Kniehebelpressen erobern das Land
Vor 200 Jahren wurden in Preußen neuartige Prägemaschinen eingeführt, doch waren sie nicht jedermanns Sache





Zur Weltausstellung 1851 in Kondon prägte die Firma Uhlhorn diese versilberte Medaille mit der Darstellung einer Kniehebelpresse, darunter eine Medaille der k. und k. Münze in Wien mit einer an der Kniehebelpresse arbeitenden Frau.



Die farbige Grafik zeigt, wie Mitte des 19. Jahrhunderts in einer Geldfabrik Hand- und Maschinenarbeit parallel laufen.



Im Dresdner Münzkabinett und im Betriebsmuseum der Berliner Münze kann man die "Dinosaurier" unter den modernen Prägemaschinen bewundern. (Fotos: Caspar)


Auf Grafiken, Gemälden und Skulpturen ist dargestellt, wie in alten Zeiten Münzpräger am Amboss sitzen und mit schwerem Hammer zuschlagen. Die zwischen Ober- und Unterstempel liegenden Ronden erhielten so auf beiden Seiten das gewünschte Bild. Da die Stempel oft verrutschten, blieben Doppelschläge nicht aus. Seit dem 17. Jahrhundert wurde die Handprägung durch Spindelpressen und andere zunächst mit menschlicher Muskelkraft betätigte Maschinen erledigt. Nicht bewährt haben sich Prägeverfahren mit Hilfe von gravierten Walzen beziehungsweise pilzförmigen Stempeln, die gegeneinander bewegt wurden und ihre Gravuren auf das Metall markierten. Einen "Schub" in der Geldherstellung bewirkten die vor 200 Jahren von dem in Grevenbroich lebenden Fabrikanten Diederich Uhlhorn erfundene Kniehebelpressen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts mit Dampfkraft und nach 1900 mit Elektrizität angetrieben wurden. Heute fließt in den Geldfabriken ein ununterbrochener Münzstrom aus computergesteuerten Prägeautomaten, die im Unterschied zu älteren Maschinen geräuscharm und blitzschnell arbeiten. Originale Kniehebelpressen kann man heute nur noch in technischen Museen und Münzkabinetten bewundern.

Regelmäßiges Gepräge

Alte Bilder schildern, wie ein Münzarbeiter die sorgsam justierten, gerändelten, gebeizten und gewaschenen Ronden, auch Schrötlinge genannt, in den Prägeapparat füllt, während ein zweiter das Endprodukt in einem Behälter auffängt. Beim Prägen liegt die Ronde in einem stählernen Ring, "so dass sie eine genaue runde Form und ein regelmäßiges Gepräge annehmen muss. Ein Stoß genügt, um auf beiden Seiten die Gravierung genau auszuprägen", heißt in einer zeitgenössischen Beschreibung. Im Unterschied zu früheren Zeiten reichte oft ein einziger Prägeschlag aus, dass die Reliefs gut ausgeprägt wurden.

Die Einführung der Kniehebelpressen in Preußen ist dem Generalmünzdirektor Christian Friedrich Goedeking zu verdanken. Er setzte sich über mancherlei Bedenken von Untergebenen hinweg und verhalf der nach einem einfachen, aber hocheffektiven Wirkprinzip arbeitenden Maschine zum Sieg. Herzstück der Kniehebelpresse, die bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in der Berliner Münze und in andern Geldfabriken eingesetzt wurde, ist das "Knie", ein starkes Stück Stahl mit einem kurzen, horizontalen und einem langen, senkrechten Schenkel. Durch Hin- und Herbewegen des Winkelstücks konnte man relativ leicht den Prägedruck auf einen Oberstempel ausüben. "Beim Senken wurde mittels des Pendels der Oberstempel nach unten gedrückt, beim Heben nahm der Kniehebel nicht etwa Pendel und Oberstempel mit hoch, denn er hing ja mit dem Pendel nicht zusammen, sondern Pendel und Oberstempel wurden durch einen besonderen Mechanismus gehoben", heißt es in einer Beschreibung von Friedrich Freiherr von Schrötter in seiner preußischen Münzgeschichte zwischen 1806 und 1873.

