Vom Schmied zum Medailleur
Unbekanntes aus dem bewegten Leben des Berliner Münzkünstlers Franz Paul Krischker



Die von Franz Krischker um 1936 geschaffene Plakette zeigt Produktionsabläufe, unten erkennt man die alte Preußische Münze aus dem 19. Jahrhundert an der Unterwasserstraße, in der der Künstler seit 1928 gearbeitet hat. Eine Adaption von Heinz Hoyer zeigt, wie es im VEB Münze der DDR zugeht. Es gibt noch eine Variante nur mit Münze Berlin, als es den Volkseigenen Betrieb nicht mehr gab.



Die Medaille von 1942 bildet den Neubau der künftigen einzigen deutschen Reichsmünze am Berliner Rolandufer mit der Schleuse davor. Die Rückseite zeigt den Prägesaal mit Kniehebelpressen.



Die Rückseite der 1948 bis 1950 geprägten Aluminiummünzen mit der Ähre auf dem Zahnrad geht auf einen Entwurf von Franz Krischker aus dem Jahr 1943 zurück.



Auch das erste Fünfzigpfennigstück der DDR - hier die seltene Ausgabe von 1949 - wurde von Franz Krischker gestaltet, was viele Jahre später in den Katalogen zur
Kenntnis genommen wurde.




Franz Krischker war auch Schöpfer der Medaille zu dem an einer schwarz-rot-goldenen Spange hängenden "Deutschen Nationalpreis 1952". (Fotos: Caspar)

Es ist paradox, doch wir wissen in vielen Fällen heute besser über Vorgänge in Münzanstalten Bescheid, die schon weit zurück liegen, als über Dinge, die noch nicht sehr lange her sind. Ver-gleichbares kann auch über Stempelschneider, Medailleure, Techniker und andere Personen gesagt werden, die sich mit der Gestaltung und Herstellung von Münzen und Medaillen befasst haben. Da ist es nur zu begrüßen, wenn solche weißen Flecken nach und nach aufgearbeitet werden. Das hat Wolfgang Steguweit, viele Jahre im Berliner Münzkabinett zuständig für den Medaillenbestand und Herausgeber der Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst, im Falle von Franz Paul Krischker (1896-1955) geschafft. In einem Beitrag über den letzten Medailleur der Preußischen Staatsmünze Berlin für die von der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft herausgegebenen Karl-Schulz-Gedächtnisschrift (Bd. 108/9 der Numismatischen Zeitschrift Wien, S. 229-246) weist Steguweit darauf hin, dass vieles aus der jüngeren Geschichte der Anstalt noch unerforscht ist. Von Krischker, der als Seiteneinsteiger zum Medaillenfach gelangt war, waren bislang nicht einmal die Lebensdaten bekannt. In seinem biographischen Abriss klärt Steguweit auf und würdigt nicht nur die künstlerische Entwicklung und amtliche Tätigkeit des am 6. September 1896 in Schlesien als Sohn eines Schmiedemeisters geborenen Künstlers, sondern schildert auch seinen Lebensweg und seine Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Bei seinen Recherchen kamen Steguweit Erinnerungen von Krischkers Sohn Hagen zugute. Er nannte seinen Vater einen "sehr charmanten Künstlertyp", der sein Leben in Berlin genossen hat. Über den später so erfolgreichen Stempelschneider und Medailleur ist zu erfahren, dass er das Schmiedehandwerk erlernt und in der bekannten Berliner Maschinenbaufirma Schwartzkopff als Maschinen- und Motorenschlosser gearbeitet hat. Interessant ist hier eine Ähnlichkeiten in der beruflichen Entwicklung von Krischker und einem seiner Vorgänger, des 1821 in der märkischen Stadt Dahme geborenen Friedrich Wilhelm Kullrich, der ebenfalls als Schmied begonnen hat und 1887 in Berlin als hochgeachteter Münzmedailleur starb. Auch andere bedeutende Stempelschneider und Medailleure haben in der Metallverarbeitung als Schmiede, Juweliere oder Graveure angefangen, bevor sie sich ausschließlich mit der Fertigung von Münzen und Medaillen befassten.

Nach dem Ersten Weltkrieg in Frankfurt/Oder zunächst bei der Polizei tätig, war Krischker nebenbei künstlerisch tätig, worauf er ein Stipendium an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin erhielt. Ab 1928 Mitarbeiter der Preußischen Staatsmünze, schuf er Vorlagen und Stempel für das mit zwei Adlern in unterschiedlicher Haltung geschmückte Dreimarkstück von 1929 "Vereinigung Waldecks mit Preußen".

Kreativ und ambitioniert

Künstlerische Entwurfsarbeiten gehörten in Berlin eigentlich nicht zu den Aufgaben von Medailleuren, weil sie sich vordringlich mit der Herstellung und Vervielfältigung der Prägewerkzeuge zu befassen hatten. Dass sich der kreative und ambitionierte Krischker an den Auftrag gewagt hat, hat seinem weiteren beruflichen Weg durchaus gut getan. Krischker war in der Folgezeit mit der Gestaltung und Ausführung verschiedener Münzen und Medaillen befasst. Hinzu kommen etliche Entwürfe, die er für künstlerische Wettbewerbe zur Erlangung neuer Gedenk- und Kursmünzen eingereicht hat, aber nicht verwirklichen konnte, weil andere Künstler den Zuschlag bekommen hatten.

