"Christus ist meines Lebens Ziel"
Sächsische Kurfürsten trumpften im 17. und 18. Jahrhundert mit viereckigen Talerklippen auf



Die Talerklippe von 1615 erinnert an die Geburt eines Prinzen und ist der Stolz einer jeden Sachsen-Sammlung.



Die Geburt des späteren Kurfürsten Johann Georg IV. wurde 1669 mit einer schönen Allegorie gefeiert.



Die sächsischen Medaillen schildern, wie man Münzen damals geprägt hat, links am Amboss mit Hammer und Handstempeln und rechts mit Hilfe einer Spindelpresse. Die Silberstücke wurden 1719 bei der Prinzenhochzeit in Dresden unters Volk geworfen.



Dem Frieden von Nimwegen wurde 1679 eine Talerklippe mit dem Bild des legendären Helden Herkules gewidmet.





Auf der Talerklippe von 1708 zu Ehren der sächsischen Landstände erscheint der Dresdner Zwinger als Provisorium. Das Kronentor des von Pöppelmann und weiteren Barockkünstlern geschaffenen Zwingers schmückt die Zwei-Euro-Münze von 2016. (Foto/Repros: Caspar)

Münzen müssen nicht immer kreisrund sein, es gibt auch welche mit vier und mehr Ecken. Der aus dem Schwedischen abgeleitete Name dieser Klippen meint Münzen, deren Schrötlinge mit der Schere geschnitten wurden. Die frühesten Ausgaben Art wurden in Notzeiten aus dünnem Silberblech gefertigt. Solche Ersatzmünzen hat man in belagerten Städten oder Festungen hergestellt, wenn Geldmangel herrschte. Klippen herzustellen ging schneller als runde Münzen. Im 17. und frühen 18. Jahrhundert trumpften sächsische Kurfürsten mit aufwändig gestalteten Klippen auf. Beliebte Themen waren höfische Festlichkeiten wie Geburten und Hochzeiten, Staatsbesuche und Schießwettbewerbe, doch hat man auch Klippen zur Belohnung von fleißigen Schülern herausgegeben. Um mit ihnen wie mit normalen Münzen bezahlen zu können, wurde der betreffende Wert, zum Beispiel 1 THAL. (1 Taler), gleich aufgeprägt. Sachsens Kurfürsten schöpften bei ihren Münzen aus dem Vollen, denn ihnen standen die reichen Silbergruben des Erzgebirges zu Gebote. Dort wurden bereits im 14. Jahrhundert riesige Mengen Groschen sowie ab 1500 die bekannten Guldengroschen geprägt, die alsbald nach dem im benachbarten Böhmen gelegenen Prägeort Joachimsthal den Namen Taler erhielten.

Kurfürsten wählten den Kaiser

In Kursachsen wurden schon im frühen 16. Jahrhundert Gedenkmünzen geprägt, doch kamen die Klippen erst unter Johann Georg I. in Mode. Der Kurfürst regierte ungewöhnlich lange von 1611 bis 1656. Vom Naturell ein friedfertiger Mann, pendelte er in dem vor vierhundert Jahren begonnenen Dreißigjährigen Krieg zwischen den Fronten und Kriegsparteien, doch gelang es ihm nicht, sein Land aus den Konflikten herauszuhalten. Die Stempelschneider schufen Stempel mit dem geharnischten Bildnis des Kurfürsten, sein geschultertes Schwert unterstreicht, dass er Inhaber des Erzmarschallamtes und zugleich einer von den Männern ist, die das Recht haben, den römisch-deutschen Kaiser zu wählen oder, wie man sagte, zu küren.

Die unter Johann Georg I. geprägten Klippen waren ein Novum in der sächsischen Münzgeschichte. IN GLADIIS FLORET RVTA UTA ANINEA SUIS (Zwischen ihren Schwertern blüht die Raute so lieblich) lautet die Umschrift auf der Rückseite einer Klippe, auf deren Vorderseite der bärtige Kurfürst in eiserner Rüstung dargestellt ist. "Christus ist meines Lebens Ziel" lautet die übersetzte Umschrift um das kurfürstliche Porträt. Für die in zwei Versionen hergestellte Gedenkprägung gibt es keinen erkennbaren Anlass, doch schaut man in die Literatur, etwa die berühmte "Saxonia Numismatica" von Wilhelm Ernst Tentzel aus dem frühen 18. Jahrhundert, dann findet man die Vermutung, dass sie anlässlich der Einsegnung von zwei Prinzen geprägt wurden. Auf den ersten Blick trägt die Klippe keine Jahreszahl. Diese erschließt sich erst, wenn man die rückseitige Inschrift als Chronogramm liest. Die etwas vergrößerten Buchstaben ergeben die Jahre 1614 und 1615. Ganz allgemein drücken die Klippen die Hoffnung auf die Blüte des Herrscherhauses aus. Da es auch in "besseren" Kreisen eine hohe Kindersterblichkeit gab, war es schon bemerkenswert, wenn Kinder ein jugendliches Alter erreichten, und das waren die Prinzen Christian und August. Der Stolz der Eltern und ihre hohen Erwartungen in ihre Nachkommenschaft mögen der Grund für diese Klippenprägung gewesen sein.

