Wittenbergische Nachtigall
Kostbare Münzen und Medaillen zum Gedenken an die Reformation von 1517 sind in der Lutherhalle zu Wittenberg ausgestellt



Das ehemalige Augustinerkloster an der Collegienstraße war Luthers Wohnhaus und Wirkungsstätte und ist seit 1883 reformationsgeschichtliches Museum.





Mit der in der Schatzkammer ausgestellten kursächsischen Goldmünze wurde 1630 die Augsburgische Konfession gefeiert. Auf der Bleigussmedaille wird der Papst als Kind der Verderbnis geschmäht, in seinem Nacken treibt der Teufel sein Unwesen.



Das Wittenberg-Panorama von Yadegar Asisi schildert unter anderem Martin Luther vor der Schlosskirche stehend im Disput mit Professoren und Geistlichen.



In der mit Eisenschlössern gesicherten Ablasstruhe wurde das Geld des "gemeinen Mannes" getan, der glaubte, sich auf leichte Art von seinen Sünden freikaufen zu können.



Das 1726 veröffentlichte Buch von Christian Juncker enthält Hinweise auf Prägungen mit Bezug auf Martin Luther und seine Mühen um die Reformierung der Kirche, ist aber natürlich durch neuere Publikationen überholt.



Wer tatsächlich unter der Bronzetafel in der Schloss- und Universitätskirche bestattet wurde, ist nicht ganz klar. In der Lutherhalle ist ein Eisengriff von Luthers Sarkophag zu sehen.



Wie Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelt, sieht war gut aus, ist aber eine Legende, denn das dürfte ein anderer getan haben. (Fotos/Repro: Caspar)

Besucher der Lutherhalle in Wittenberg müssen schon viele Treppenstufen erklimmen, bis sie unterm Dach die Schatzkammer des größten reformationsgeschichtlichen Museums der Welt erreichen. Hier sind neben vielen anderen Kostbarkeiten auch Münzen und Medaillen mit Bezug auf Martin Luther und die von ihm vor 500 Jahren ausgelöste Reformationsbewegung ausgestellt. Zahlreiche seit dem 16. Jahrhundert geschaffene Silber- und Goldgepräge sowie Gussstücke können, in eine senkreiche Glaswand eingelassen, von ganz nahe betrachtet werden. Sie befinden sich in exquisiter Umgebung, denn in weiteren Räumen der Schatzkammer zeigt die Lutherhalle besonders rare Handschriften, Drucke und andere Zeugnisse. Da diese Museumsstücke lichtempfindlich sind, werden sie schwach beleuchtet, und wenn man sich wendet, versinken die Räume wieder in Dunkelheit.

Nicht nur in seiner Schatzkammer zeigt das offiziell 1883 gegründete, aber schon vorher bestehende "Museum Lutheri" im früheren Augustinerkloster an der Wittenberger Collegienstraße numismatische Hinterlassenschaften der vergangenen 500 Jahre, sondern auch in der Ausstellung selbst. Das geschieht etwa dort, wo über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie Luther berichtet wird, aber auch womit Katharina, die "Herr Käthe" genannte Frau des Reformators, eingekauft, Rechnungen bezahlt und in der Umgebung von Wittenberg Landbesitz erworben hat. Silbertaler und eine mit schweren Schlössern gesicherte Eisentruhe lenken die Gedanken auf das unselige Ablassunwesen hin, das den Augustinermönch und Professor an der Wittenberger Universität so sehr in Rage brachte, dass er am 31. Oktober 1517 seine berühmten 95 Thesen durch Anschlag an die als eine Art Schwarzes Brett genutzte Holztür der Schloss- und Universitätskirche veröffentlichte.

Schwarzes Brett der Universität

Heutige Forscher sind sich darin einig, dass der Professor in der schwarzen Kutte der Augustinermönche nicht selbst den Hammer geschwungen hat, wie es unzählige Bilder und auch Medaillen suggerieren, sondern dies einem Angestellten der Universität überlassen hat. Das nicht weit von der Lutherhalle aufgestellte Panoramabild von Yadegar Asisi schildert, wie der Kirchenrebell, vor jener 1760, mitten im Siebenjährigen Krieg, zerstörten Pforte stehend und mit einem Blatt bedruckten Papiers hantierend, einer Gruppe von Professoren und geistlichen Herren seine Wut über die Gebrechen der Papstkirche entgegen schrie. Angesichts einer Eisentruhe und mit Blick auf sächsische Silbermünzen ist es auch möglich nachzuempfinden, was im Geldkasten der Ablasshändler vom Schlage eines Johann Tetzel klapperte, gegen die Luther mit seinen vor genau 500 Jahren veröffentlichten 95 Thesen gewettert hatte. Auch diese Szene ist auf dem genial komponierten Panoramabild verewigt.