Nicht übersehen werden sollten die Medaillen und Plaketten, auf denen Krischker seine eigene Arbeitsstätte, die Preußische Staatsmünze, verewigt hat. Jeder Sammler von Berlin-Medaillen und Stücken zum Thema Münztechnik kennt die um 1936 entstandene einseitige Plakette mit Darstellung von Arbeitsabläufen in der Münzanstalt damals noch im alten Gebäude an der Unterwasserstraße sowie die Medaille von 1942 mit der Ansicht des Neubaues am Rolandufer und dem Blick auf die im Prägesaal aufgestellten Uhlhornschen Kniehebelpressen. Der riesige Neubau sollte die einzige deutsche Reichsmünzstätte nach Aufgabe der anderen Münzfabriken werden, blieb aber wegen des Krieges unvollendet und mußte in seinem Verlauf große Bombenschäden hinnehmen. Sowohl die genannte Plakette als auch die Medaille wurden von der Münze der DDR beziehungsweise nach 1990 der Staatlichen Münze Berlin mit veränderten Inschriften nachgeprägt, und zwar ohne die Künstlersignatur KRISCH-KER und auch ohne den Hinweis VORERST PREUSS. ZWEIGMÜNZE ERÖFFNET JULI KRIEGSJAHR 1942.

Bleibt zu erwähnen, dass Krischker an der Fertigung von Münzen nach 1933 sowie an Wettbewerben für eine Hitler- und Göring-Medaille sowie für ein Fünf-Mark-Stück mit dem Kopf von Hitler beteiligt war, das aber nicht realisiert wurde. Inwieweit er aufgrund dieser Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Nazireichs als politisch belastet angesehen wurde, kann nicht gesagt werden. Geschadet hat ihm seine Position an der Berliner Münze offenbar nicht. Nur soviel ist bekannt, dass ab 1948 ein Krischker-Entwurf für eine Medaille der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront mit der Ähre auf dem Zahnrad zur Herstellung von Ein-, Fünf- und Zehn-Pfennig-Stücken in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise frühen DDR verwendet wurde. Dieser Fakt wurde erst in den vergangenen Jahren in den Münzkatalogen berichtigt, wo lange nur der Hinweis "Münze Berlin" als Urheber dieser Ausgabe erschien. Das gleiche gilt auch für das Fünfzig-Pfennig-Stück der DDR von 1950, dessen Bildseite mit dem Pflug vor der Fabrik ebenfalls von Franz Krischker stammt. Die Probe von 1949 mit der "dünnen" Zahl 50 ist extrem selten.

Wiederverwendetes Motiv

Vor einigen Jahren wurde eine Probemünze zu 50 Kopeken aus dem Jahr 1943 bekannt, die für das so genannte Reichskommissariat Ukraine bestimmt war. Das Besondere an diesem Geldstück ist, dass die Rückseite mit der auf ein Zahnrad gelegten Getreideähre zwischen 1948 und 1950 für ostdeutsche Aluminiummünzen zu einem, fünf und zehn Pfennigen benutzt wurde. Der Stempel dafür stammt von Franz Krischker, dem Chefgraveur der Berliner Münze. Es wird vermutet, dass Erich Koch, der Nazi-Gauleiter und Reichskommissar der Ukraine, die Herstellung dieser Münze veranlasst hat, um in seinem Machtbereich eigenes Geld zu haben. Da die deutschen Besatzer schon bald der Roten Armee weichen mussten, kamen die Münzen mit deutschen Texten nicht mehr zur Ausgabe. Im Berliner Münzkabinett war bis zum Auftauchen jenes Fünfzig-Kopeken-Stücks nur ein Modell der Rückseite mit der Jahreszahl 1943 bekannt.

Guss in der häuslichen Küche

Bliebe noch zu sagen, dass das Vorhaben, die Umschriften auf den Reichsmünzen in "Großdeutsches Reich" abzuändern, wegen der "Kriegsverhältnisse" nicht verwirklicht wurden. Das hätte massenhafte Einziehung der vorhandenen Münzen und ihre Neuprägung erfordert, was in der Kriegszeit natürlich unmöglich war. Die 24 mm große und zehn Gramm schwere Goldmedaille mit dem eindrucksvollen Kopf des Dichters in fortgeschrittenem Alter wurde von Krischker in mühevoller Handarbeit Stück für Stück im Schleudergussverfahren in der häuslichen Küche hergestellt. Hagen Krischker erinnert sich, dass die Ausführung des Auftrags "für die ganze Familie sehr nervig" war. Er selber musste den Blasebalg treten, und als eine Gussform geplatzt war, "durften wir die winzigen Goldtröpfchen auf dem Fußboden suchen. Bei der penibel vorgegebenen Ausbeute war diese Aktion nicht eingeplant und kostete etliche Schweißtropfen. Wie viele Nationalpreise wir auf diese Weise herstellten, kann ich nicht mehr sagen, ich erinnere mich aber an mehrere Exemplare".

In seinen letzten Lebensjahren hat sich der als Goldschmied in Westberlin lebende Künstler anderen Aufgaben, vor allem der Schmuckgestaltung und Fertigung von kirchlichem Gerät sowie von Bildnisbüsten, befasst. Der seit langem gesundheitlich angegriffene Krischker blieb daneben seinem alten Metier treu, war aber mit Ideen für ein neues Fünf-Mark-Stück der Bundesrepublik Deutschland nicht erfolgreich. Neunundfünfzigjährig starb er am 10. August 1955 und wurde auf dem Friedhof Waidmannsluster Damm im Berliner Ortsteil Tegel bestattet.

10. Januar 2017

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