Riesengarde und riesige Medaillen
Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. pflegte seltsame Steckenpferde



Das von Heinrich Bettkober geschaffene Bronzedenkmal des Soldatenkönigs stand ursprünglich am Berliner Schloss Monbijou und kann jetzt in der Nähe des Rosa-Luxemburg-Platzes betrachtet werden.





Keine Meisterleistung barocker Stempelschneidekunst, aber hochselten und charakteristisch für die seltsame Kunstpflege unterm preußischen Soldatenkönig sind die schweren Riesenmedaillen anlässlich von Feldlagern und Truppenschauen. Die von Friedrich Marl geschaffene Ausgabe von 1728 wiegt 422 Gramm und hat einen Durchmesser von 120 mm (Brockmann Nr. 551)



In einer solchen Münzwerkstatt der Barockzeit könnten auf der Spindelpresse auch die Riesenmedaillen des preußischen Soldatenkönigs hergestellt worden sein.



Das vom König "unter Schmerzen" gemalte Bildnis aus dem Jahr 1737 zeigt einen kranken Mann, drei Jahre später war er mit nur 52 Jahren gestorben.



Das preußische Regiments der Langen Kerls, um dessen Wohl und Wehe sich der König persönlich kümmerte, ist von manchen Legenden umwölkt. (Fotos/Repros: Caspar)

Während andere Fürsten der Barockzeit Unsummen für Juwelen, Mätressen, Schlösser und Kunstsammlungen ausgaben, delektierte sich der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (reg. 1713 bis 1740) an seinen Langen Kerls. Er schuf ein ausgeklügeltes System, um überall in Europa besonders hoch gewachsene, kräftige, gesunde und schöne junge Männer in sein Königsregiment Nr. 6 zu holen, und ließ sich diese Marotte viel Geld kosten. Der Monarch konnte sich der Bewunderung seiner fürstlichen Kollegen sicher sein, die nach preußischem Vorbild ebenfalls Riesen-Regimenter aufstellten. Außerdem hatten große Grenadiere auch einen praktischen Zweck, denn sie kamen besser mit den damaligen Flinten klar als solche von durchschnittlicher Körperhöhe. Wer mindestens 1,88 Meter groß war, die brachialen Methoden der Werber überstand und ihren Versprechungen glaubte, kombiniert mit stattlichen Handgeldern, und sich einstellen ließ, geriet allerdings vom Regen in die Traufe und dürfte seine Unvorsichtigkeit bald bereut haben. Die Riesengarde jungen Adligen, Bauern und Handwerkern, ja auch Kleinkriminellen und allerlei zwielichtigen Gestalten gewisse Sicherheiten, zumal sie von dem im Grunde seines Herzens friedfertigen Monarchen nie richtig Pulverdampf und Kugelhagel ausgesetzt Ende vieler Angehöriger des ebenso gefürchteten wie belächelten Königsregiments.

Von der Wiege bis zur Bahre

Friedrich Wilhelm I. vermied militärische Konflikte. Deshalb hatte die meisten seiner an ihren hohen Mützen erkennbare Gardisten nie Kontakt mit Pulverdampf und herumfliegenden Bleikugeln. Friedrich II., der Große, der mit dem seltsamen Steckenpferd seines Vaters nicht viel anfangen konnte, löste die Riesengarde nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1740 auf und überstellte sie seiner regulären Armee. Der letzte offizielle Einsatz der Langen Kerls erfolgte im gleichen Jahr beim Leichenbegängnis des Königs in Potsdam. Auf den Schlachtfeldern der Schlesischen Kriege wurden die Rekruten - hoher Körperwuchs hin, schönes Gesicht her - erbarmungslos verheizt. "Sie fochten, bis sie den Geist aufgaben; sodann deckten sie mit ihren schönen Leibern, in Reihen und Gliedern gestreckt, ihren blutigen Schlachtplatz", beschrieb ein Zeitgenosse das klägliche

Für seine Riesengarde war dem sonst knauserigen, bei der Erhebung von Steuern aber sehr kreativen Monarchen nichts zuviel. Um unter seine Fahne zu bekommen, wandte er tausende Taler auf, ein Vielfaches dessen, was er hohen Offiziere und Staatsbeamte im Jahr zahlte. Wenn ihm einer seiner Lieblinge besonders stattlich erschien, ließ er ihn malen oder tat dies selbst mit ungelenker Hand. Als gruslige Kuriosität sind bis heute Skelette mit einer Körperhöhe von 2,12 und 2,23 Metern erhalten. Man sieht den Knochenmännern an den verkrümmten Gliedmaßen an, dass sie im wahren Leben unter ihrer Größe doch sehr gelitten haben müssen.

