Mord am Petersburger Hof
Münzen von Iwan VI., Peter III. und Paul l. erinnern an Zaren, denen kein langes Leben beschieden war



Von Zar Iwan VI. erzählen einige mit ihm als Kleinkind geschmückte Münzen wie dieser Petersburger Rubel von 1741. Zarin Elisabeth, auf dem Rubel darunter, ließ ihn den Knaben im Gefängnis schmoren.



Das Gedenkblatt von 1764 erinnert an den gewaltsamen Tod von Iwan VI., in dem Katharina die Große eine potenzielle Gefahr sah.



Katharina die Große kämpfte sich gewaltsam den Weg zur Alleinherrschaft frei und sorgte auch dafür, dass das russische Münzwesen westeuropäischen Standard bekam. Ihr Mann Peter III. auf dem Rubel oben kam 1762 auf gewaltsame Weise ums Leben.



Zar Paul I. machte sich durch sein irres Verhalten unbeliebt und fiel 1801 einem Mordkomplott zum Opfer (Medaille oben). Seine Münzen verzichten auf Bildnisse, sondern sind mit einem frommen Spruch versehen.



Alexander I. kämpfte in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 erfolgreich gegen das napoleonische Frankreich und sorgte danach mit seinen Verbündeten, dass in weiten Teilen Europas Freiheitsbestrebungen unterdrückt wurden.



Der so genannte Konstantinrubel von 1825 zählt zu den großen Raritäten der in dieser Hinsicht wahrlich nicht armen russischen Münzgeschichte. (Repros: Caspar)

Russische Zaren lebten gefährlich, die Todesrate durch Mord und Attentate war bei ihnen im Vergleich zu dem, was mit Dynastien in anderen Ländern geschehen ist, erstaunlich hoch. Die russische Münzgeschichte ist voll von Kuriositäten, und sie kennt viele Probe- und Nachprägungen und andere numismatische Sonderlinge. Dazu gehören die Petersburger Rubel, auf denen der im jugendlichen Alter ermordete Zar Iwan VI. als Kleinkind abgebildet ist. Der Knabe übte in den Jahren 1740 und 1741 formal das Zarenamt aus, ohne seinen Rang zu kennen, und er besaß keine wirkliche Macht. Dessen ungeachtet ist er auf den Raritäten mit lorbeerumkränztem Bildnis und den Insignien des Andreasordens als pausbäckiges Kleinkind abgebildet.

Über das ebenso kurze wie unglückliche Leben des geheimnisumwitterten Gefangenen in der Festung Schlüsselburg unweit von Sankt Petersburg gibt es manche Legenden. Iwan Antonowitsch war der erstgeborene Sohn des Herzogs Anton Ulrich des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern und der Großfürstin Anna Leopoldowna, die für jenen Iwan regierte. Der Säugling war von seiner Großtante, Zarin Anna Iwanowna, zum Thronfolger ausgerufen worden. Das war möglich, weil ein Dekret Peters des Großen festgelegt hatte, dass der jeweils regierende Zar seinen Nachfolger bestimmen darf.

Im Strudel von Intrigen und Machtkämpfen

Die Ausrufung zum Zaren aller Reußen nach dem Tod der Zarin Anna 1740, einer Halbnichte von Peter I., hatte für den auf russischen Silber- und sogar Goldmünzen abgebildeten Iwan VI. böse Folgen. Von der Außenwelt isoliert, geriet er in den Strudel von Intrigen und Machtkämpfen am Petersburger Hof. Elisabeth Petrowna, die Tochter von Peter I., riss 1741 die Macht an sich, regierte bis 1761 und war im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) eine der ärgsten Gegnerinnen des preußischen Königs Friedrich II., des Großen. Da sie in Iwan VI. eine Gefahr sah, ließ sie ihn internieren. Seine Eltern sahen den Jungen nie wieder, jede Nachricht von ihm wurde unterdrückt. Ob Iwan gewusst hat, wer er ist und warum er in der Schlüsselburg inhaftiert ist, ist nicht bekannt.

Die aus dem kleinen deutschen Fürstentum Anhalt-Zerbst stammende Kaiserin Katharina II., genannt die Große, ließ Iwan VI. 1764 nach dreiundzwanzigjähriger Haft ermorden. Sie tat so, als wüsste sie nichts von dem Komplott und wusch ihre Hände in Unschuld. Erstaunlich ist, dass ungeachtet aller Versuche, die Erinnerung an den Herrscher aller Reußen auszulöschen, einige Silber- und Goldmünzen mit seinem Bildnis erhalten blieben. Wegen ihrer Seltenheit und des historischen Hintergrunds werden die Stücke gesucht und erzielen im Handel hohe Preise. Das gilt auch für viele andere Münzen aus der Zarenzeit, die es aus unterschiedlichsten Gründen nicht zur Massenprägung brachten. Katharina II. profitierte von der Ermordung ihres eigenen Mannes, des Zaren Peter III. Er hatte sich bei seinen Untertanen durch seine Preußenfreundlichkeit, Alkoholexzesse und sonderbare Verhaltensweisen verdächtig gemacht, weshalb er im Sommer 1762 während einer Palastrevolution sein Leben lassen musste. Ob seine Gemahlin bei dem Attentat ihre Finger im Spiel hatte, ist umstritten. Fest steht aber, dass sie von nun an unumschränkt herrschen und sich jeden Mann nehmen konnte, den sie haben wollte.

