Weißer Reiter und die schöne Milda
Was man auf Münzen der baltischen Republiken Litauen, Estland und Lettland entdecken kann



Auf dem in Warschau geprägten Taler von 1766 ist das polnisch-litauische Allianzwappen gut zu erkennen. Der letzte polnische König Stanislaw August erscheint in der Umschrift als Großherzog von Litauen.







In der Zwischenkriegszeit glänzte Litauen mit solchen Prägestücken zur Erinnerung an herausragende Gestalten der Landesgeschichte.







Vorbild für die aktuellen Ein- und Zwei-Euro-Stücke von Estland waren die in den dreißiger Jahren geprägten Münzen mit dem Trachtenmädchen Milda, die als Personifikation des Landes anzusehen ist. Die Münze rechts zeigt den litauischen Reiter (Foto/Repros: Caspar)

In den vergangenen Jahrhunderten musste das neue EU-Mitglied Litauen mehrere Systemwechsel und Zeiten nationaler Unterdrückung über sich ergehen lassen, und das hat tiefe Spuren hinterlassen. Umso mehr haben die Litauer ihre Aufnahme in die Europäische Union vorangetrieben. Mit seinem Beitritt am 1. Mai 2004 ist das 65 301 Quadratkilometer große Land endlich am Ziel, kann sich in einer größeren Gemeinschaft besser entfalten als wenn es nur auf sich allein gestellt wäre. 75 Prozent der 3,5 Millionen Einwohner hatte sich im Mai 2003 nicht zuletzt auch in Erinnerung an zurück liegende Perioden nationaler Unterdrückung und wirtschaftlicher Ausbeutung für den Beitritt ausgesprochen.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert hatten der sächsische Kurfürst Friedrich August II. und sein Sohn als August II. und August III. als Träger der polnischen Krone auch in Litauen das Sagen, Ende des 18. Jahrhundert fielen im Zusammenhang mit dem Polnischen Teilungen weite Teile Litauens und Weißrusslands an das Zarenreich, das daraufhin eine strikte Russifizierung betrieb und die nationale und kulturelle Entfaltung der Litauer unterdrückte.

Hoffnung auf bessere Zeiten

Nach den Revolutionen in Russland 1917 und dem Zerfall des Zarenreiches erklärte sich das Land 1918 zur unabhängigen Republik, die 1920 von der Sowjetmacht anerkennt wurde. Im Hitler-Stalin-Pakt, der 1939 am Vorabend des Zweiten Weltkriegs unterzeichnet wurde, steckten das Deutsche Reich und die Sowjetunion ihre Interessensphären in Osteuropa ab. Stalin erklärte die baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen zu seiner Einflusssphäre und ließ die Rote Armee einmarschieren. Die noch vorhandene deutsche Bevölkerung wurde ausgesiedelt. Das auf sowjetischen Druck in der litauischen Hauptstadt Vilnius (Wilna) nach Scheinwahlen installierte Parlament und die kommunistische Marionettenregierung "baten" den mächtigen Nachbarn um Aufnahme des Landes in die UdSSR, was 1940 gegen den Widerstand der Bevölkerung auch geschah. Ähnlich verfuhr Stalin mit den beiden anderen zu Sowjetrepubliken erklärten baltischen Staaten Estland und Lettland. Um Widerstand im Keim zu ersticken, ließ der sowjetische Diktator die jeweiligen Eliten ermorden oder in Richtung Osten deportieren.

Großes Leid erlebten die Litauer und ihre Nachbarn ab 1941 durch die deutsche Besetzung. Zahllose Juden und Oppositionelle wurden umgebracht oder kamen in die Konzentrationslager und wurden dort ermordet. Weil manche Litauer mit den Deutschen kollaboriert hatten, rächten sich die Machthaber im Kreml nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges an ihnen blutig und ließen sie deportieren oder umbringen. Die katholischen Litauer waren überdies religiöser Intoleranz durch die Kommunistische Partei und ihre Ideologen ausgesetzt, während viele Kirchen "weltlichen" Nutzungen als Museen oder Speicher zugeführt oder dem Verfall überlassen wurden.

