"Menschenbilder"
Berliner Münzkabinett zeichnet im Bodemuseum Wege der Porträtkunst von der Antike bis in die Gegenwart nach



Hinter dem feisten Gesicht auf den Sesterzen des römischen Kaisers Nero verbirgt sich ein übler Despot.



Karsten Dahmen freut sich auf viele Besucher der von ihm gestalteten Menschenbilder-Ausstellung im Berliner Münzkabinett.



Karl der Große ließ sich auf den hochseltenen Porträtdenaren in der Art römischer Kaiser porträtieren.



Friedrich II. von Preußen, genannt Friedrich der Große, nahm auf das Münzwesen seines Landes Einfluss, und wenn ihm eine Münze wie der Taler rechts nicht gefiel, dann ließ er die Auflage bis auf einen kleinen Rest einschmelzen Zu sehen in der ständigen Ausstellung des Berliner Münzkabinetts.



Ludwig Gies hat dem Reichskunstwart Edwin Redslob ein überzeugendes Medaillenporträt gewidmet. Redslob nahm großen Einfluss auf die Gestaltung von Münzen, Briefmarken und Geldscheinen der Weimarer Republik.



Wie ein Scherenschnitt auf einer modernen Münze wirkt, zeigt das zum 200. Todestag von Gotthold Ephraim Lessing geprägte Fünf-Mark-Stück. (Fotos: Caspar)

Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz zeigt bis zum 7. Oktober 2018 die Ausstellung "Menschenbilder - Wege zum Porträt von der Antike bis zur Gegenwart". Kuratiert von Dr. Karsten Dahmen, zeigt sie 280 im Besitz des Berliner Münzkabinetts befindliche Münzen und Medaillen, die speziell für diesen Zweck aus dem Tresor geholt wurden. Ergänzend zu der Dokumentation im Saal für Sonderausstellungen kann man sich in den Sälen davor über die Entwicklung der Geldgeschichte und Münzkunst informieren und dort natürlich auch wunderbare Münz- und Medaillenporträts betrachten. Leider ist zu der Sonderschau kein Katalog erschienen, dazu waren die Zeit zu knapp und die Kosten zu hoch. In verschiedenen Publikationen des Münzkabinetts und überhaupt in der numismatischen Literatur wird das Thema behandelt. Wer es ganz genau wissen will, findet im Interaktiven Katalog des Berliner Münzkabinetts weiter Informationen. Dort sind auch die Stücke der neuen Sonderausstellung aufgelistet und beschrieben, so dass man sie sich bequem mit allen notwendigen Daten am heimischen PC betrachten kann.

Gezeigt werden in der Sonderausstellung eindrucksvolle Porträtmünzen von Perserkönigen und Herrschern aus Hellas sowie von Spitzen der römischen Republik und des römischen Kaisertums. Beliebt war als Münzmotiv der antike Götterhimmel, der auf Silber- und Goldmünzen in Menschengestalt daherkommt. Manche Herrscher ließen sich mit den nur den Göttern zustehenden Attributen darstellen. Wenn sie ein Löwenskalp um ihr Haupt wanden oder ein Fell um die Schultern legten, fühlten sie sich so stark und furchterregend wie der "König der Tiere". Schon beim Betrachten einer Münze sollten die Menschen von Ehrfurcht ergriffen werden und sich zu mutigen Taten ermuntert fühlen. Kaisern, Königen und Heerführern der Renaissancezeit wird nachgesagt, dass sie aus diesem Grund antike Münzen bei sich führten.

Hier idealisiert, dort realistisch

Die von talentierten Stempelschneidern geschaffenen, mal idealisierten, mal realistischen Bildnisse hatten politische und soziale Aufgaben. Sie dokumentieren wirkliche oder nur angemaßte Macht und Größe, und manchmal zeigen sie Ehefrauen und Kinder der dargestellten Personen. Manche antiken Münzen zeigen Herrscher idealisiert und entrückt oder auch wie sie mit Bart, eingefallenen Wangen und hoher Stirn ausgesehen haben und auch heute sofort durch diese individuellen Merkmale von ihren Vorfahren und Nachkommen zu unterscheiden sind. Die Ausstellung zeigt, wie die hohe Porträtkunst auf geprägtem Metal in nachchristlichen Jahrhunderten nach und nach verloren ging und schematischen Bildern wich, nach denen ein Herrscher wie der andere aussieht und schließlich nur noch ein Schatten seiner selbst ist.

