"Schlagt tot das lose Pack"
Mit Gewalt und Verboten gingen Fürsten zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs gegen die Kipper und Wipper vor, nicht ohne von ihnen profitiert zu haben



Während Bauern um ihr bisschen Geld bangen, schlagen Betrüger in einer Heckenmünze "waidlich drauf". In der Mitte des Bildes aus dem frühen 17. Jahrhunderts triumphieren die Kippermünzer über Recht und Anstand.



In zahlreichen legalen und illegalen Münzstätten wurden große und kleine Geldstücke hergestellt. Zur Landplage geworden, verschwanden diese braunschweigischen Zwölfer und andere Machwerke bald wieder in den Schmelztiegeln, was ihre Seltenheit heute erklärt.



Die guten alten Schreckenberger Groschen und weitere hochwertige Münzen aus dem 16. Jahrhundert hatten mit den sächsischen Engeltalern und anderen Landmünzen nichts zu tun.



Auf diesem Kupferstich gibt sich ein Betrüger mit Holzbein und Vogelfuß als gelernter Kipperer aus.



Damals verachtet und verflucht, werden heute die Münzen der Kipper und Wipper als interessante Geschichtszeugnisse und begehrte Sammelstücke geschätzt. (Fotos/Repros: Caspar)

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zogen Kipper und Wipper durch deutsche Lande und kauften die guten alten und schweren Reichstaler und anderes vollhaltiges Geld auf. Sie wogen die Silbermünzen und kippten schwere Stücke von der Waage (Wippe), um sie einzuschmelzen und das Edelmetall mit Kupfer zu vermischen und zu strecken. So entstand in großen Mengen billiges Geld, dem kein langes Leben beschieden war. Um des besseren Aussehens willen hat man den Stücken durch chemische Behandlung eine dünne Silberauflage verpasst, die aber bald abgegriffen war. Die Umtriebe der Kipper und Wipper wurde zunächst von geldgierigen Landesfürsten geduldet, ja auch aus egoistischen Gründen gefördert, denn die schlechten Taler, Gulden, Groschen, Kreuzer und Pfennige ergaben einen willkommenen Profit für die Staatskasse. Als aber die minderwertigen Machwerke in Form von Steuern und Abgaben in die Staatskassen zurück flossen, wurde dem Treiben ein Ende gemacht. Den Schaden hatte wie immer das Volk.

Was sich mehr oder weniger heimlich in den so genannten Heckenmünzen abspielte, war streng verboten. Mit zahllosen Gesetzen und Edikten wurde schon lange vor der Kipperzeit verboten, minderwertige Silber- und Goldmünzen herzustellen, ja auch guthaltige Stücke aufzukaufen und einzuschmelzen und in schlechtes Geld zu verwandeln. Wer das tat, hatte mit schweren Strafen an Leib, Leben und Freiheit zu rechnen. Dennoch kam es immer wieder unter dem Schutz von Fürsten und münzberechtigten Reichsstädten vor, dass gutes Geld in Schmelztiegeln verschwand und als minderwertige Münze eine Wiedergeburt erlebte.

Ausgangspunkt der unseligen Kipper- und Wipper-Zeit waren die braunschweigischen Herzogtümer, bis zu 40 kleine Münzstätten soll es dort zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs gegeben haben, und es ist für ungeübte Sammler nicht einfach, deren Erzeugnisse voneinander zu unterscheiden und einzuordnen. Geprägt wurden Kleinmünzen zwischen dem Doppelschilling im Wert eines 1/16 Talers bis hinab zu Sechslingen, Witten und Pfennigen, allesamt Stücke, die im Geldbeutel des "kleinen Mannes" klapperten und nicht nach den Reichsgesetzen hergestellt werden mussten. Besonders verhasst waren die Zwölf-Kreuzer-Stücke. Um den Betrug zu kaschieren, hat man die Zahl 16 in eine 12 umgeschnitten, womit man eine höherwertige Münze erhielt. Als erkannt wurde, welcher Unfug mit solchen Münzen angestellt wird und wie sehr sie die Staatskasse schädigen, war der Jammer groß, und es bedurfte großer Anstrengungen, die Folgen der mutwilligen Geldentwertung zu überwinden. Das war unter den Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges und der von ihm angerichteten Schäden an Blut und Gut sehr schwer.