Wichtige Posten haben die neuen Herren durch "linientreue" Russen besetzt. Im Zuge der Sowjetisierung wurde die russische Sprache durchgesetzt und die eigene Landessprache in den Untergrund abgedrängt. Solche Repressionen und Vorschriften gab es bereits in der Zarenzeit. Sie führten regelmäßig zu großen innenpolitischen Spannungen. Der Geheimdienst KGB und die so genannten Justizorgane hatten alle Hände voll zu tun, um die antisowjetische Opposition in Schach zu halten. Zahlreiche Litauer wanderten aus, sofern sie konnten, oder zogen sich in die innere Emigration in der Hoffnung auf bessere Zeiten zurück.

Diese brachen an, als der sowjetische Staats- und Parteiführer Michail Gorbatschow im Geiste von "Glasnost und Perestroika" die Zügel lockerte. Ende der 1980er Jahre konnten nun auch die selbstbewusst gewordenen Litauer lautstark auf Massendemonstrationen und in den Medien ihre Forderungen nach Freiheit, nach politischer, kultureller und wirtschaftlicher Autonomie artikulieren. 1989 bildeten eine Million Menschen bilden eine Kette von Tallin über Riga nach Vilnius, um der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts vor 50 Jahren zu gedenken und ihre Forderungen nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu unterstreichen. Die 1988 gegründete "Bewegung für Perestroika" (Sajudis) erreichte zwei Jahre später die Erklärung Litauens zur souveränen Republik.

Zusatzprotokoll von 1939 für ungültig erklärt

Die Zentrale in Moskau erklärte Ende 1989 das berüchtigte Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes, dessen Existenz die sowjetische Regierung immer bestritten hatte, für ungültig. Da nach damaliger Lesart niemand ungestraft die Sowjetunion verlassen durfte, verhängte Gorbatschow über Litauen eine Blockade, die aber nur wenige Monate galt. In einem Referendum sprach sich am 9. Februar 1991 die überwältigende Mehrheit der Litauer für die Unabhängigkeit ihres Landes aus. Das Parlament unter Präsident Vytautas Landsbergis erklärte die Unabhängigkeit Litauens, die im September des gleichen Jahres von Moskau anerkannt wurde. Zahlreiche Staaten nahmen diplomatische Beziehungen zu Litauen auf und stärkten damit die Stellung des Landes gegenüber dem mächtigen Nachbarn. Wirklich frei konnten sich die Litauer erst nach dem Abzug der letzten russischen Truppen im Jahre 1993 fühlen. Kurz vor dem Beitritt Litauen in die EU wurde das Land gegen den Widerstand der Russischen Föderation Mitglied der NATO und genießt damit auch den Schutz des Militärbündnisses.

Da Litauen als Großfürstentum schon vor Jahrhunderten mit der polnischen Krone verbunden war, zeigen polnische Münzen auch das litauische Wappen. Auf zahlreichen historischen Münzen ist es stets in Verbindung mit dem polnischen Adler abgebildet, so auch auf jenen Geldstücken, die die sächsischen Kurfürsten August der Starke beziehungsweise sein Sohn unter dem Namen August II. und August III. in ihrer Eigenschaft als Könige von Polen von 1697 bis 1763 prägen ließen. Das polnisch-litauische Doppelwappen erscheint ferner auf den Münzen des letzten polnischen Königs Stanislaw August, in dessen Regierungszeit sich Russland, Österreich und Preußen aneigneten und damit auch die eigenständige Münzprägung zum Erliegen brachten.