Die zum Teil recht aufwändig gestalteten Münzen und Medaillen sind ausdrucksstarke Beispiele für die große Verehrung, die Martin Luther im Heiligen römischen Reich deutscher Nation und darüber hinaus in jenen Staaten genoss, die sich seiner Lehre angeschlossen hatten. In der Schatzkammer kann man aber auch sehen, wie sich das Für und Wider rund um Luthers Forderungen für die Erneuerung der Kirche und ihre Rückführung auf ihre Wurzeln in Form von ehrabschneiderischen Spottbildern und satirischen Medaillen Bahn brach, je nachdem welchem Lager sich die Künstler und ihre Auftrageber zugehörig fühlten.

Vor allem die Hundertjahrfeiern des Thesenanschlags gaben dem Kult um Luther immer wieder lebhafte Impulse. So war es 1617, 1717, 1817 und 1917, im vorletzten Jahr des Ersten Weltkriegs, als man durch zahllose Gedenkmünzen und Medaillen an diese Sternstunde der Menschheit erinnerte, um den Titel eines berühmten Buchs von Stefan Zweig zu zitieren. In der Schatzkammer begegnet man großen und kleinen Prägungen meist aus Gold und Silber auch zum Gedenken an die Augsburger Konfession von 1530, an den Schmalkaldischen Krieg von 1546/7 und weiteren Ereignissen, aber auch mit geprägten und gegossenen Bildnissen von Verteidigern und Gegnern der Lutherschen Lehre.

Ein feste Burg ist unser Gott

Im Jahr 1617 ließ Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen Gedenkmünzen anlässlich der Einhundertjahrfeier des Thesenanschlags an die Wittenberger Schlosskirche fertigen. Diese Münzen kommen als Doppel- und einfache Dukaten aus Gold sowie als Taler, Halb- und Vierteltaler vor. Dargestellt ist der amtierende Landesherr im Schmuck der kurfürstlichen Insignien Kurhut, Hermelinmantel und Kurschwert, kombiniert mit dem Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen. Die Umschrift VERBVM DOMINI MANET IN AETERNVM 1617 um das Bildnis des amtierenden Kurfürsten Johann Georgs I. von Sachsen besagt, dass das Wort Gottes in Ewigkeit besteht. Kurfürst Friedrich III., der Weise, hatte Luther nach dessen spektakulärem Aufruf gegen den Ablasshandel und andere Auswüchse der römischen Kirche unter seinen Schutz gestellt und Zuflucht auf der Wartburg bei Eisenach gewährt, wo der "Junker Jörg" genannte Mönch und Professor das Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzte.

Als man 1630 in Sachsen, dem "Stammland" der Lutherschen Reformation, die Hundertjahrfeier der Augsburgischen Konfession feierte, wurden ebenfalls ähnlich gestaltete Gedenkmünzen geprägt. Die Umschrift auf der Vorderseite NOMEN DOMINI TURRIS FORTISSIMA lässt sich frei nach Luthers berühmtem Choral mit "Ein feste Burg ist unser Gott" übersetzen. Deutsche Fürsten hatten 1530 anlässlich des Reichstags in Augsburg ihr Glaubensbekenntnis formuliert, mit dem sie sich in einen Gegensatz zur katholischen Kirche brachten. Erst 1555 schlossen Anhänger des Augsburgischen Bekenntnisses mit ihren Widersachern den Augsburger Religionsfrieden, was später wiederum zur Herausgabe von Münzen und Medaillen führte.

Leichnam blieb in der Gruft

In der Wittenberger Schlosskirche wird manchmal nach dem Wahrheitsgehalt einer Legende über das Grab des Reformators gefragt. Nach ihr soll es Kaiser Karl V. beim Besuch in dem Gotteshaus abgelehnt habe, den Sarg mit dem Leichnam des von den Katholiken als "Ketzer" verteufelten Theologen aus der Gruft zu holen und öffentlich zu verbrennen. Das Reichsoberhaupt soll seinem Feldherrn Herzog Fernando de Alba gesagt haben, er kämpfe nicht gegen Tote. Selbstverständlich sind Bildnisse und Medaillen des Habsburgers und weiterer Potentaten in der Lutherhalle in reichem Maße vertreten. Auf den Jubiläumstalern, Halbtalern und Dukaten von 1617 und 1630 ist der Reformator selber nicht dargestellt, weil auf regulären Münzen nur Landesherren erscheinen durften, also auch seine kurfürstlichen Beschützer und Verteidiger. Die Aufschriften aber nehmen Partei für die "Wittenbergische Nachtigall", die der der Nürnberger Schuhmacher und Dichter Hans Sachs 1523 mit diesen Worten ehrte: "Wer sei die liebliche Nachtigall, / Die gekündet hellen Tag mit Schall - / Martinus Luther, dass ihr's wisst, / Der zu Wittenberg Augustiner ist, / Der hat erweckt uns von der Nacht, / Darein der Mondschein uns gebracht". All diese Prägestücke bilden ein interessantes Sammelgebiet, zu dem seit dem 18. Jahrhundert eine nach und nach wachsende Katalogliteratur erschienen ist. Wer eine Auswahl sehen möchte, ist in der Wittenberger Lutherhalle an der richtigen Stelle.

13. Mai 2017

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite/Geschichte vom 11. Mai 2017

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