Wer im Königsregiment Nr. 6 stand, hatte es besser als die Mannschaften in anderen Regimentern. Persönlich und mit großem Eifer kümmerte sich der Soldatenkönig um seine Riesengarde, denn er fühlte sich als ihr Obrist und Vater. Offiziere und Gemeine wurden bei Wohlverhalten mit Gunsterweisungen, finanziellen Zuschüssen, Land und Baumaterialien beschenkt. Auch sorgte sich der König, dass weit weg wohnende Frauen und Kinder mit Hilfe von Reisekostenzuschüssen nach Königs Wusterhausen oder Potsdam übersiedeln konnten, wo sich der König lieber aufhielt als in Berlin, der eigentlichen preußischen Haupt- und Residenzstadt.

Unter Schmerzen gemalt

Im Gegensatz zu seinem Vater, den ersten Preußenkönig Friedrich I., und seinen Sohn Friedrich II. soll der sparsame und ganz aufs Praktische ausgerichtete Soldatenkönig wenig Interesse an bildender Kunst sowie an Architektur und Musik, aber auch nicht an Medaillen gehabt haben. Diese Meinung stimmt nur insofern, dass der Herrscher nicht so ausgeprägt den Musen zugewandt war wie andere gekrönte Häupter, etwa August der Starke, König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Zwar entließ Friedrich Wilhelm I. gleich nach seiner Thronbesteigung 1713 Maler, Bildhauer und Architekten, die seinem Vater zu Diensten waren, und kürzte den Etat für Künstler und Gelehrte und die beiden Berliner Akademien. Auf der anderen Seite beschäftigte er aber in begrenztem Umfang Maler und Musiker, Bildhauer und Baumeister sowie Stempelschneider und Medailleure, wenn sie seinen Vorstellungen als Hausvater und Landesherren und seinem etwas biederen Kunstgeschmack entsprachen und er sich Prestigegewinn von deren Arbeiten versprach.

So wurde das Berliner Schloss aufgeputzt, als August der Starke sich zu einem Staatsbesuch ansagte, und es konnte auch geschehen, dass der König viel Geld ausgab, wenn es darum ging, sich auf riesigen Medaillen darzustellen. Gemalte Porträts des Königs und seiner Familienangehörigen, aber auch von Offizieren und von Langen Kerls beweisen, dass der Landesherr Gefallen an solchen Bildern hatte, ergänzt durch Jagdmotive. Gelegentlich griff der kranke, an seiner Fettleibigkeit leidende Herrscher zum Pinsel und malte "in tormentis" selber, also unter Schmerzen. Die hausbackenen Ölgemälde blieben erhalten und werden im Schloss Königs Wusterhausen gezeigt.

Friedrich Wilhelm I. hatte nicht nur an seiner Riesengarde Gefallen, sondern auch an riesigen Silbermedaillen, die anlässlich von Truppenschauen und Feldlagern geprägt wurden. Die von den Stempelschneidern Friedrich Marl und Peter Paul Werner geschaffenen Stücke, die sich im Besitz des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz befinden, haben einen Durchmessern bis 132 Millimeter und wiegen mehrere hundert Gramm. So groß sie auch sind, zu den Meisterwerken barocker Medaillenkunst zählen sie allerdings nicht. Sie zeigen aber sehr gut, worauf es dem König von Preußen ankam - die Präsentation sauber ausgerichteter Regimenter und die Zurschaustellung militärischer Macht. Dargestellt ist auf der Vorderseite der Herrscher mit Zopf und angetan mit einem Hermelinmantel und dem Band des Schwarzen Adlerordens über der Brust. Auf der Rückseite erkennt man unter der Devise PRO DEO ET MILITE (Für Gott und das Heer) die Grenadiere in exakt ausgerichteten Reihen angetreten.

Roh und unvollkommen

Die ungewöhnliche Größe der Medaillen und also auch der Stempel hatte bedeutende technische Probleme zur Folge, weshalb nur wenige Stücke dieser zu den großen Seltenheiten der brandenburg-preußischen Medaillengeschichte zählenden Prägungen ausgeführt wurden. Dazu standen in der Berliner Münze große und schwere Spindelpressen zur Verfügung. Da sich das Relief dieser numismatischen Riesen nicht bei einem Prägevorgang herstellen ließ, mussten die Schwungarme der Balanciers mehrfach angeworfen werden. Sicher wurden die Ronden zwischendurch auch geglüht, weil das Metall zwischendurch beim Pressen wieder hart geworden war.