Nach der Erreichung der staatlichen Souveränität (1918) hat die Republik Litauen mit der Prägung eigener Münzen begonnen, die nach der zwangsweisen Einverleibung des Landes in die UdSSR beendet wurde. Nach der Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit wurde die Produktion von Münzen (1 Litas = 100 Centu) aufgenommen. In verschiedenen Versionen erscheint auf ihnen wie schon vor Jahrhunderten das Landeswappen mit dem Reiter, der das mit einem Kreuz geschmückte Schutzschild vor der Brust hält und das Schwert in der hoch erhobenen Hand hält. Beliebte Münzthemen sind Jubiläen der Republik und einzelner Institutionen, aber auch die regionale Flora und Fauna sowie Ereignisse und Gestalten der bis ins Mittelalter zurück reichenden Landesgeschichte. So wurde in den vergangenen Jahren von der Staatlichen Münze in Wilna eine Serie von silbernen 50-Litu-Stücken mit Bildnissen litauischer Herrscher aus grauen Vorzeiten aufgelegt. Weitere Münzen sind nationalen und internationalen Sportereignissen gewidmet, und ganz neu ist eine von der Nationalbank herausgegebene Silbermünze, die die vor 425 Jahren gegründete Universität in Wilna würdigt. Da Litauen wie zahllose andere Länder die Kurs- und Gedenkmünzen als Medium staatlicher Repräsentanz und nationaler Identifikation entdeckt hat, sind auch in den kommenden Jahren noch manche interessanten Emissionen zu erwarten. Die normalen Euro- und Cent-Münzen Litauens sind mit dem mittelalterlichen Reiter geschmückt, der auch schon auf ganz alten Münzen des polnischen Königreichs erscheint.

Blicken wir nach Estland. Die auf Ein- und Zwei-Euro-Münzen nach rechts blickende Frau, eher ein Mädchen, mit geflochtenem Haarkranz und Zopf ist eine Art Symbolfigur für die baltische Republik, die 1918 nach dem Ende des Russischen Zarenreiches mit Litauen und Estland ein souveräner Staat wurde und eine eigene Münzprägung besaß. Als Hitler und Stalin kurz vor dem Zweiten Weltkrieg (1939) in einem Geheimabkommen ihre Interessensphären in Osteuropa absteckten und die baltischen Länder als neue Sowjetrepubliken Stalins Reich einverleibt wurden, war es mit deren nationalen Unabhängigkeit vorbei. Zahlreiche Deutsche verließen das Land, und die wenigen, die blieben, wurden vom sowjetischen Diktator verfolgt, deportiert und ermordet. Stalin setzte ihm ergebene Parteimitglieder in alle leitenden Funktionen von Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft ein.

Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1942 fielen die baltischen Republiken in die Hände des Deutschen Reiches. Die Bewohner erlitten durch das Wüten der Einsatzgruppen der SS und der Wehrmacht furchtbare Kriegsverbrechen und Massaker. Im Konzentrationslager Riga wurden zahlreiche Litauer, aber auch aus Deutschland und andern Ländern verschleppte Menschen ermordet. Unter ihnen waren viele Juden. Nach dem Untergang des Nazistaates konnten Lettland, Estland und Litauen ihre Selbstständigkeit nicht wieder erlangen, sondern waren als Sowjetrepubliken bis zur "singenden Revolution" von 1990 Teil der Sowjetunion und sind nach deren Zerfall wieder souveräne Staaten.

Bewährtes Vorbild aus der Zwischenkriegszeit

Die Vorderseiten der neuen Euro-Münzen aus Lettland von 2014 haben ein Vorbild aus den Zwischenkriegsjahren. Dort hat der Gestalter ein Milda genanntes Trachtenmädchen abgebildet und dieses Bild mit dem lettischen Staatswappen verbunden. In den Katalogen liest man, dass damals Zelma Bauerle als Modell zur Verfügung gestanden hat. Die Münzen sind einem silbernen 5-Lats-Stück aus der Zwischenkriegszeit nachempfunden, wo Milda, die Personifikation des Landes, dargestellt ist. Das eindrucksvolle Brustbild wurde von Richard Zarins geschaffen, der viele lettische Münzen aus jener Zeit gestaltet hat. Die originalen Milda-Münzen wurden in Zeiten der Okkupation nach 1940 und in Sowjetzeiten wie Heiligtümer in der Hoffnung auf bessere Zeiten aufbewahrt und werden auch heute von Sammlern in Ehren gehalten.