Prinz in der Wiege als Schlangentöter

Als Johann Georg I. 1656 starb, übernahm sein Sohn Johann Georg II. die Regierung. Als Fehler erwies sich ein Passus im Testament, nach dem die drei jüngeren Söhne des Verstorbenen mit kleineren Territorien aus dem kursächsischen Gesamtstaat abgefunden werden sollen, was zu dessen Schwächung führte. Die neu gebildeten Sekundogenituren Sachsen-Weißenfels, Sachsen-Merseburg und Sachsen-Zeitz existierten nur wenige Jahrzehnte und fielen nach dem Absterben der herzoglichen Linien wieder an den Kursachsen zurück. Die Miniaturstaaten traten zur Freude der Sammler mit einer kleinen, aber feinen Münzprägung in Erscheinung.

Aus der Regierungszeit des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. (1656-1680) sind zahlreiche Gedenkmünzen überliefert, darunter auch einige Talerklippen anlässlich von Schützenfeste, die an Teilnehmer zur Erinnerung und als Prämien verschenkt wurden. Als 1669 ein Prinz geboren wurde, der spätere Johann Georg IV., feierte der glückliche Großvater dies durch das so genannte Herkulesschießen und ließ eine Talerklippe mit dem Monogramm IG4 (Johann Georg IV.) und dem Säugling in der Wiege prägen. Schaut man genau hin, dann erkennt man, dass der Neugeborene eine Schlange würgt. Das Bild drückt den Wunsch aus, aus dem kleinen Prinzen möge ein großmächtiger Hercules saxonicus werden. Darstellungen des kindlichen Herkules als Schlangentöter waren in der Barockzeit beliebt, und so beschwor die Allegorie Sachsens Glanz und Gloria. Um der edlen Schießkunst auch in der schlechten Jahreszeit und bei Regen ungestört nachgehen zu können, ließ Johann Georg II. in Dresden eine spezielle Halle errichten. Die Einweihung dieses Schießhauses war 1678 Anlass einer weiteren Klippe. Alle diese Sonderformen stellen besondere Zierden einer jeden Sachsensammlung dar.

Talerklippen wurden nicht nur höfischen Lustbarkeiten oder freudigen Ereignissen in der Herrscherfamilie gewidmet, sondern auch wichtigen außenpolitischen Begebenheiten. So ließ Johann Georg II. 1679 viereckige Silberstücke anlässlich des Friedensschlusses von Nimwegen prägen, der einen Krieg zwischen Frankreich und den Niederlanden beendet und die Stellung des französischen "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. gestärkt hat. Auf der Vorderseite ist ein mit Keule und Löwenfell versehener Herkules zu erkennen, der von einer göttlichen Hand mit einem Kranz gekrönt wird. Das Bild war so beliebt, dass spätere Herrscher weitere Klippen mit ihm schmückten. Die lateinischen Inschriften auf der Vorder- und Rückseite verkündet "Durch Tüchtigkeit, Stärke erworben" und zitiert aus dem Psalm 72,3 "Lass die Berge den Frieden bringen unter das Volk".

Das augusteische Zeitalter

Als Ein-Taler-Stücke ausgewiesen sind Klippen auf den Empfang der Insignien des Hosenbandordens durch Johann Georg IV. im Jahr 1693 und zu anderen Anlässen. Da dieser Kurfürst nur von 1691 bis 1694 regierte, kam sein jüngerer Bruder Friedrich August I., genannt der Starke, auf den Thron in Dresden. Der bärenstarke Frauenliebling und Kunstfreund begründete das Augusteische Zeitalter, das bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges im Jahr 1763 dauerte und Kursachsen viele Höhen und Tiefen bescheren sollte. Wurden bis zur Thronbesteigung Augusts des Starken nur sporadisch Talerklippen geprägt, so erlebte nun die Ausgabe dieser numismatischen Sonderform einen bemerkenswerten Aufschwung. Der prunkliebende und prestigebewusste Kurfürst und seit 1697 König von Polen feierte gern und ausgiebig, und da verwundert es nicht, dass er Gästen seiner Festlichkeiten viereckige Sondermünzen schenkte.