Von Julius Menadier, dem früheren Direktor des Berliner Münzkabinetts und Autor des 1901 erschienenen Werks über die "Schaumünzen der Hohenzollern" wissen wir, dass Friedrich Wilhelm I. bei den Riesenmedaillen keine Kosten und Mühen scheute. Auf Kunstfertigkeit und allegorische Ausmalung seines Wahlspruchs kam es ihm offenbar nicht an. "Die Arbeiten der beiden Berliner Meister sind von einer Rohheit, welche alle Unvollkommenheit ihrer früheren Erzeugnisse weit hinter sich läßt", schreibt Menadier in einer Betrachtung der Medaillen des Hauses Hohenzollern im Hohenzollern-Jahrbuch von 1901. Das mag auch von dem übergroßen Umfang dieser Gepräge abhängen, die mit Durchmessern von 87 bis 132 mm die größten Stücke seien, die jemals geprägt wurden.

Der König ließ diese "Riesen" vorzugsweise in Gold mit einem Gewicht bis zu 500 Dukaten prägen lassen. Von einer solchen Medaille von 1723 wurden drei goldene und 20 silberne Exemplare hergestellt. Zwei weitere Medaille von 1727 wurde mit Gewichten zu 500 Dukaten, drei zu 400 Dukaten, vier zu 300 Dukaten, sechs zu 200 Dukaten und acht zu 150 Dukaten geprägt, summa summarum 23 Medaillen im Gesamtgewicht von 5800 Dukaten, das wären etwa 20 Kilogramm Gold gewesen, wenn man einen Dukaten mit etwa 3,5 Gramm berechnet.

Für das Jahr 1728 notiert Menadier aufgrund der Akten die Herstellung von 27 großen Goldmedaillen im Gewicht von 6426 3/8 Dukaten. Die Herstellung der Medaillen kostete fast 18 400 Taler. Für die Anfertigung von zwei großen Silbermedaillen im Gewicht von über acht Mark (1 Mark berechnet zu 234 Gramm, also über 1,8 Kilogramm) wurden 127 Taler und 29 Groschen aufgewandt. Als 1733 in Berlin die Hochzeit des Kronprinzen Friedrich, des späteren Königs Friedrich II., mit Elisabeth Christine von Braunschweig gefeiert wurde, fand ein großes Feldlager statt, was wiederum die Prägung einer riesigen Medaille wert war. Der König befahl noch im gleichen Jahr die Prägung von zwei goldenen Medaillen zu 500 Dukaten und vier zu 150 Dukaten. Zwei Jahre später bestellte er 72 goldene Medaillen zu 100, 50 und 30 Dukaten.

Goldstücke wieder eingeschmolzen

Da die Medaillen totes Kapital waren und sich wohl auch nicht genug zahlungskräftige Abnehmer oder Sammler fanden, welche die aufgewandten Summen wieder hätten kompensieren können, wurde die Generaldomänenkasse angewiesen, Restbestände der königlichen Münze zum Einschmelzen zu übergeben, was mit nicht unbeträchtlichen Einbußen verbunden war. Julius Menadier notiert, der König habe die großen Goldmedaillen der erwähnten Kasse als eisernen Bestand zuführen lassen. "Dass sie daselbst nicht lange verblieben, beweist der Umstand, dass nicht eine einzige bei der von seinem Sohn und Nachfolger (Friedrich II., reg. 1740-1786, H. C.) angeordneten Inventarisation sich vorgefunden hat. Zur Zeit ist nur ein einziges Exemplar im Gewichte von 348,80 gr im Wiener Münzkabinett bekannt, was bei dem Missverhältnisse zwischen Metall- und Kunstwert schwerlich befremden kann". Der Goldabschlag der Medaille von 1733 wird in einem Buch von Günther Brockmann über die Medaillen der Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen (Köln 1994) unter der Nummer 564 erwähnt. Das Stück hat einen Durchmesser von 132 mm und wiegt 348,6 Gramm. Im Berliner Münzkabinett sind die von Werner geschnittenen Stempel für diese sowie eine Medaille von 1728 erhalten, die Marl geschaffen hat. Es kommen auch weitere Medaillen vor, bei denen jeweils ein Stempel von Werner und von Marl zum Einsatz kamen.

17. April 2017

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