Bis Lettland, Estland und Litauen 1918 seine staatliche Unabhängigkeit erlangten, hat man mit russischen und anderem ausländischem Geldscheinen und Münzen bezahlt. Eine eigene Banknoten- und Münzprägung begann in den frühen 1920er Jahren. Auf Bronze-, Nickel- und Silbermünzen erschien das aus der aufgehenden Sonne sowie einem Löwen und einem Greifen bestehende Staatswappen, über dem drei Sterne angeordnet sind. Die lettische Münzprägung aus den Zwischenkriegsjahren wurde nach Errichtung der Sowjetherrschaft eingestellt und erst 1990 wieder aufgenommen. Neben den normalen Kursmünzen wurden in den frühen 1990-er Jahren die ersten Gedenk- und Sonderprägungen herausgegeben, so zur 75-Jahrfeier der Staatlichen Unabhängigkeit (1993), zu den XXVI. Olympischen Sommerspielen in Atlanta (1996) oder zur Entwicklung der Seefahrt, an der Letten bedeutenden Anteil hatten (ab 1997). Mit einer attraktiven Münzserie wird auch der Geschichte der Hauptstadt Riga gedacht. Sie trat 1282 in die Hanse ein und spielte als Haupt-, Hafen- und Hansestadt im Ostseeraum eine hervorragende Rolle. Das kann man auch heute sehr gut an den historischen Bürgerhäusern und den mittelalterlichen Kirchen erkennen.

Schiffe, Pflanzen, Tiere

Schon in der Zeit der ersten Republik (1918-1940) hat Estland neben Kursmünzen auch einige Gedenkmünzen geprägt, geschmückt mit Segelschiffen als Hinweis auf die lange Tradition der Esten als Seefahrer, historischen Gebäuden und weiteren Motiven. Bei einigen Stücken ist Vorsicht geboten, denn es kommen auch Fälschungen und private Ausgaben ohne offiziellen Charakter vor. Bekannte Bauwerke sowie Szenen aus dem Leben und der Geschichte der Esten schmücken die Banknoten, die das Land nach Erlangung der Unabhängigkeit 1918 herausgegeben hat. Auf den Scheinen findet man auch Bilder aus dem Arbeitsleben und der Volkskunst, aber auch Porträts bekannter Persönlichkeiten und Ansichten historischer Bauwerke kombiniert.

Seit Ausrufung der zweiten Republik (1991) befriedigt Estland den großen Bedarf an Kleingeld mit Münzen aus Aluminium-Bronze zu 5, 10, 20 und 50 Senti sowie aus einer Kupfer-Nickel-Legierung zu 1 Kroon. Zu diesen eher schmucklosen Geprägen stets mit den drei Wappenlöwen kommen auch einige Sondermünzen aus Silber zu 10 und 100 Krooni. Mit ihnen macht Estland auf seine kulturellen Schätze, seine Flora und Fauna und seine landschaftlichen Reize aufmerksam. Erwähnenswert sind Münzmotive mit fliegenden Schwalben und mit dem Bild eines Rehs. Da die Esten eine sportbegeisterte Nation sind, hat das Finanzministerium unter anderem Sondermünzen zu Olympischen Spielen herausgebracht. Eines dieser Silberstücke von 1996 zeigt, wie die griechische Göttin Nike einem antiken Ringer hilfreich zur Seite steht. Die estnischen Euro-Münzen sind ziemlich schmucklos mit einer Landkarte geschmückt, es gibt auch weitere Werte mit dem dreifachen Löwenwappen und anderen Motiven. Sammler in Deutschland werden diese und andere Geldstücke im normalen Geldverkehr antreffen, wer sich für sie interessiert, muss die Hilfe des Münzhandels in Anspruch nehmen. Die Münzzeitschriften berichten regelmäßig übernumismatische Novitäten, und auch im Internet findet man nach einigem Suchen die passenden Informationen.

Erwähnt sei, dass verschiedene Länder und Städte ihre Geldstücke mit weiblichen Symbolfiguren geschmückt haben und/oder dies auch heute tun. So finden wir auf ihnen die Bavaria (Bayern), Britannia (England), Francofurtia (Frankfurt am Main), Germania (Deutsches Reich), Helvetia (Schweiz), Hammonia (Hamburg), Italia (Italien) und Marianne/Gallia (Frankreich). Nach solchen Belegstücken Ausschau zu halten und sie systematisch zu sammeln, ist eine lohnenswerte und reizvolle Aufgabe. Man bekommt da relativ schnell und auch recht preiswert eine stattliche Kollektion zusammen.

15. April 2017

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