Münzen für Kiautschou
Den deutschen Kolonialherren genügte vor über hundert Jahren das traditionelle chinesische Geld nicht



Zweisprachig sind die Münzen von 1909 für das auf 99 Jahre gepachtete deutsche Schutzgebiet Kiautschou zu fünf und zehn Cent.



Deutsche Kolonialsoldaten, die an der Niederschlagung des so genannten Boxeraufstandes 1901 teilgenommen haben, konnten sich die Brust mit einer solchen Medaille schmücken.



Der so genannte Sühneprinz Chun II., ein Bruder des Kaisers von China, musste 1901 bei Kaiser Wilhelm II. um Abbitte für die Ermordung des deutschen Gesandten in Peking, Clemens Freiherr von Ketteler bitten. Das den "Boxern" zugeschriebene Verbrechen löste einen Krieg in China aus.



Eine wehrhafte Germania ist auf dem 25-Dollar-Schein von 1907 der in Tsingtau ansässigen Deutsch-Asiatischen Bank abgebildet. (Foto/Repros: Caspar)

Generell galt in den deutschen Kolonien die nach der Reichsgründung von 1871 kreierte und in Mark und Pfennig ausgedrückte Einheitswährung. Daneben aber liefen die unterschiedlichsten Nominale um, so britische Pfund, französische Franc, amerikanische Dollar, holländische Gulden, italienische Lira, österreichische Maria-Theresien-Taler und spanische Peseten. Nicht jede deutsche Kolonie besaß eigenes Geld. In Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Samoa bezahlten die Schutz- und Kolonialtruppen entweder mit deutscher Währung oder bedienten sich fremder Münzen. Größere Zahlungen wurden wie in den "Mutterländern" bargeldlos oder in Goldbarren abgewickelt. Die autochthone, also ortsansässige Bevölkerung verwandte vielfach vormünzliches Geld wie Muscheln oder Gegenstände aus Bronze, Eisen oder Stein. In der Geldbörse der deutschen Kolonialbeamten und -soldaten muss es also sehr bunt ausgesehen haben. Aber das war man auch von der Heimat gewohnt, wo nach der Reichseinigung von 1871 noch manche Geldstücke im Umlauf waren, die langsam eingezogen wurden, weil sie außer Kurs gesetzt waren. Für Be- und Umrechnungen gab es ständig aktualisierte Tabellen.

Münzen, die das Deutsche Kaiserreich für seine Kolonien prägen ließ, stellen ein hochinteressantes Sammelgebiet dar. Aufmerksamkeit verdienen die in Berlin für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft in den Jahren 1890, 1891 und 1892 geprägten Ein-Pesa-Stücke aus Kupfer. Sie stellen eine Besonderheit dar, weil sie auf der Vorderseite in arabischer Sprache die Inschrift "Gesellschaft Deutschlands" und die islamischen Jahreszahlen 1307, 1308 und 1309 tragen, während auf der Rückseite um den Reichsadler der Name der herausgebenden Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft vermerkt ist. Kostbar und selten sind Werte zu fünf Neugiuneamark aus Silber sowie 20 Neuguineamark aus Gold. Auf ihnen ist statt des Reichsadlers mit Krone, Zepter und Reichsapfel ein prächtig gefiederter Paradiesvogel abgebildet. Als oberster Kolonialherr ist Kaiser Wilhelm II. auf den talerförmigen Zwei-Rupien-Stücken abgebildet, die für die Kolonie Deutsch-Ostafrika geprägt wurden. Wenn sie und weitere Kolonialmünzen in exzellenter Erhaltung angeboten werden, sind ihnen stolze Preise sicher.

Zweisprachig sind auch die mit der Jahreszahl 1909 datierten Fünf-Cent- und Zehn-Cent-Münzen für das 515 Quadratmeter große Pachtgebiet Kiautschou mit der Hauptstadt Tsingtau. Das Deutsche Reich hatte Gebiet 1898 vom chinesischen Kaiser für 99 Jahre als Hafen und Handelsplatz gepachtet. Die chinesischen Schriftzeichen auf der Vorderseite bedeuten "Kaiserlich deutsche Münze 20 (beziehungsweise 10) Stück auf einen Dollar Großes Geld". Das Deutsche Reich wird durch den sogenannten Marineadler repräsentiert, der einen Anker in den Krallen hält. Außerdem ist die Schrift DEUTSCH KIAUTSCHOU GEBIET um den Adler gelegt.

Die Blätter für Münzfreunde druckten in ihrer Ausgabe 1/1911 einen Artikel aus der örtlichen Presse vom 17. September 1910 nach, demzufolge in dem Pachtgebiet ein heilloses Münzdurcheinander herrscht. Das traditionelle, in Käsch ausgedrückte Kupfergeld, das heißt also die gegossenen Bronzemünzen, werde nur ungern verwandt und sei unterbewertet. Jetzt habe man die Nachricht erhalten, dass sich die Deutschen einige Millionen Stück Nickelkleingeld hergestellt hätten. Da dieses Geld keiner Kursschwankung unterworfen sei, habe man es mit "tausend Freuden in Gebrauch" genommen. "Daher kam es, dass die Menge der ausgeprägten Nickelscheidemünzen dem Bedarf des Marktes nicht genügte. Soeben erhielten wir aus Tsingtau die Drahtnachricht, dass die Deutschen einige Millionen von diesen Münzen hergestellt hätten und dass diese am 15. Sept. in Tsingtau eintreffen würden. Wehe, auch die Münzhoheit der Provinz Schantung gerät dadurch völlig in die Hand der Ausländer".

Die Befürchtung war übertrieben, denn es wurden 1909 in Berlin nicht Millionen, sondern nur 611 431 Fünf-Cent-Münzen und 670 412 Zehn-Cent-Münzen geprägt, so dass bei einer Einwohnerzahl von etwa 200 000 Menschen im Jahr 1914, davon 4728 Europäern, von einer Überfremdung der Münzverhältnisse wohl kaum die Rede sein dürfte. Außerdem erfolgten die Prägungen stets mit der Jahreszahl 1909 über einen längeren Zeitraum. Es gibt Hinweise, dass auch die Ausgabe eines Zwanzig-Cent-Stücks geplant war. Zumindest war Kurt Jaeger, dem Altmeister der Reichsmünzenforschung, ein entsprechendes Modell bekannt. Ob diese Rarität je in den Münzhandel gekommen ist, kann ich nicht sagen.

Wie die Münzen von Kiautschou sind auch die Geldscheine der 1889 gegründeten Deutsch-Asiatischen Bank zweisprachig - deutsch und chinesisch. Versehen mit den Jahresangaben 1907 und 1917 lauten sie nicht auf Mark oder Rupien, sondern auf Dollar und Tael. In Anlehnung an das Reichsgeld schmückt eine gekrönte Germania diese mit dem deutschen Reichsadler und dem chinesischen Drachen gezeichneten Noten. Da die Scheine kaum in den Geldverkehr gelangten und die Auflage fast vollständig vernichtet wurde, nachdem sich Deutschland aus dem Reich der Mitte hatte zurückziehen müssen, zählen diese vorzüglich gestalteten Banknoten zu den großen und sehr teuer bezahlten Geldscheinen überhaupt.

26. Februar 2017

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