Für seine prunkvollen Feste ließ August der Starke einen repräsentativen Rahmen errichten, den unweit des Dresdner Schlosses gelegenen Zwinger. Er wurde anlässlich des Besuchs des dänischen Königs 1709 in Dresden als Festplatz für Turniere, Maskeraden, Tierjagden, Feuerwerk und andere Lustbarkeiten erbaut. August der Starke beauftragte Matthäus Daniel Pöppelmann, das Provisorium in ein Ensemble aus Steingebäuden mit reichem figürlichem Sandsteinschmuck zu verwandeln. Der prestigebewusste Kurfürst und König, der um der polnischen Königskrone willen zur katholischen Kirche übergetreten war, hätte für sich und seine Familie nur allzu gern den römisch-deutschen Kaiserthron gesichert. Obwohl sein Sohn, der nachmalige Friedrich August II. (als König von Polen August III.), 1719 die Kaisertochter Maria Josepha heiratete, wurde dieses ehrgeizige Ziel nicht erreicht. Für die Feierlichkeiten bot der Zwinger eine überaus prächtige Kulisse. Auf einem Zwei-Euro-Stück von 2016 ist das Kronentor abgebildet. Eine Klippe "Zur Ergetzung der versamelten Stende am 13. Febr. 1708" beziehungsweise zur Visite des Bayreuther Markgrafen Christian 1714 lässt die Umrisse eines Festplatzes erkennen. Mit gutem Willen kann man auf dem Silberstück auch den Zwinger erkennen.

August der Starke entwickelte eine üppige Gedenkmünzenprägung. Die Klippen von 1697, 1699 und 1705 erinnern an das so genannte Herkulesschießen, weitere Ausgaben sind dem Besuch des Markgrafen Christian von Bayreuth (1714) und dem Schießhaus in Dresden (1717) sowie der mit großem Pomp gefeierten Hochzeit des Kurprinzen mit Maria Josepha von Österreich gewidmet. Ebenso war der Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. und seines Sohns Friedrich (II.) anno 1728 in Dresden Anlass zur Ausgabe einer mit königlichem Monogramm und einer lateinischen Widmung versehenen Talerklippe. Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts kamen Klippen aus der Mode. Die letzte kursächsische Prägung dieser Art stammt aus dem Jahr 1740 und ist einem weiteren Herkulesschießen gewidmet. Während das gekrönte Monogramm von Friedrich August II., der von 1733 bis 1763 regierte, die Vorderseite schmückt, gleicht die Rückseite der einer Klippe von 1717 auf das Dresdner Schießhaus. Im Unterschied zu seinem Vater war dieser Kurfürst, der als König von Polen August III. hieß, ein schwacher Herrscher, der sich von windigen Beratern leiten ließ und sich ganz auf das Sammeln von Gemälden konzentrierte.

Henkel entfernen oder behalten

Fast alle sächsischen Talerklippen sind selten und teuer. Der Münzhandel bietet sie gelegentlich an, etwa wenn eine Ländersammlung versteigert wird. Oft kommen sächsische und andere Klippen vergoldet und gehenkelt vor. Man kann vermuten, dass solche Halterungen angelötet wurden, um die Stücke an Siegerpokale oder Schützenketten hängen zu können. Da es sich hier um interessante Geschichtsdokumente handelt, sollte man die eigentlich unbeliebten und wertmindernden Henkel nicht entfernen. Das Dresdner Münzkabinett im Residenzschloss der sächsischen Landeshauptstadt besitzt eine großartige Sammlung sächsischer Münzen und Medaillen. Dorthin kann man sich wenden, wenn eigene Stücke bestimmt und auch auf Echtheit geprüft werden sollen. Außerdem kann im Studiensaal die einschlägige Fachliteratur studiert werden, was natürlich auch auf antike und mittelalterliche Prägungen und solche aus der Neuzeit zutrifft, die in großer Zahl der im 16. Jahrhundert von den sächsischen Kurfürsten angelegten Sammlung zugehören.

2. November 2018

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