Beschisser, Erzdiebe, Grundschelme

Den Braunschweigern schlossen sich die Kurfürsten von Sachsen und von Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig, die Grafen von Sayn-Wittgenstein und die Grafen von Hohenlohe-Schillingsfürst sowie manche städtische Kommunen an. Selbst der römisch-deutsche Kaiser Ferdinand II. hatte bei der massenhaften Münzverschlechterung seine Hände im Spiel. Überall schossen wie Pilze legale und illegale Münzschmieden in kleinen Städten und an verschwiegenen Orten aus dem Erdboden. Sie unterlagen kaum staatlicher Kontrolle, und ihre Betreiber hielten sich mit Wohlwollen der Obrigkeit nicht an die Gesetze.

Da alle Beteiligten mitverdienten, war es schwer, den Betrügern das schändliche Handwerk zu legen, mochte der Volkszorn noch so viel hoch kochen. "Es ist eitel altes Kupfer, / Von Kesseln, Blasen und Pfannen / Kupfernen Rinnen und Badewannen / Übern Haufen zsamen gschlagen / Das führe ich auf meinem Wagen / Eitel Geld will man draus machen", heißt es in einem Flugblatt, und ein anderes ruft zum Mord auf: "Schla doet / schla doet dat lose Pack / Met öhren Knechten unde Packenack / Schla doet / latet se nich leven / Nimm weg öhr Guet / heff gueten Moet / Van Godt isst diek al vorgeven". In weiteren Streitschriften werden Geldwechsler sowie Kipper und Wipper als "eingeteuffelte und durchgeteuffelkte Geitzhälss, abgefaummte, abgetriebene und Ertzkipper und leichtsinnige Schandfunken" bezeichnet, und es fehlt auch nicht an Ausdrücken wie Arschloch und Beschisser. Da viele Leute nicht lesen und schreiben konnten, hat man auf Holzschnitten und Kupferstichen dargestellt, wer diese "Ertzdiebe und Grundschelme" sind und was ihnen blüht, nämlich höllisches Feuer und ewige Verdammnis. "Das beste Mittel wer auf Erden / Dass man sie sampt jhrem Stempel / Andern zum schew und Exempel / Mit Fewr verbrennen / oder aufhenck Amen", lautet damals die einhellige Meinung.

Die wortgewaltigen Warnungen und Drohungen verzichteten in den meisten Fällen darauf, die eigentlichen Urheber und Nutznießer der "leichten" Münzprägung zu nennen. Angegriffen wurden meist nur die skrupellosen Diener und Handlanger derer, die hinter der Geldentwertung standen und an ihr verdienten. Man nannte sie gottloses Pack und meinte damit auch umherziehende Juden, denen man allzu gern die durch die Kipperei ausgelöste Inflation in die Schuhe schob und damit Pogromstimmung anheizte. Der durch zahlreiche Pamphlete angestachelte Volkszorn sah sich bei seinen Aufrufen zur Selbsthilfe auf der sicheren Seite, denn nach den damaligen Strafgesetzen waren Verfälschung, Beschneidung und Nachprägung von Münzen streng verboten. Wer sich erwischen ließ, wurde auf grausame Weise mit der Todesstrafe durch Hängen, Köpfen, Vierteilen und Verbrennen bestraft.

Jeder gegen jeden

Um ihren Lebensunterhalt und ihre Existenz bangende Menschen griffen in ihrer Verzweiflung zu Äxten und Fackeln, zündeten die illegalen Geldschmieden an und ermordeten da und dort auch deren Personal. Die Tumulte in Brandenburg, Sachsen und anderen Territorien riefen die Staatsmacht auf den Plan, denn die gottgewollte Feudalordnung war in Gefahr. So wurden Truppen in Marsch gesetzt, um die gewalttätigen Protestaktionen im Keim zu ersticken und die Rädelsführer zu bestrafen. In den meisten Fällen aber blieb es bei landesväterlichen Appellen und ätzenden Streitschriften und Flugblättern.

Aus Berichten und Chroniken ist überliefert, dass manche Landesherren ihre Münzbediensteten zunächst gewähren, ja sie reich werden ließen, um sie dann um so schlimmer zu bestrafen und zu enteignen. In seiner unnachahmlichen Sprache fasste Gustav Freytag dieses Vorgehen so zusammen: "Der Landesherr ließ den Münzmeister eine Reihe von Jahren arbeiten und reich werden, er ließ den Münzmeister eine Reihe von Jahren arbeiten und reich werden, er ließ vielleicht stillschweigend geschehen, daß die Landmünze zu leicht ausgebracht wurde, um in der rechten Stunde dem Schuldigen den Proceß zu machen. Dann wurde diesem wie einem Schwamme durch einen Druck Alles ausgepresst, was er in vielen Jahren tropfenweis aufgesogen hatte. […] Der Münzmeister aber, welcher nicht in der Lage des Löwen war, durch einen einzigen Schlag mit der Tatze seine Beute zu sichern, pflegte unablässig seinen Münzherrn, die Lieferanten, ja sogar seinen Kassirer die Gesellen und Jungen zu bevortheilen, vom übrigen Volke ganz zu schweigen. Nicht anders machten es die genanten Helfer."

