Postverkehrs zu Lists Zeiten mühsam, langsam, teuer und unsicher war. Wer sich damals auf Schusters Rappen begab, also zu Fuß wanderte, oder für einige Taler mit der Kutsche fuhr, war gut beraten, vorher seine familiären Angelegenheiten zu ordnen und/oder sein Testament zu machen, denn unterwegs konnte immer etwas Schreckliches - Unfall, Unwetter und Attacken durch Straßenräuber - geschehen.

Star der nach dem bayerischen König Ludwig I., dem Adressaten jenes ärztlichen Gurtachten, benannten Ludwigsbahn war die Dampflok "Adler". Der für technische Neuerungen empfängliche Monarch hatte 1834 das Privileg für den Bau einer Eisenbahntrasse zwischen Nürnberg und Fürth erteilt. Da man noch keine eigenen Lokomotiven besaß, wurde ein von dem englischen Fabrikanten Stephenson gebauter Dampfwagen eingesetzt. Dieser kam im Herbst 1834, in Einzelteile zerlegt, in Nürnberg an und wurde dort von einem Vertreter der Lieferfirma wieder zusammengebaut. Ein Jahr später fanden Probefahrten und schließlich am 7. Dezember 1835 nach mehreren Terminverschiebungen die feierliche Eröffnungsfahrt mit einer Geschwindigkeit zwischen 24 und 28 km/h unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, wie es in damaligen Berichten heißt, statt.

Diesen Karren hält kein Mensch mehr auf

Um die Lok zu schonen, riskierte man eine Geschwindigkeit von 24 bis 28 Stundenkilometern und war damit schneller als jeder Pferdewagen. Bei so genannten Schnellfahrten erreichte man eine Geschwindigkeit bis zu 66 Stundenkilometern. Als Brennmaterial wurde anfangs Koks verwendet, doch ging man wegen der hohen Kosten alsbald zur Steinkohle über. An der Lokomotive hingen bis zu neun nach Klassen unterteilte Wagen, die insgesamt 192 Personen aufnehmen konnten. Nahezu störungsfrei versah die "Adler" ihren Dienst bei der bayerischen Ludwigsbahn, doch da sie 22 Jahre später nicht mehr dem Stand der Technik entsprach, hat man sie ausgemustert. Eine Zeitlang hat man die Lok noch in einer Nürnberger Maschinenfabrik eingesetzt, doch verliert sich nach ihrem Verkauf nach Augsburg die Spur. Zur Hundertjahrfeier der ersten deutschen Eisenbahn wurde 1935 eine Replik der "Adlers" gebaut, um sie auszustellen und bei Feierlichkeiten und Jubiläumsfahrten einzusetzen.

Staunend schwiegen nach den ersten Fahrten die Skeptiker, denn das bisher sehr teure und beschwerliche Reisen wurde nach und nach auch für jene Volksschichten erschwinglich, die sich bisher nur langsam "auf Schusters Rappen", also zu Fuß, fortbewegen konnten, weil sie sich kein Pferd oder Kutsche leisten konnten. Während König Friedrich Wilhelm III. von Preußen noch auf dem Standpunkt verharrte, es sei doch egal, wie schnell man von Berlin nach Potsdam komme, sagte sein Sohn, der Kronprinz und ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV., realistisch und zukunftsorientiert: "Diesen Karren, meine Herren, der durch die Welt rollt, hält kein Mensch mehr auf". In der Tat war der Zug der Zeit nicht mehr zu anzuhalten, und so wurde 1838 die Strecke Berlin-Potsdam unter begeisterten Zurufen eröffnet. Eingesetzt war die Lokomotive "Beuth", die von dem Berliner Eisenbahnfabrikanten August Borsig nach englischem Vorbild gebaut wurde. Auch König Friedrich August II. von Sachsen ging mit der Zeit, und so wurde 1839 eine Fernbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden eröffnet. Die DDR widmete dem Ereignis eine mit der Lok "Saxonia" geschmückte Fünf-Mark-Münze. Eisenbahnen erschienen alsbald auf Medaillen, doch brauchte man zumindest in Deutschland 150 Jahre, bis man sie durch Gedenkmünzen feierte. 6. Juni 2017



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