Betrug am Volk und am Staat
Vor und nach der Kipper-und-Wipper-Zeit vor 400 Jahren wurden massenhaft schlechte Münzen in Umlauf gebracht, doch es gab auch eine Gegenbewegung



Die Stadt Berlin beteiligte sich an dem großen Volksbetrug, ihre winzigen Kipperpfennige von 1621 sind mit dem aus Bär und Adler bestehenden Doppelwappen von Berlin und Cölln geschmückt. Die Zeichnung war das Logo des XII. Internationalen Numismatischen Kongresses 1997 in Berlin.



Hinter den Machenschaften der Kipper und Wipper kann nur der Teufel stehen, und das führten volkstümliche Bilder und Pamphlete den empörten Menschen drastisch vor Augen.



Brandenburgs Großer Kurfürst Friedrich Wilhelm, hier auf als stürmischer Reiter auf einem Taler von 1657 hatte allen Grund, sich um das Münz- und Geldwesen seines Landes Sorgen zu machen. Doch setzte er beherzt Reformen durch.



Was sich in den Kippermünzstätten und den Heckenmünzen abspielte, war Gegenstand von heftigen Verwünschungen und Drohungen. Der Kupferstich stammt aus der "Kleinen Kiperzeit" in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.





August der Starke profitierte an den 1701 und 1702 geprägten "Roten Seufzern". Sein Denkmal, der Goldene Reiter, feiert den 1733 verstorbenen Kurfürsten von Sachsen und König von Polen in der Dresdner Neustadt. (Foto/Repros: Caspar)

Die Umtriebe der Kipper und Wipper vor rund 400 Jahren zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) waren nur die Spitze des Eisbergs. Davor und danach gab es immer wieder Versuche, Profit aus der Verminderung des Feingehalts der Münzen und ihres Gewichts zu erzielen. Zwar gab es dagegen strenge Gesetze, und es wurden auch verantwortliche Beamte und Angestellte von Münzstätten zur Verantwortung gezogen, wenn man sie solcher Verbrechen überführen konnte, aber abschreckende Todesstrafen, Landesverweis und Vermögensentzug konnten nicht verhindern, dass in großen Mengen minderwertige Münzen in Umlauf gegeben wurden. Das waren in der Regel kleine Werte, Pfennige, Kreuzer, Groschen und ähnliche Nominale, während große Silberstücke wie Taler und ihre Teilstücke sowie Goldmünzen weiterhin "nach des Reiches Schrot und Korn" geprägt wurden.

Für uns heute unverständlich ist die Leichtfertigkeit, mit der damalige Obrigkeiten mit ihrem ureigenen Vorrecht, der Münzprägung, umgingen. Das Privileg wurde in die Hände von Privatleuten gegeben, die einen bestimmten Betrag, den Schlagschatz, an den Staat abliefern mussten. Was darüber erwirtschaftet wurde, floss in die Tasche der Pächter. Sie hatte nur bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten und mussten darauf achten, dass ihre Münzen nicht übermäßig vom vorgeschriebenen Schrot und Korn abweichen. Wie sie das schafften, war ihre Angelegenheit, Untersuchungen über illegale Machenschaften fanden selten statt. Kaum einer der Verantwortlichen wurde zur Rechenschaft gezogen, und an anderen Münzanstalten nahm man diese Experten gern in Dienst.

Furcht vor Tumulten

Auch die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin-Cölln beteiligte sich um 1621, als der Dreißigjährige Krieg schon drei Jahre tobte, an der Kipperei. Aus kurfürstlichen Verordnungen und Beschwerden der Stadtverwaltung ist zu entnehmen, dass die Ausmaße beträchtlich waren, und Münzmeister Liborius Müller muss nicht schlecht verdient haben. Untersuchungen gegen ihn verliefen wie das Hornberger Schießen. Erst wurde Müller eine beträchtliche Geldstrafe auferlegt, dann aber entlastete ihn Kurfürst Georg Wilhelm vom Vorwurf der Münzfälscherei, ersetzte ihn aber durch einen anderen Münzmeister. Nach dem Dreißigjährigen Krieg bestand angesichts der Verlockungen, aus schlechtem Geld Profit zu schlagen, auch in Brandenburg die Gefahr einer Wiederholung der Kipper- und Wipperzeit. Da schlechte Münzen in Form von Steuern und Abgaben wieder in den Staatssäckel zurückflossen, schritt die besorgte Obrigkeit ein. In einem Edikt vom 10. Oktober 1650 verkündete Kurfürst Friedrich Wilhelm, um dem Mangel an kleiner Münze abzuhelfen, folgendes: "Wir befinden eine unumbgängliche noth zu sein, einige Current- und Landtmüntze pregen und machen zu lassen, damit unsere Unterthanen von einanderkommen und kein tumult unter den gemeinen Mann entstehen möge".