Ungeachtet strenger Edikte litt Kurbrandenburg unter dem "ausskippen und ander aufwechseln der guten müntzen". Kurfürst Georg Wilhelm, der zwischen 1619 und 1640 das vom Dreißigjährigen Krieg schwer geschädigte Land regierte, bestimmte zwar in einem Edikt vom 16. Oktober 1620: "Ferner verbieten wir auch alles ausführen der unsrigen müntzen, auch alles auskippen und ander aufwechseln der guten müntzen", doch verhallten solche Worte ungehört. In seinem Werk "Das Münzwesen der Mark Brandenburg unter den Hohenzollern bis zum Großen Kurfürsten von 1415 bis 1640" (Berlin 1895) zitiert Emil Bahrfeld aus einem Gedicht über die Kipper und Wipper: "Sie mauscheln ja und wechseln ein, / nichts darf sich blicken lan, - / die kip die wip, die kip die wip! / Sie lieferns in die Münz geschwind, / kippens nach der mark dahin / und nehmen zehnfachn gewinn / mit dem losen münzgesind".

Engelhaftes Betrügergeld

In großen Massen und zahlreichen Varianten wurden an verschiedenen Orten zwischen Annaberg und Zwickau während der Kipperzeit die minderwertigen kursächsischen Engeltaler geprägt. Das engelhafte Design des Betrügergeldes knüpft an die bewährten Engelgroschen aus der Zeit vor und nach 1500 an und täuscht damit Tradition und Guthaltigkeit in einer Zeit vor, da die nach "des Reiches Schrot und Korn" geprägten guten alten Taler eingesammelt und in minderwertiges Geld umgemünzt wurden. Auf der Vorderseite der Kippertaler beschützt ein Engel die gekreuzten Kurschwerter, während rückseitig zwei Engel ihre Hände über drei kleine Wappenschilder halten. Die allseits verehrten und beliebten Himmelsboten als Beschützer Kursachsens auf schlechtem Geld darzustellen, war reine Blasphemie. Die Menschen seufzten "unter einem immittelst fühlbarer aufgelegten Joche wollüstiger, dem Elende hohnsprechender Münzverfälscher", sie litten unter den Wirkungen der "Kräfte ihrer Bosheit", wie Johann Friedrich Klotzsch in seiner "Chur-Sächsischen Münzgeschichte" (Chemnitz 1779-1780) drastisch bemerkte.

Neben den einfachen Engeltalern zu 40 und 60 Groschen gibt es Mehrfachtaler sowie Teilstücke mit und ohne Engelschmuck. Niemand durfte ihre Annahme verweigern, weil die Kippertaler nicht behaupteten, Taler zu sein, sondern sich als Zwanzig-, Vierzig- oder Sechziggroschenstücke ausgaben. Denn als Landmünzen unterlagen die "engelhaften" Geldstücke nicht den Reichsmünzgesetzen. Der sächsische Kurfürst Johann Georg I., der auf den Machwerken mit vollem Titel genannt wurde, nicht aber als Porträt erscheint, hatte größte Mühe, die massenhafte Ausprägung der unbeliebten "Interimstaler" einzudämmen, die letztlich auch dem Fiskus schadeten.

Als die Geldverschlechterung beendet wurde, war das Entsetzen groß. Für ein in Engeltalern ausgedrücktes Vermögen bekam man, um noch einmal Klotzsch zu zitieren, gerade den Wert eines Silberlöffels oder Kupferkessels. Da die Kippermünzen nach dem Ende der Geldschwemme meist eingeschmolzen wurden, blieben nicht viele Exemplare erhalten, was ihre Seltenheit nach 400 Jahren erklärt. Der Münzhandel bietet regelmäßig Kippermünzen an, und wenn es sich um Stücke von hervorragender Erhaltung handelt, dann erzielen sie beachtliche Preise.

13. Mai 2017

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