Immer wieder kombinieren die Prägestücke, die Karsten Dahmen bei der Ausstellungseröfnung am 23. November 2017 lächelnd als "Handschmeichler" bezeichnete, Bildnisse mit Attributen höchster Ämter, ja sie unterstreichen angemaßte göttliche Herkunft oder dass jemand seine Krone von Gottes Gnaden empfangen hat. Hinter den mal glatten, mal zerfurchten Gesichtern unter edel geformten Frisuren mit darauf gelegten Kränzen und Kronen verbergen sich manche finstere Despoten, deren Wege nach ganz oben mit Blut der eigenen Verwandten und von Vertrauten befleckt sind. Johann Wolfgang von Goethe, der ein großer Freund und Sammler geprägten Metalls war und sich auch bei den Medaillen gut auskannte, hielt von römischen Kaisern und Kaiserlingen nur wenig. Sie hätten nichts dabei gefunden, "in der fratzenhaftesten Gestalt auf den schlechtesten Kupferpfennigen zu erscheinen und ihren Soldaten, statt ehrenvollen Soldes, ein bettelhaftes Almosen kümmerlich zu spenden."

Masse ist nicht immer Klasse

Auch spätere Bildnisse, etwa solche auf Talern und Dukaten sowie Medaillen, die in der Renaissance aufkamen und sich häufig an antiken Vorlagen orientierten, zeigen da und dort in selbstbewusster Pose Männer, die alles andere als "erste Diener ihres Staates" waren, um den preußischen König Friedrich II., den Großen, zu zitieren, der dies zu sein für sich in Anspruch nahm und selbstverständlich mit seinen Münzen und Medaillen in der Dauer- und Sonderausstellung vertreten ist. Bildnis- und Ereignismedaillen spielten seit dem 15./16. Jahrhundert als haltbares und schnell in Umlauf zu bringendes Medium fürstlicher, aber auch bürgerlicher Selbstdarstellung eine gewichtige Rolle, und was auf diesem Gebiet zustande gebracht wurde, wird in der Menschenbilder-Ausstellung exemplarisch bis in unsere Gegenwart vorgeführt. Wir sehen, dass es im 19. Jahrhundert dank Graviermaschinen und hocheffektiven Prägepressen keine Kunst war, Münzen und Medaillen in großen Stückzahlen herzustellen. Nicht alle sind wahre Kunstwerke, vielen sieht man an, dass sie schnell auf den Markt geworfen wurden, weil es dafür ein großes Publikumsinteresse gab und man mit Medaillenwohl auch gut verdienen konnte.

Doch Masse war nicht immer Klasse, uns so gab es vor und nach 1900 den Ruf nach neuen Formen und Themen, nach der Wiedererweckung der Medaille, die dann tatsächlich von hervorragenden Künstlern erreicht wurde. Dass dieses Bestreben nicht ungehört blieb und bis heute aktuell ist, da wir von einer Flut von Bildern überschüttet werden, kann man in der Ausstellung an vielen eindrucksvollen Beispielen sehen. Sorgfältig recherchiert und gut ausgewählt, möchte man ihr viele Besucher wünschen. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere angeregt, sich mit dem Thema der Ausstellung näher zu beschäftigen und nach einschlägige Belegen für die eigene Sammlung Ausschau zu halten. Geöffnet ist das Münzkabinett wie auch das ganze Bodemuseum mit seiner Skulpturensammlung und dem Byzantinischen Museum täglich von 10 bis 18 Uhr und am Donnerstag bis 22 Uhr.

24. November 2017

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