45 Taler in der Minute

Aus 85 Einzelteilen bestehend und damit komplizierter konstruiert als die mit langen Schwungarmen bewehrte Spindelpresse aus der Barockzeit, wurde das Kniehebelwerk in den ersten Jahren nach seiner Erfindung noch mit menschlicher Muskelkraft bewegt, bald aber auf den Antrieb mittels Dampfmaschine umgestellt. Um 1829 schafften fünf an einem "Uhlhorn" arbeitende Präger 45 Taler pro Minute, während es neun Mann brachten auf einer Pariser Spindelpresse in der gleichen Zeit höchstens auf 25 Taler brachten. Auf der Berliner Kniehebelpresse konnten in einer Zwölfstundenschicht 17 000 Taler oder knapp 32 000 dreißigstel beziehungsweise sechzigstel Taler hergestellt werden. Das bedeutete eine erhebliche Steigerung der Produktivität der Münzstätte, mithin auch eine Senkung der Kosten und einen Gewinn für die Staatskasse. Die Folge war allerdings, dass Arbeitskräfte entlassen wurden, was den Widerstand gegen die Neuerung erklärt.

Die Frage, wie Geld hergestellt wurde, hat die Öffentlichkeit im technikbegeisterten 19. Jahrhundert sehr beschäftigt. Illustrierte Zeitschriften und touristische Literatur befriedigten die Neugier des Publikums. Technische Herstellungsprozesse, über die man bisher nur wenig wusste, wurden entzaubert, und Zeichner und Fotografen lieferten Bilder, die auch viel über die Arbeitsbedingungen erzählen. Die in Berlin erscheinende "Illustrirte Zeitung" vom 8. Mai 1875 ist eine interessante Text- und Bildquelle zur Geschichte der Reichsmünzen-Prägung. Der Beitrag "Die Fabrikation des Geldes" teilt mit, dass an der Spree täglich eine dreiviertel Million Geldstücke hergestellt werden. Auch wenn alle deutschen Münzstätten "mit äußerster Anstrengung" arbeiten, "so lehrt doch eine oberflächliche Berechnung, dass Deutschland erst in Jahr und Tag mit kleiner Münze versorgt sein kann."

Druck statt Stoß

Dass der Bedarf nach und nach befriedigt wurde, ist auch Uhlhorns genialer Prägemaschine und der Beharrlichkeit von weitsichtigen Beamten zu verdanken. Eine Friedrich Goedeking im Jahr 1843 gewidmete Medaille zeigt auf der Rückseite winzige Bilder von münztechnischen Gerätschaften. Links unten erkennt man die um 1817 in Berlin eingeführte Kniehebelpresse. Sie erfordert nach den Worten ihres Erfinders Uhlhorn weniger Kraftaufwand, als es bei den üblichen Spindelpressen der Fall ist. Da sie durch Tiere, Mühlräder oder Dampfmaschinen angetrieben werden können, lasse sich bedeutend mehr Arbeitslohn sparen, "indem alsdann ein Knabe die Maschine warten kann". Außerdem sei die Maschine einfach gebaut und brauche weder Schrauben noch Walzen, sie sei billiger zu handhaben als andere Prägegeräte und könne auch leicht nachgebaut werden, lobte Uhlhorn seine Erfindung. Da das Prägen durch Druck erfolge und es keine Erschütterungen, Schläge oder Stöße gäbe, würden die Münzstempel und andere Maschinenteile geschont. Auch könne der Druck so eingestellt werden, wie er zum Ausprägen unterschiedlich großer und dicker Münzen erforderlich sei. Als besonders günstig lobte Uhlhorn seine Maschine, dass sie in jedem beliebigen Raum aufgestellt werden kann, also kein besonders starkes Fundament benötigt wie die auf starken Fundamenten aufgestellten Spindelpressen. Neben Münzen könne die Maschine auch Knöpfe, Uhrketten oder Uhrzeiger produzieren.

Diederich Uhlhorns Kniehebelpressen fanden überall großen Anklang, bis 1851 waren 75 Maschinen in zahlreichen Münzstätten aufgestellt, 1870 zählte man schon mehr als 170. In der Königlichen Münze zu Berliner waren 1875 nicht weniger als 18 Uhlhörner im Einsatz. Sie schafften in der Minute 60 bis 70 Geldstücke. Zeitgenössische Darstellungen zeigen, dass auch Frauen an den Maschinen saßen. Sie wurden gern eingestellt, da ihr Lohn geringer als der der männlichen Kollegen war. Medaillen und Plaketten der Berliner Münze aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen den Prägesaal mit einer Batterie dieser überaus erfolgreichen Maschine, die im Betriebsmuseum an der Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf besichtigt werden kann. 5. Februar 2017 --Datum -->

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