Kaiserin von Indien von eigenen Gnaden
Queen Victoria stand nach ihrer Standeserhöhung von 1876 mit anderen Imperatoren auf der gleichen Stufe



Der von Königin Victoria 1876 angenommene Titel einer Kaiserin von Indien findet sich auf ihren Münzen, hier eine Crown aus dem Jahr 1897.



Königin Victoria feierte 1858 in London die Hochzeit ihrer Tochter gleichen Namens mit dem preußischen Kronprinzen Friedrich, dem späteren Kaiser Friedrich III. mit großem Prunk.



Nach dem viel zu frühen Tod des Prinzgemahls Albert von Sachsen Coburg und Gotha 1861 trug die Monarchin nur noch dunkle Kleider und zog sich fast ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Der Enkel der Kaierin und Königin, Kaiser Wilhelm II., baut am Strand eine Burg aus Sand und lässt kleine Kreigsschiffe fahren.



König Georg V. trägt wie seine Vorgänger auf der silbernen Crown den Titel eines Kaisers von Indien.



Königin Elizabeth wird auf der britischen Pfundmünze aus Gold Verteidigerin des Glaubens genannt. (Fotos/Repros: Caspar)

Auf Münzen der britischen Königin Viktoria und ihrer Nachfolger sind die Abkürzungen F. D. und R. I. zu lesen. Wer wissen möchte, muss in Geschichtsbücher und Münzkataloge schauen und findet, dass die Buchstaben F. D. oder FID. DEF. Abkürzungen des lateinischen Titels FIDEI DEFENSOR für Verteidiger des Glaubens bedeuten. Zahlreiche englische Münzen enthalten im Königstitel die lateinische Bezeichnung für "Verteidiger des Glaubens". Der Brauch führt in die Zeit König Heinrichs VIII. zurück, der 1509 mit 18 Jahren den englischen Thron bestieg. Seiner Heirat mit Katharina von Aragon folgten fünf weitere Eheschließungen, und alle gingen mehr oder weniger blutig zu Ende. Hochgebildet, belesen und an Künsten und Wissenschaften interessiert, dazu gut aussehend und als Tennisspieler glänzend, litt der Herrscher darunter, keinen männlichen Erben zu haben. Das einzige gemeinsame Kind mit Katharina war Maria, die aber in den Augen ihres Vaters nicht den Wert eines Prinzen und legitimen Nachfolgers hatte.

Um die Aussichten auf einen Sohn zu verbessern, strebte Heinrich VIII. die Scheidung von Katharina an, doch dazu benötigte er die Genehmigung von Papst Clemens VII. Der aber konnte und wollte die Ehe nicht annullieren, und auch ein von Heinrich VIII. eingesetztes Schiedsgericht sprach sich gegen die königlichen Scheidungsabsichten aus. In seiner Wut löste der Monarch seine Bindungen zur römischen Kirche. Er hob die Klöster im Lande auf, eignete sich deren Schätze und Grundbesitz an und füllte damit seine Staatskasse. Einen Teil des Raubgutes überließ er ihm ergebenen Adeligen.

Der Papst ließ sich Heinrichs VIII. Eigenmächtigkeit und sein gewaltsames Vorgehen gegen die katholische Geistlichkeit nicht bieten. Kurzerhand exkommunizierte er den Monarchen, worauf sich dieser von Rom lossagte und die anglikanische Staatskirche mit ihm als Oberhaupt begründete. Bis heute stehen die britischen Könige und - aktuell Queen Elizabeth - an der Spitze der anglikanischen Kirche. Nach Ausschaltung von Kritikern und Mahnern aus seiner Umgebung konnte Heinrich VIII. unumschränkt herrschen. Wer sich ihm in den Weg stellte und den Treueid auf ihn verweigerte, wurde verfolgt und hingerichtet. Selbst engste Vertraute erlitten dieses Schicksal.

Bevor es zum Bruch mit Rom kam, hatte sich Heinrich VIII. 1521 Papst Leo X. mit einer gegen den deutschen Reformator Martin Luther gerichteten Kampfschrift empfohlen, die das Sakrament der Ehe und die herausragende Stellung des Papstes in der damaligen Welt verteidigte. Dieses Schriftstück war für das Kirchenoberhaupt in Rom so wichtig, dass er dem König den Titel "Verteidiger des Glaubens" verlieh. Nach dem Bruch mit Rom wurde Heinrich VIII. der Ehrentitel zwar entzogen, aber das Parlament in London hat dem König diesen Titel neu verliehen und damit nicht mehr die katholische, sondern die anglikanische Kirche gemeint. In der Folgezeit avancierten die Könige von England zu Hoffnungsträgern der protestantischen Welt, was auch auf einschlägigen Medaillen zum Ausdruck gebracht wurde.

Als sich Queen Victoria 1877 aus eigener Machtvollkommenheit mit Billigung des Parlaments zur Kaiserin von Indien erhob, trat zu ihrem königlichen Titel die Bezeichnung IMPERATRIX (Kaiserin) hinzu. Die Königin mit deutschen Wurzeln soll sich darüber gegrämt haben, dass ihre Tochter Victoria, genannt Vicky, nach ihrer Heirat mit dem deutschen und preußischen Kronprinzen Friedrich eines Tages deutsche Kaiserin wird. Der Fall trat 1888 ein, doch konnte der krebskranke Kaiser Friedrich III. nur 99 Tage regieren. Indem sich Queen Victoria auf Betreiben des Premierministers Benjamin Disraeli mit dem auf Indien bezogenen kaiserlichen Titel schmückte, unterstrich sie, dass der indische Subkontinent fester Bestandteil des Britischen Empire ist und immer sein wird. Victoria nahm den Staatsakt zum Anlass, nach langer Trauerzeit um ihren 1861 verstorbenen Prinzgemahl Albert von Sachsen Coburg und Gotha wieder in die Öffentlichkeit zu treten. Mit ihrer Erhebung zur Kaiserin von Indien zog die Königin von England "indisches Flair" an ihren Hof, wie Historiker schreiben, und sie ließ sich von Indern umsorgen und bedienen.

Mit der Standeserhöhung konnte sich Victoria, nach der ein ganzes Zeitalter benannt wird, mit dem deutschen, dem österreichischen und dem russischen Kaiser gleichberechtigt fühlen. Der einzige Kaiser von Indien, der sich in Delhi krönen ließ, war Victorias Sohn Georg V. Nachdem Indien 1947 die Unabhängigkeit erlangt hatte, nannte sich Georg VI. auf seinen Münzen nur noch "Von Gottes Gnaden König aller britischen Territorien und Verteidiger des Glaubens". Seine Tochter Elizabeth, die 1952 ihrem Vater folgte, hält bis heute an diesem in das 16. Jahrhundert weisenden Brauch fest.

22. August 2017

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"