Das gleiche Schicksal erlitt 1801 Zar Paul I., der Sohn von Peter III. und Katharina. Als am 17. November 1796 durch Sankt Petersburg mit Blick auf Katharina die Große der Ruf erscholl "Die Zarin ist tot, lang lebe der Zar", klang das wenig begeistert. Niemand konnte ahnen, dass die Regentschaft des neuen Kaisers schon nach viereinhalb Jahre gewaltsam zu Ende gehen würde. Mit Paul I. bestieg ein Mann den russischen Thron, von dem nicht viel Gutes zu erwarten war, obwohl er zunächst ein historisches Unrecht gut machte, als er nämlich den Sarg seines ermordeten Vaters Peter III. vom Newski-Kloster an die Seite seiner eben verstorbenen Mutter in der Peter-und-Pauls-Kathedrale aufstellen ließ.

Niemand war seines Lebens sicher

Um den exzentrischen, von sich vollkommen überzeugten und gegenüber jeder Kritik unempfindlichen Paul I. rankten sich abenteuerliche Gerüchte. Man fragte, ob der neue Herrscher wirklich der Sohn Peters III. und Katharinas ist oder nur ein Bastard, den einer der vielen Geliebten mit Katharina gezeugt hatte. Wie dem auch sei - Paul I. verwandelte sein Reich in einen finsteren Polizeistaat, in dem die Menschen, ob Hoch oder Niedrig, ihres Lebens nicht mehr sicher waren und aus dem der unter Katharina der Großen gepflegte Geist der Aufklärung vertrieben wurde. Mit seiner Willkür, der Unberechenbarkeit und dem krankhaftem Misstrauen brachte Paul I. die führenden Kreise einschließlich seiner eigenen Familie so sehr gegen sich auf, dass man nur in einem Mord die Lösung der Probleme sah und große Hoffnungen auf seinen Sohn und Nachfolger Alexander I. setzte, übrigens den Namensgeber des Berliner Alexanderplatzes.

Im Jahr 1825 gab es in Russland einen weiteren Thronwechsel. Zar Alexander I., der seit 1801 regiert hatte, starb überraschend am 19. November/1. Dezember in Taganrog während einer Reise durch die Provinz. Wir geben das Todesdatum korrekterweise in der alten julianischen und der bei uns gültigen gregorianischen Fassung an. Da jüngere Bruder des Zaren, Großfürst Konstantin, schon 1822 seinen Thronverzicht erklärt hatte, weil er unstandesgemäß verheiratet war, wurde dessen Bruder Nikolaus I. neuer Selbstherrscher aller Reußen. Eine Gruppe adliger Gardeoffiziere verweigerten dem neuen Kaiser im Dezember 1825 den Treueid und probten den Aufstand. Ziel der von dem Aufschwung der Befreiungskriege inspirierten Dekabristen waren die Reformierung des Landes nach westlichem Muster, die Einführung einer Verfassung und die Abschaffung des autokratischen Regierungssystems. Auf der Liste der "Dezembermänner" stand ferner die Beseitigung der menschenunwürdigen Leibeigenschaft ganz oben, die als anachronistisch betrachtet wurde und ein großes Hindernis für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung des Riesenreiches und seinen Weg in die Moderne war.

Die Dekabristen verlangten die Umwandlung der autokratischen Zarenherrschaft in eine konstitutionelle Monarchie, die Abschaffung der polizeilichen Willkür und der Unterdrückung des Geistes durch die Zensur. Historiker bewerten die Bewegung als erste bewusst gegen das Zarenregime gerichtete revolutionäre Bewegung. Der Aufstand der Offiziere wurde blutig niedergeschlagen, ehe er richtig begonnen hatte. Wichtiger Grund für sein Scheitern war die unzureichende Vorbereitung des Putsches, ein anderer der geringe Widerhall, den die adligen Verschwörer in der russischen Gesellschaft und im Volk fanden. Das Zarenregime triumphierte und stellte die Aufständischen vors Gericht. Fünf Rebellen wurden hingerichtet und hunderte in das ferne Sibirien zur Zwangsarbeit verbannt.

Konstantinrubel als Top-Rarität

Unter den russischen Raritäten des frühen 19. Jahrhunderts ragt der so genannte Konstantinrubel aus dem Jahr 1825 heraus. Er erinnert daran, dass die Thronfolge nach dem Tod von Alexander I. unklar war. Beamte des Petersburger Münzhofs glaubten, dass Großfürst Konstantin Pawlowitsch neuer Zar ist. Sie konnten ja nicht wissen, dass es ein geheimes Abkommen gab, in dem Konstantin seinen Thronverzicht erklärt und dem jüngeren Bruder Nikolaus Pawlowitsch die Herrschaft abgetreten hatte. Als das bekannt wurde, wurde in Sankt Petersburg die in vorauseilendem Gehorsam begonnene Prägung der Rubel mit Konstantins Kopf und dem Zarenadler im Lorbeerkranz wieder eingestellt. Nach Angaben von Iwan Georgewitsch Spasski, dem großen Kenner der russischen und sowjetischen Münzgeschichte, befanden sich 1976 in der damaligen Sowjetunion fünf Konstantinrubel in der Petersburger Eremitage beziehungsweise im Moskauer Historischen Museum. Da sich in der Zarenzeit reiche und einflussreiche Sammler Nachprägungen von dieser Top-Rarität zu verschaffen wussten, kommen diese da und dort in Privathand vor. Außerdem wurden Fälschungen angefertigt, die sich aber bei genauer Prüfung unschwer als solche erweisen.

22. Juni 2017

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"