Die Reaktion auf die minderwertigen "Usual- oder Landmünzen" ließ nicht lange auf sich warten. Es hagelte Proteste, und dem später Großer Kurfürst genannten Herrscher wurde vorgerechnet, dass die Doppelgroschen in Wahrheit nur 5 ¼ Pfennig wert sind. Friedrich Wilhelm wartete ab. Er ließ die Prägung der schlechten und leichten Münzen erst einstellen, als genügend von ihnen im Umlauf war. Der Monarch suchte aus Sorge über die "Confusion und Unordnung wegen Unserer Landmünz" nach Auswegen und gelangte 1667 in Zinna mit seinem sächsischen Nachbarn, Kurfürst Johann Georg II., und bald auch mit den braunschweigischen Herzögen zu einer Übereinkunft über die Herstellung von Münzen nach einheitlichem Standard, jedoch in unterschiedlicher Gestaltung. 1690 wurde dieser Zinnaer Münzfuß, mit dem ein erster Schritt zur Herstellung der deutschen Münzeinheit gegangen wurde, durch den Leipziger Münzfuß abgelöst.

Landesväterliche Vermahnungen

Es fällt auf, dass Gesetze und Verordnungen die Münzbeamten und -arbeiter immer wieder zu Ehrlichkeit, Ordnung und Treue auffordern, so als ob eine "Vermahnung" von der anderen abgeschrieben wurde. In einem Edikt von 1667 verpflichtete Kurfürst Friedrich Wilhelm seine Münzbeamten und -arbeiter, treu und ehrlich zu sein und zu schwören, die neue Münz-Ordnung in allen Punkten und "Enthaltnüssen" zu erfüllen. Das in "Land-Vätterlicher Vorsorge" verfasste Dokument beklagt "viele Unterschleiffe, unnöthige Unkosten, und offtmals ungebührliche grosse Abgänge", also Verluste und Unterschlagungen. Aus gutem Grund befahl der Kurfürst seinem Obermünzdirektor dafür zu sorgen, dass "aller Unfleiß, Fahrlässigkeit, Untreue und Verwahrlosung nachbleiben". Auch dürfe es zwischen dem Münzmeister und Münzarbeitern "keine Abrede noch Verständnis" geben, "widrigenfalls er nicht allein für allen dahero entstehenden Schaden haftet, sondern auch nach Befinden an Leib, Ehr und Gut bestrafet werden sollte". Die ständige Wiederholung solcher Strafandrohungen sagt nicht anderes, als dass man dafür triftige Gründe hatte, die Zunft der Münzer immer wieder an Ehrlichkeit und Staatstreue zu erinnern.

Ungeachtet strenger Richtlinien hinsichtlich der Beschäftigung von "ehrlich" geborenen Leuten muss sich in den Münzschmieden allerlei Gesindel herumgetrieben haben. Es gibt Erzählungen über Besäufnisse und Raufereien und auch, dass Münzmeister und Wardeine ein kostspieliges Leben führten, Samt und Seide trugen, in Kutschen ausfuhren und tafelten, dass sich die Tische bogen. Oft zielten Untersuchungen ins Leere, wie das Schicksal des aus Schlesien kommenden und 1666 zum brandenburgischen Obermünzdirektor ernannten Nicolaus Gilli zeigt. Nackt und bloß sei er gekommen, doch dann habe er ein "schreckliches" Vermögen zusammengerafft. Über zwei Tonnen Gold sollen es gewesen sein, jede Tonne mit der Riesensumme von 100 000 Talern berechnet. Gilli wurden betrügerische Machenschaften und hohe Schulden gegenüber dem Kurfürsten nachgesagt.

Sachsens rote Seufzer

Abenteuerliche Gerüchte über den zeitweiligen Vertrauten des Landesherrn liefen um. Man munkelte, er habe den Gewinn außer Landes gebracht. Gilli wurde verhaftet und ins kurbrandenburgische Staatsgefängnis, die berüchtigte Festung Spandau bei Berlin, gebracht. Sein Vermögen und sein Landgut wurden beschlagnahmt. Ob die Verfehlungen des Münzmeisters im üblichen Limit lagen und sich die Betrügereien doch als nicht besonders gravierend erwiesen - der Kurfürst ließ Gilli nach zwei Jahren frei und gab ihm sein konfisziertes Vermögen abzüglich des beschlagnahmten Bargeldes zurück. Es geschah sogar ein Wunder, denn der gewiefte Münzmeister durfte in Berlin und Crossen eine Zeitlang noch Dreier schlagen. Er muss das so gut gemeistert haben, dass seine Verluste schon bald wieder ausgeglichen waren.

In Sachsen wurden anno 1702 die so genannten roten Seufzer hergestellt, die berüchtigten Sechs-Pfennig-Stücke aus schlechtem Silber, unter dem nach einiger Zeit des Umlaufs das rote Kupfer zum Vorschein kam. August der Starke soll mit der Ausgabe Geld zum Kauf von Juwelen erwirtschaftet haben. Nachdem sein Großkanzler Wolf Dietrich Graf von Beichlingen entmachtet und auf die Festung Königstein geschickt worden war, wies dieser 1708 in einer Verteidigungsschrift die Behauptung zurück, er habe ein Münzverbrechen begangen. Er gab zu bedenken, dass nicht er den Befehl zur Ausmünzung der verhassten Geldstücke gegeben habe, sondern August der Starke, der als sächsischer Kurfürst und König von Polen für seinen Hof, seine Bauten, seine Mätressen und Juwelen viel Geld brauchte und alle Quellen anzapfte, die sich ihm boten. Alles Jammern half nichts, der Herrscher stand über dem Gesetz, die Sache blieb an dem Grafen hängen. Am Ende wurden die roten Seufzer von sechs auf drei oder zwei Pfennige herabgesetzt und fanden irgendwann als Spielmarken ein schmähliches Ende.

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"